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Leben ohne Eltern: Drogen, Gewalt, Suizidversuch - Das hat das Kinderheim aus ihr gemacht #72 Anna

Shownotes

Triggerwarnung: In dieser Folge geht es um Kindesmisshandlung, Gewalt im Heim, Vernachlässigung, psychische Erkrankungen (ADHS, Borderline, Zwänge), Sucht, Selbstverletzung, Suizidgedanken und mehrere Suizidversuche. Hör die Folge nur, wenn du dich stabil genug fühlst. Brich ab, sobald du merkst, dass es dir zu viel wird.

Anna wächst mit ADHS und einer frühen Traumatisierung auf. Mit drei Monaten holt das Jugendamt sie aus der Familie. Sie lebt bei ihrer Oma, die für sie zur Mama wird. Als ihre Symptome stärker werden, gibt die Großmutter sie schweren Herzens in ein Kinderheim. Dort erlebt Anna massive Gewalt, Mobbing und Demütigungen. Sie lernt, dass ihr niemand hilft. Aus dem stillen Kind wird ein Teenager im Überlebensmodus. Sie schlägt zurück, verletzt sich selbst, trinkt Alkohol, nimmt Drogen und rutscht in eine Spirale aus Selbsthass, Suizidversuchen und Klinikaufenthalten.

In dieser Folge hörst du eine Geschichte über Gewalt im Heim, psychische Erkrankungen, Selbstverletzung, Sucht, Zwangsstörungen und Suizidgedanken. Du erfährst, wie wichtig sichere Bezugspersonen, Therapie, ein gesetzlicher Betreuer und ein stabiles Umfeld sind. Und du erlebst, wie Anna heute als Mutter lebt, ihre Diagnose annimmt und ihren Kindern die Kindheit geben will, die sie selbst gebraucht hätte.

kindesmisshandlung #gewaltimbereichkindheit #pflegekinder #heimkind #trauma #traumafolgen #ptbs #adhs #borderline #zwangsstörung #selbstverletzung #suizidgedanken #suizidversuch #sucht #alkoholsucht #drogenkonsum #mentalegesundheit #psychischeerkrankung

Zeitstempel: 00:00:01–00:02:16: Triggerwarnung & Intro 00:02:16–00:07:51: Annas Start ins Leben 00:07:51–00:13:31: ADHS-Diagnose mit zwölf, Überforderung der Oma, innere Vereinsamung 00:13:31–00:21:10: Alltag im Heim 00:21:10–00:28:26: Vom Opfer zur Täterin 00:28:26–00:36:28: Drogeneinstieg 00:36:28–00:44:41: Zwangsstörung und Selbstverletzung 00:44:41- 00:53:32: Beziehung, Fehlgeburt und Schwangerschaft als Wendepunkt 00:53:32-01:00:20: Weitere Brüche und neue Familie 01:00:20-01:03:23: Rückblick und Botschaft


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Transkript anzeigen

00:00:01: Die härtesten Sachen, die ich tatsächlich erfahren habe, war, dass ich gezwungen wurde, Urin zu trinken, dass ich im Keller eingesperrt worden bin, dass Sachen von mir verbrannt worden sind.

00:00:09: Neben dir sitzt mein Bär, das ist alles, was ich von meiner Oma noch hatte, der war zwei Wochen verschwunden.

00:00:13: Das war für mich die absolute Identitätskrise, weil das alles war, was ich von meiner Oma noch hatte und greifen konnte.

00:00:19: Also ich habe Alkohol reingeschmuggelt, ich habe das Rauchen angefangen, ich habe angefangen, mich zu ritzen.

00:00:24: Und die Prügelein, ich war irgendwann für das Heil nicht mehr tragbar.

00:00:27: Die konnten mich irgendwann nicht mehr halten.

00:00:32: Bevor wir beginnen, möchten wir dich auf etwas Wichtiges hinweisen.

00:00:35: Uns sind deine Sicherheit und Gefühle wichtig.

00:00:38: Wir möchten gewährleisten, dass du dich während des Höhrens unseres Podcasts wohl fühlst und keine unerwarteten Auslöser erlebst.

00:00:45: In dieser Episode werden wir Themen ansprechen, die für einige Höhren der verstörend sein könnten.

00:00:50: Zu Beginn der Folge stellen wir das Thema vor.

00:00:53: Falls du denkst, dass das genannte Thema für dich persönlich belastend sein könnte, dann möchten wir dich bitten, die Folge direkt zu beenden.

00:01:03: Stell dir vor, du kommst in einen Raum, vor dir sitzt ein Mensch und du hast keine Ahnung, wer das ist.

00:01:10: Das

00:01:10: passiert mir in jeder Folge bei unserem Podcast von Bohne zur

00:01:14: Bohne.

00:01:14: Mein

00:01:15: Name ist Charlotte und ich weiß vorher nichts über unsere Gäste.

00:01:18: Kein Name, keine Information, keine Themen.

00:01:21: Also werden meine Fragen auch deine Fragen sein.

00:01:24: Ich bin Sanya und ich suche die

00:01:26: Gäste.

00:01:27: Hier achte ich darauf,

00:01:28: dass es Menschen mit ehrlichen,

00:01:29: berührenden

00:01:30: und bewegenden Geschichten sind.

00:01:32: Und genau die wollen wir mit euch teilen.

00:01:34: Bist du bereit, gemeinsam mit Charlotte neue Geschichten kennenzulernen?

00:01:42: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge.

00:01:44: Mein Name ist Charlotte.

00:01:45: Mein Name ist Zanie.

00:01:46: Und mein Name ist Anna.

00:01:47: Ich hab ADHS, Borderline, Zwinge und meine Tochter hat mir das Leben gerettet.

00:01:52: Hi Anna, es sind sehr viele Themen heute.

00:01:55: Und das, was natürlich am meisten bei mir halt ist, deine Tochter hat ihr das Leben gerettet.

00:02:00: Wo sagst du bei all dem, was du angesprochen hast, wo starten wir heute?

00:02:04: Am besten am Anfang, denn meine Geschichte baut sich nach Jahren auf, also trägt am Anfang.

00:02:11: Das heißt also, wie ist es wahrscheinlich in der Kindheit?

00:02:13: Genau.

00:02:13: Okay, wo würdest du da gern starten wollen, in welchem Alter?

00:02:16: Tatsächlich relativ früh, mit drei Monaten.

00:02:19: Da hat meine Reise angefangen.

00:02:22: Ich wurde in den Jahren deiner Jungs des Kindes, ich habe zwei Brüder.

00:02:27: Und ich wurde mit drei Monaten aus der Familie herausgenommen vom Jugendamt wegen schwerer Vernachlässigung.

00:02:35: Ich muss eine schwerer Lungenentzündung gehabt haben, sehr verträgt und dehytriert gewesen sein.

00:02:40: Und das Jugendamt hat mich und meine Brüder tatsächlich rausgeholt.

00:02:44: Und ich bin zu meiner Oma gekommen, die tatsächlich auch die zentrale Person in meinem Leben wurde und meine Geschwister sind.

00:02:52: Ich weiß nicht, wo die sind.

00:02:53: Ich hab keinen Kontakt tatsächlich.

00:02:55: Ach krass, das heißt, du hast sie auch nie richtig kennengelernt?

00:02:58: Tatsächlich, den älteren, meinen halben Bruder, den hatte ich kennengelernt, aber es hat nicht harmoniert.

00:03:03: Ich denke, wir hatten beide viel zu viele Altlasten und konnten uns nicht aufeinander einstimmen.

00:03:08: Und der zweit älteste, den hab ich nicht kennengelernt, richtig.

00:03:12: Wie viel Alter so der Schied habt ihr jeweils?

00:03:14: Ich glaub, drei

00:03:14: oder vier Jahre müssen das sein.

00:03:16: Mir ist nichts bekannt, dieser Mensch ist komplett untergetaucht.

00:03:19: versucht ihn zu finden, aber er möchte bewusst nicht gefunden werden.

00:03:23: Okay.

00:03:25: Weißt du, warum deine Oma nur dich bekommen, genommen hat, wie auch immer man das nennt?

00:03:31: Die Frage

00:03:32: habe ich tatsächlich, ist öfter hingestellt, auch allen Personen, die irgendwie mit mir zu tun hatten, die Geschichten variieren.

00:03:38: Man sagte, sie wollte nur ein Mädchen haben.

00:03:40: Ich glaube, aber sie war ja schon fortgeschritten in den Alters, da sie gesagt hat, ein Kind kann nicht kräftemäßig nehmen, aber alle drei, das schaffe ich nicht.

00:03:47: Also, das ist... die Überlegung, die ich habe.

00:03:49: Aber sie selber wollte es auch nie beantworten.

00:03:51: Okay.

00:03:52: Wie ging es dann für dich weiter?

00:03:54: Ja, ich hatte eine relativ schöne Kindheit.

00:03:58: Also meine Oma hat es sehr konservativ verzogen, streng, aber auch sehr liebevoll.

00:04:02: Also sie hat mich behandelt wie ihr eigenes Kind und ich durfte sie auch Mama nennen.

00:04:07: Das war okay und irgendwann war sie die Mama.

00:04:10: Ich hatte eine sehr ländliche Umgebung, wo ich gewohnt habe, so dieses Wir spielen draußen im Wald.

00:04:15: Wir sind stundenlang weg und treck ich nach Hause, sodass das war meine Kindheit.

00:04:19: Das war schön, bis ich dann tatsächlich in den Kindergarten gekommen bin und das erste Mal Mobbing kennengelernt habe.

00:04:27: Also wir haben in einem sehr kleinen Dorf gewohnt und Kinder können grausam sein.

00:04:32: Und wenn du schon irgendwas hast, was dich anders macht, dann wirst du gemobbt.

00:04:35: Und bei mir war das, alle kommen mit Eltern auf die Veranstaltungen.

00:04:38: Sie kommt mit der Oma.

00:04:39: Warum?

00:04:40: Und das war der ausschlaggebende Grund, dass das schon im Kindergarten schwierig wurde.

00:04:45: Ich würde gerne noch einmal zurückspulen.

00:04:48: Weißt du, aus welchem Grund deine Mutter so Schwierigkeiten hatte, sich um dich und deine Geschwister zu kümmern?

00:04:54: Tatsächlich hatte sie eine ähnlich schwere Kindheit wie ich.

00:04:57: Und ich glaube, sie ist auch psychisch erkrankt.

00:05:00: Ich glaube, sie war zu dem Zeitpunkt schon viel zu krank und konnte sich nicht um uns kümmern, auch wenn sie es gern gemacht hätte.

00:05:06: Sie hatte so viele eigene Baustellen, dass ich glaube, sie wäre gerne eine gute Mutter geworden, aber sie konnte es nicht.

00:05:13: Mein Vater ist schwere Alkoholiker, Choläriker von dem Herrn.

00:05:18: Wenn er getrunken hat, dann wurde er auch aggressiv, dann hat er sie auch tatsächlich geschlagen.

00:05:22: So sagt man.

00:05:24: Vorstellen, konntest du mir?

00:05:25: Ich hab ihn ja mal in der Aktion erlebt.

00:05:27: Also ich glaube, es war das Richtige, dass wir rausgenommen worden sind.

00:05:31: Ist deine Oma die Mutter deiner Mutter?

00:05:33: Die

00:05:33: Mutter meines Vaters.

00:05:34: Deines

00:05:34: Vaters?

00:05:35: Okay, verstehe.

00:05:37: Weißt du, wie die Erziehung deines Vaters war?

00:05:40: Streng.

00:05:41: Also mein Opa hatte ja damals noch gelebt, dass was ich mitbekommen habe, war, dass mein Vater sehr, sehr streng erzogen worden ist.

00:05:47: Also auch mit der Härte, die ich dann tatsächlich von der Oma kennengelernt habe.

00:05:51: Warum er letzten Endes so in den zum Alkohol gegriffen hat, das ist mehr von Rätsel.

00:05:54: Das konnten wir auch nie aufklären, weil er nicht der Meinung ist, dass er ein Problem damit hat.

00:06:01: Du hast gerade erzählt, dass du gemobbt wurdest schon im Kindergartenalter.

00:06:05: Du hast gesagt, dass das offensichtlich war, deine Oma ist deine Oma.

00:06:09: War das äußerlich erkennbar?

00:06:10: Weil es gibt ja auch junge Omas, deshalb war das äußerlich direkt erkennbar.

00:06:14: Das war erkennbar.

00:06:15: Also sie war, ich glaube sie war schon an die siebzig, als sie

00:06:18: mich tatsächlich

00:06:18: übernommen hat.

00:06:19: Ach krass, das ist schon echt, das ist schon fortgeschritten.

00:06:22: Ja

00:06:22: definitiv und ich ziehe meinen Hut davor, dass sie das gemacht hat.

00:06:25: Weil es war wirklich, irgendwann nicht, ich war nicht mehr einfach.

00:06:29: Und dann auch, dass das Jugendamt das auch so gesagt hat, ja, das passt.

00:06:33: Ja, also ich gehe davon aus, ich meine, ich bin ja selber Mama, ich hatte ja auch schon mal Kontakt mit dem Jugendamt, ich gehe einfach davon aus, mein Vater war ja Fernfahrer, aber er war ja ab und an, ist ja ja mal gekommen und war ja mal da und hatte nach mir geschaut und auch mein Onkel hatte unten im Haus gewohnt, ich gehe mal davon aus, dass das Gesamtbild einfach dafür gesorgt hat, dass ich bei der Oma groß werden durfte.

00:06:50: Okay,

00:06:50: du hast gesagt, du hast dann direkt Mobbing erlebt.

00:06:53: Wie war das gefühlstechnisch für dich?

00:06:55: Schwierig, weil ich das nicht verstanden habe.

00:06:57: Im Endeffekt, ein Kind in dem Alter möchte einfach nur mit anderen spielen, möchte Freundschaften pflegen und ich habe aber schon im Kindergarten gemerkt, die machen einen Bogen um mich, die wollen sich so wirklich mit mir zu tun haben.

00:07:09: Also es war eine totale Ausgrenzung, die sich dann auch tatsächlich bis in die Grundschule bezogen hat und dann auch kommuniziert worden ist.

00:07:16: Du bist anders, du hast keine Eltern, dich will keiner.

00:07:20: Deine Eltern wollten dich nicht, deswegen haben die dich abgeschoben.

00:07:22: Also solche Sätze kamen tatsächlich auch schon in der Grundschule.

00:07:25: Man muss auch dazusagen, dass wenn du auf dem Land groß geworden bist, du die Kinder vom Kindergarten ja auch im Prinzip mitnehmenst und die dann auch in der Schule hast.

00:07:34: Und dann geht das Mobbing natürlich weiter.

00:07:35: Ja,

00:07:35: richtig.

00:07:36: Hast du dich da mal deiner Oma anvertraut?

00:07:38: Ja.

00:07:39: Wie hat Zithoff reagiert?

00:07:41: Sie konnte damit nicht umgehen.

00:07:42: Also es weiß ich immer wieder geholfen hat.

00:07:44: Also das Mobbing in der Schule fing zeitgleich mit meinen ADHS auswürfen an und ich glaube, die Frau war einfach irgendwann überlastet.

00:07:51: Sie hätte mir gerne geholfen, aber sie konnte irgendwann nicht mehr.

00:07:55: Wie hat sich dein ADHS gezeigt?

00:07:58: Tatsächlich totale emotionale Instabilität.

00:08:02: Frust wurde zu Wut, Wut wurde zu Ausrastern, Blockaden beim Lernen, also Hausaufgaben, die man normalerweise in der Stunde macht.

00:08:10: Da haben wir fünf Stunden für gebraucht teilweise, weil ich das zwar begreifen wollte, aber nicht konnte und dass bei mir ein Frust umgeschlagen ist.

00:08:18: Und irgendwann dann auch wirklich ein kompletter Ausraster.

00:08:20: Und ich war damals nicht in dem Alter, in dem ich sagen konnte, was mich stört oder was gerade für ihn mir vorgeht.

00:08:29: Das hat sich tatsächlich hingezogen, bis ich hilf zwölf war und meine Oma dann eine Psychologin eingeschaltet hat, die dann tatsächlich das ADHS auch diagnostiziert hat.

00:08:39: Also es war für Sie ja noch weniger ein Begriff, als es...

00:08:43: Für Sie gab es das gar nicht.

00:08:45: Das war auch bis zum Ende ihres Lebens so.

00:08:46: ADHS, Borderline, Depression gibt es nicht.

00:08:49: So, das ist alles Kopfsache.

00:08:51: Aber ich glaube, das ist die ältere Generation.

00:08:53: Es ist Kopfsache, die Leute bilden sich das ein.

00:08:56: Das gab es damals nicht, das gibt es heute nicht.

00:08:59: Was macht das mit einem Kind, wenn man ausgeschlossen wird für ein Grund, für den man gar nichts

00:09:05: kann?

00:09:05: Vereinsamung, totale Vereinsamung und Unverständnis, weil auch wenn man versucht hat den Leuten zu erklären, ich kann nichts dafür, das ist keine Chance.

00:09:14: Also das ist für mich war es irgendwann soweit, dass ich gesagt habe, ich will nicht mehr in die Schule, holt mich bitte runter.

00:09:20: Tatsächlich war ich vor meinem Therapiebeginn noch mal, hatte ich den Realschulreife gehabt, das heißt, ich hätte Realschule machen können.

00:09:29: Und bin in eine andere Klasse gekommen mit anderen Kindern.

00:09:31: Das Einzige Blöde, sie haben noch jemanden aus meiner alten Klasse mitgenommen, der es wusste, der es rumgedraht hat und dann ging es weiter.

00:09:39: Also ich war froh, als ich aus diesem ganzen Umfeld rausgenommen worden bin.

00:09:44: Hattest du in all den Jahren einen Freund oder eine Freundin, der dich anvertrauen konntest?

00:09:48: Nein.

00:09:49: Ja doch, also nicht in Menschenform, aber in Tierform.

00:09:51: Ich hatte einen Hund.

00:09:53: Also ich bin mit einem Schäferhund aufgewachsen.

00:09:56: Und das war Freundersatz tatsächlich.

00:09:59: Also das war bester Freund, beste Freundin.

00:10:02: Das, was ich eigentlich an den Menschen gebraucht hätte, hab ich in einem Tier gefunden.

00:10:12: Bedingt.

00:10:12: Ich hatte wie jedes andere Kind auch Fragen.

00:10:14: Wo ist Mama, warum kommt Papa so wenig?

00:10:18: Es war eher so was wie Schollock spielen, weil von jeder Seite kam eine andere Version.

00:10:22: Papa war ja ab und an mal da.

00:10:25: Wenn er nicht arbeiten musste, aber meine Mutter hatte man komplett vor mir ferngehalten.

00:10:28: Und ich hatte immer gefragt, warum darf man mich nicht besuchen.

00:10:32: Und wie meine Oma so war, frag bitte nicht.

00:10:35: Ich werde dir das nicht beantworten.

00:10:36: Und damit war das Thema gegessen.

00:10:38: Welche Emotionen hast du aufgebaut in Bezug auf deine Mutter, wenn du an sie gedacht

00:10:42: hast?

00:10:43: Sehnsucht.

00:10:44: Also ich wollte sie immer kennenlernen.

00:10:46: Ich wollte immer wissen, wer sie ist und ich wollte sie immer in meiner Nähe haben.

00:10:50: Und ich hab angefangen zu viel gefragt.

00:10:52: Und irgendwann hörte die Fragerei auf, weil meine Oma in meinem Stellenwert gewachsen ist und zu meiner Mutter wurde.

00:11:01: Irgendwann war meine Oma meine Mama.

00:11:03: Hat deine Oma das auch so gesehen?

00:11:04: Ja.

00:11:05: Für sie war ich ihr fünftes Kind.

00:11:07: Meinst du... dass diese Positionierung, die du bei ihr eingenommen hast, auch Einfluss auf die Perspektive auf deine leibliche Mutter genommen hat?

00:11:17: Doch, das würde ich so sagen.

00:11:19: Zum einen habe ich ja meine leibliche Mutter kaum gesehen und zum anderen habe ich sie nicht mal als Mutter gesehen, weil ich hatte ja meine Mama.

00:11:25: Auch wenn meine Mama eigentlich meine Oma war, aber ich hatte meine Mama.

00:11:29: Das war meine Mama.

00:11:30: Ich

00:11:31: weiß ja, dass du nicht ewig lange bei deiner Großmutter bleiben durftest.

00:11:35: Magst du uns davon erzählen?

00:11:37: Ja.

00:11:38: Mit zwölf war ja die Diagnostizierung durch.

00:11:40: Und ich glaube, in meiner Oma ist dann irgendwann der Schritt gekommen, an dem sie einfach nicht mehr konnte, kräftemäßig, nicht mehr nervlich, nicht mehr, weil ich ja wirklich nicht einfach war.

00:11:50: Und ich habe meinen ersten Klinikaufenthalt mit zwölf gemacht.

00:11:52: Und das war für mich eine ganz andere Welt, weil plötzlich Menschen da waren, die mich verstanden haben, die wussten, okay, du bist anders.

00:12:01: Nicht schlecht anders, aber anders.

00:12:04: Und die sind wirklich auf meine Bedürfnisse eingegangen.

00:12:07: Also in der Klinik hatte ich das Gefühl, gerettet zu werden irgendwo.

00:12:11: Und bin dann auch mit der Einstellung rangegangen.

00:12:13: Ich kann wieder nach Hause.

00:12:14: Es ist alles gut.

00:12:17: Und an dem Tag meines Abschlussesgespräches sagte mir dann der Arzt, ich komme nicht wieder nach Hause.

00:12:22: Und meine Oma hat die Sorge, wie nennt man das jetzt auch?

00:12:26: Für

00:12:26: Sorgepflicht abgegeben an das Jugendamt.

00:12:28: Der nächste Weg ist das Heim.

00:12:30: Und das war für mich ... Ein absoluter Schlag ganz gesicht.

00:12:34: Das war also, ob meine Welt zusammenbricht, weil meine Oma oder meine Mama, wie ich das Zentrum meines Lebens war, ich hatte eine unfassbar starke Bindung zu ihr und ich wusste, ich komme nicht mehr nach Hause.

00:12:43: Das war für mich ganz, ganz furchtbar.

00:12:45: In welches Heim bist du gekommen?

00:12:48: Ich bin in ein Heim gekommen für Kinder und Jugendliche mit, man sagt scherzhaft schwer, sie bauen Heim.

00:12:55: Also alles Kinder, die zu Hause Probleme hatten und dauert nicht mehr bleiben konnten.

00:13:02: Wie war der erste Moment, als du dort ankamst und dann dein neues Zuhause gesehen hast?

00:13:06: Schlimm.

00:13:07: Also zum einen der Aspekt, ich komme nicht meine Hause, ich kann nicht meine Hause, ich darf da nur noch an Wochenend besuchen hin.

00:13:15: Zum anderen ganz viele neue Kinder, neue Gesichter und seit Tag eins ging die Gewalt los, also schon direkt am ersten Tag.

00:13:23: Lass uns nochmal ganz kurz zurück zu deiner Großmutter gehen.

00:13:27: Welches Gefühl hast du empfunden, als du gehört hast, du darfst da nicht mehr zurück?

00:13:31: Verrat, Trauer und Unverständnis.

00:13:34: Also es gab vor meinem Eintritt ins Heim noch so ein paar Tage, wo ich nach Hause durfte.

00:13:39: So im Nachhinein betrachtet hätte man es besser nicht gemacht, weil ich bin unfassbar viel frustrach Hause gegangen worden.

00:13:44: Ich wollte antworten, ich wollte wissen, warum gibst du mich ab?

00:13:47: Hast du mich nicht mehr lieb?

00:13:48: Und es ist letzten Endes darin geendet, dass wir uns unfassbar gestritten haben.

00:13:54: Und dass meine Oma mich eingepackt hat, nach... ...zum mich zum Jugendamt gebracht hat und mich erst meinen In-Orbut-Stelle... gegeben hat, übergangsweise bis zum Heim, weil sie es nicht mal ausgehalten hat.

00:14:05: Heute weiß ich, es muss ihr genauso weh getan haben wie mir, auch wenn sie sich das nicht anhat, anmerken lassen und ich glaube, meinen Frust hat ihr noch mehr weh getan.

00:14:13: Kannst du nachvollziehen, dass sie dich abgegeben hat, gerade wenn du an das Alter deiner Großmutter denkst?

00:14:18: Ja.

00:14:19: Früher konnte ich das nicht, heute verstehste, dass die Frau war ja vorgeschrittenen Alters.

00:14:24: Sie hat mich sehr geliebt, aber sie hat es wahrscheinlich nicht mehr gekonnt, so kräftemäßig.

00:14:28: Und für jemanden, der dieses ADHS-Thema nicht kennt und das nicht wirklich greifen kann, ich glaube, sie wird auch nicht mehr gewusst haben, wie sie mir helfen konnte.

00:14:40: Du hast fein erzählt, dass dein Onkel über euch gewohnt hat.

00:14:44: Weißt du, warum du nicht zu ihm gekommen bist?

00:14:47: Mein Onkel und ich hatten nie die enge Bindung.

00:14:50: Er war zum einen viel arbeiten und wir hatten nie, und bis heute nicht, diese Familienbindung.

00:14:55: Die gibt's nicht.

00:14:57: Ich hab immer das Gefühl gehabt, als Kind, ich bin in meinem dollen Auge.

00:15:00: Das hat er auch ausgestrahlt, als es mit dem ADS und dem Lernrückschritt kam.

00:15:06: Für ihn war ich lediglich bockig und hatte keinen Bock.

00:15:09: Und er hatte auch nicht großlust, mich sicher um mich zu kümmern.

00:15:13: Das hat er auch mehr oder weniger geäußert.

00:15:16: Du hast gerade eben gesagt, du hast ab Tag eins Gewalt erfahren im Kinderheim.

00:15:21: Was genau ist dir wiederfahren?

00:15:23: Ja, ich kann mich noch dran erinnern, dass ich meine Sachen ausgepackt habe und wir hatten Kinder unterschiedlichen Alters, also von zwei bis bis hoch, elf, zwölf, dreizehn.

00:15:32: Und ich kann mich daran erinnern, dass wir eine Jugendgruppe hatten und ich war ja auch schon so elf, zwölf und wollte dazugehören.

00:15:37: und ich kann mich daran erinnern, dass die mich nach draußen gerufen hatten und ich dachte, ach cool, lernst du die neuen auch mal kennen.

00:15:42: Und ich weiß, die hatten vorne an der Straße gestanden.

00:15:44: und ich bin dahin und im nächsten Moment hat sich die Welt gedreht.

00:15:47: Nach zwei Minuten war mir klar, da hat einer ausgeholt und der mit voller Wucht ins Gesicht geschlagen.

00:15:51: Dir?

00:15:52: Mir.

00:15:53: Auf offener Straße.

00:15:55: Ohne Begründung.

00:15:55: Ohne

00:15:56: Begründung.

00:15:56: Ach krass.

00:15:57: Bist du bewusstlos geworden?

00:15:58: Nein.

00:15:59: Ich bin, ich hab sofort das Wein angefangen und bin zurück zum Heim.

00:16:03: Im ersten Moment bist du erst mal geschockt und dann kommt der Schmerz und vor allem die Angst.

00:16:06: Ich hatte unfassbar Angst.

00:16:09: Wie haben die darauf reagiert?

00:16:11: Tatsächlich hab ich ein Kühlpock-Pack bekommen und hab, da wurde nicht mehr darüber geredet.

00:16:16: Also ich kann heute noch nicht nachvollziehen, warum so gehandelt wurde, wie gehandelt wurde.

00:16:20: Also es ist definitiv zu wenig geholfen worden.

00:16:22: Weißt du, wer das war?

00:16:24: Die zwei Jungs, oder die jetzt hier?

00:16:26: Also wer die Jungs waren, die dich geschlagen

00:16:28: haben?

00:16:28: Ja, das weiß ich.

00:16:29: Und haben die dich im Nachhinein auch noch mal körperlich eingegangen?

00:16:32: Ja, fast jeden Tag.

00:16:34: Und das war nur die Spitze des Eisbacks.

00:16:36: Also die härtesten Sachen, die ich tatsächlich erfahren habe, war, dass ich gezwungen wurde, Orin zu trinken, dass ich im Keller eingesperrt worden bin, dass Sachen von mir verbrannt worden sind.

00:16:46: Neben dir sitzt mein Bär, das ist alles, was ich von meiner Oma noch hatte.

00:16:48: Der war zwei Wochen verschwunden.

00:16:49: Das war für mich die absolute Identitätskrise, weil das alles war, was ich von meiner Oma noch hatte und greifen konnte.

00:16:56: Sachen von mir wurden im Keller verbrannt.

00:16:59: Dann hatten wir kleinere Kinder im Heim, die tatsächlich auch vermockt worden sind, wo ich mich manchmal schützen dazwischen gestellt habe und meine meine Tracht abgeholt habe, damit die nicht geschlagen worden sind.

00:17:09: Ja, man fühlt sich hilflos.

00:17:10: Das glaube ich.

00:17:13: Ja.

00:17:14: Hattest du das Gefühl, du kannst dich da irgendwie jemanden vertrauen?

00:17:17: Nein, mir hat keiner geholfen.

00:17:19: Gar nicht.

00:17:20: Wie lange ging das so?

00:17:21: Jahre.

00:17:22: Ich glaube zwei oder drei Jahre.

00:17:24: Bis dann der erste rausgeholt worden ist und danach auch der zweite, aber nach was zu spät.

00:17:29: Aber bei so viel Gewalt müssen das doch die Erwachsenen mitbekommen

00:17:33: haben.

00:17:33: Ja, und ich kann mir bis heute nicht erklären, warum mir keiner geöffnet hat.

00:17:36: Ich kann es mir bis heute nicht erklären.

00:17:39: So was war ja tatsächlich offensichtlich.

00:17:41: Ich weiß, es gab unter uns in der Straße ein Ehepährchen.

00:17:45: Das waren strenge Christen.

00:17:47: Als ich das erste Mal abgehauen bin, bin ich zu denen gegangen.

00:17:50: Die haben mich von der Straße geholt und die Polizei gerufen.

00:17:53: Die Polizei war irgendwann im Dauereinsatz.

00:17:55: Und das Erste, was sie zu mir sagten, ist Kind.

00:17:57: Wenn du wieder weglaufen musst, kommst du hier runter.

00:17:59: Und ich bin fast drei Mal die Woche bei denen da unten gewesen.

00:18:03: So, die haben mich jedes Mal, wenn ich wieder aus dem Haus gejagt worden bin, haben die mich reingeholt.

00:18:09: Also ich stelle mir die Frage, warum hat denn weder die Polizei noch das Jugendamt da was unternommen?

00:18:15: Weil am Ende des Tages, wenn die sagen, dann kommt zu uns, dann ist denen ja auch klar, dass da irgendwas im Argen ist.

00:18:21: Ich kann's mir bis heute nicht erklären.

00:18:22: Also, meine Oma wusste Bescheid, die Polizei hoch.

00:18:25: Letzten Endes wurde dann irgendwann mal einer von den Jungs rausgenommen, der andere war noch da, dann ging's natürlich munter weiter.

00:18:32: Irgendwann waren sie dann beide weg, aber ich war vom Mindset einfach vollkommen kaputt.

00:18:37: So, das ist ...

00:18:39: Lass uns noch mal gerne zurück zu deiner Großmutter gehen.

00:18:41: Du durftest ja Wochenende Besuche machen.

00:18:44: Wie hat sich das angefühlt für dich?

00:18:46: Freiheit.

00:18:47: Nach Hause kommen, heilen können für einen Moment, einfach ... Ich bin zu Hause so, es ist alles gut und es gab, wer weiß wie oft, Wochenenden.

00:18:55: da wollte ich nicht wieder gehen.

00:18:57: So, da musste ich wirklich mit, ja was heißt Gewalt, man musste mich regelrecht ins Auto bringen, weil ich nicht wieder dahin zurück wollte.

00:19:04: Ich kann mich auch noch an einen Tag erinnern, da habe ich mit meinem Rucksack gepackt und bin gegangen.

00:19:07: So irgendwo vor der Autobahn hat die Polizei mich dann mal wieder eingefangen, weil ich richtig unterwegs war.

00:19:14: Für mich hat mein Zuhause einen unfassbar großen Stellenwert gehabt, hat es tatsächlich heute noch meine Oma auch und für mich war das die sichere Hafen.

00:19:23: Wie würdest du sagen, hat deine Oma die Wochenende empfunden?

00:19:28: Tatsächlich relativ schön, weil dieser Stressfaktor war raus, aber sie ist auch mit Sorge daran gegangen, weil ich hatte irgendwie immer was Neues zu erzählen, wenn ich nach Hause kam.

00:19:38: Ich weiß nicht, ob sie in dem Nachhinein noch mal mit dem Jugendamt gesprochen hat, aber ja, doch wir hatten eigentlich schöne Zeiten nach dieser Heimgeschichte, trotz dieser Katastrophe im Heim so, weil es war halt zu Hause kommen.

00:19:49: Hier war ich sicher, hier konnte mir niemand wehtun.

00:19:52: Und auch dieser Stressfaktor war teilweise weniger, bis ich mich dann halt angefangen habe zu verändern und bis mein Charakter irgendwann den Wandel gemacht hat.

00:20:01: Ab da an, wurde es richtig

00:20:03: schwierig.

00:20:04: Wie hat deine Oma darauf reagiert, wenn du ihr all diese schrecklichen Dinge erzählt hast?

00:20:09: Tatsächlich hatte sie mich gebeten, es gab ja Hilfeplangespräche.

00:20:12: Tatsächlich hatte sie mich darum gebeten, das bei einem Hilfeplangespräch anzusprechen.

00:20:16: oder halt dieses, wie damals, wendet dich an deine Erzieher.

00:20:20: Aber ich glaube, meine Erzieher waren damals schon mit uns allen komplett überfordert, weil zwei Krawalljugendliche, dann noch mehrere Kleinkinder, dann wird daran daliert.

00:20:28: Ich glaube, irgendwann war die Überforderung zu groß.

00:20:32: Was hast du in ihrem Gesicht gesehen, wenn sie das gehört hast, was du erzählt hast?

00:20:37: Trauer, Schmerz.

00:20:39: Er hat das unfassbar leid getan.

00:20:41: Und sie hätte mich auch wahrscheinlich, wenn sie gekonnt hätte, wieder da rausgeholt.

00:20:44: Aber sie konnte nicht.

00:20:44: Sie hatte das sorgerecht abgegeben und die Entscheidung nicht lag beim Jugendamt.

00:20:51: Du hast gerade gesagt, dass du teilweise dreimal die Woche vom Heim abgehauen bist.

00:20:57: Wie oft pro Woche war diese Gewalt da?

00:21:00: Jeden

00:21:00: Tag.

00:21:01: Man ist jeden Tag ins Bett gegangen und hatte Angst.

00:21:04: Also es war so, dass unsere Erzieher wirklich nachts auch da waren.

00:21:08: Manchmal war nachts Randale.

00:21:09: Man hatte Angst, ich musste mich irgendwann nachts im Zimmer einschließen lassen, weil ich Angst hatte, einzuschlafen.

00:21:15: Ja, Schläge gab's pro formale zwei Tage.

00:21:19: Also ob das auf den Rücken war, ob das ins Gesicht war, ständig.

00:21:24: Hattest du dein eigenes Zimmer?

00:21:26: Ja.

00:21:26: Ich hatte oben mein eigenes Zimmer und irgendwann hatte ich hier gebeten, mich da einzumachen, also die Tür nachts zuzumachen, damit ich meine Ruhe habe.

00:21:35: Gab es auch andere Kinder, denen es ähnlich ging wie dir?

00:21:40: Ich hatte mehrere junge Kinder da.

00:21:43: Jetzt muss ich dazu sagen, dass einer der Schläger, von dem waren es die jüngeren Geschwister, deswegen haben die weniger einen draufgekriegt.

00:21:51: Das Prügelopfer war ich.

00:21:53: Hast du im Kinderheim?

00:21:55: Freunde gefunden,

00:21:57: anfangs nicht.

00:21:58: Also anfangs habe ich sehr isoliert gelebt, war irgendwann nur noch im Überlebensmodus, also man isoliert sich komplett, beobachtet die Menschen plötzlich ganz anders.

00:22:07: Tatsächlich hat das in der Schule angefangen, ich bin ja gleichzeitig auch in die Schule gegangen und dort habe ich Freunde kennengelernt tatsächlich, aber in der Gruppe... Gar nicht.

00:22:17: Du hast gesagt, du hast in der Schule freundlich kennengelernt.

00:22:18: Das war dann aber auf der weiterführenden Schule?

00:22:21: Ja,

00:22:21: war ich schon auf der weiterführenden, genau.

00:22:23: Und

00:22:23: musstest du die Schule wechseln, weil du den Wohnort gewechselt

00:22:26: hast?

00:22:26: Ja, tatsächlich bin ich auf eine Förderschule gekommen.

00:22:29: Also Realschule war durch.

00:22:31: Das war mit mir nicht mehr zu machen.

00:22:33: Und auf der Förderschule habe ich dann meine Schule weitergemacht.

00:22:37: Wie war das für dich, das erste Mal Freunde zu finden?

00:22:40: Ein unfassbarer... Ja, es ist sehr zwielgespalten.

00:22:43: Zum einen, man freut sich endlich, dass jemand da ist, der einen mag und auf der anderen Seite ist.

00:22:48: Durch das, was man privat erlebt, ist man immer in so einer ganz vorsichtigen Position, ganz vorsichtig nach vorne und guckt so, okay, meinen die das ernst, mögen die dich wirklich?

00:22:56: und ich habe aber tatsächlich echte Freunde kennengelernt und konnte mit denen über ganz, ganz viel reden und das hat geholfen.

00:23:03: Aber letztendlich waren wir alle in derselben Situation, weil diese Schule war ans Heim gebunden und nur dass die nicht geprügelt wurden, sondern wir lebten alle im Heim.

00:23:12: Man konnte sich austauschen und es tat gut, man mit jemandem darüber zu reden.

00:23:16: Das ist das, was ich bei den Erwachsenen nicht gefunden habe, das habe ich mir tatsächlich bei meinen Freunden dann geholt.

00:23:22: Du hattest ja gerade gesagt, dass du wirklich nahezu täglich Gewalt erlebt hast.

00:23:29: Warum hast du dich nicht gewährt?

00:23:31: Ich konnte nicht.

00:23:32: Ich habe als Kind nie gelernt, mich zu wehren, sondern ich bin von meiner Oma tatsächlich konservativ hilfsbereit demütig erzogen worden.

00:23:47: Wir tun niemandem weh so.

00:23:49: Ich war das komplette Gegenteil von dem, was ich geworden bin.

00:23:52: Ich war sehr eingeschüchtert.

00:23:55: Und immer wenn das passiert ist, bin ich in den Schockstarrer gefallen.

00:23:58: Ich habe mich innerlich zurückgezogen, habe mich nicht mehr bewegt und ich konnte nicht.

00:24:03: Ich konnte nicht bis irgendwann mein Charakter so gebrochen war, dass ich das erste Mal zurückgeschlagen habe.

00:24:09: Wann war das?

00:24:10: Das müsste anderthalb bis zwei Jahre später sein.

00:24:12: Ich müsste so dreizehn, müsste ich gewesen sein.

00:24:14: Das war das allererste Mal, dass die Wut über das, was mir passiert ist, dann so groß war, dass ich zurückgeschlagen habe.

00:24:20: Was hast du da getan?

00:24:22: Ich kann mich daran erinnern, dass ich wieder einen draufkriegen sollte und der Schlag saß auch und ich bin komplett ausgeflippt.

00:24:29: Also meine Erzieher mussten mich wohl auch von dem runterholen, weil ich es so oft in eingeprügelt habe.

00:24:33: Und das war tatsächlich das erste Mal, dass ich meine Hand gehoben habe und leider auch nicht das letzte Mal, wenn mein Fokus sich komplett verschoben hat.

00:24:41: Also ich bin... vom Opfer zum Täter geworden mit der Einstellung.

00:24:46: Ich will nie wieder, dass mir jemand so wehtut und irgendwann war rationales Denken bei mir überhaupt nicht mehr möglich.

00:24:52: Lass uns noch mal zurück zu dem ersten Mal gehen, wo du Gewalt angewendet hast.

00:24:57: Was ist da in dir los gewesen?

00:25:00: Was für Gefühle kam da

00:25:01: auf?

00:25:01: Absoluter Wut.

00:25:03: Also da kamen anderthalb Jahre raus, die da wirklich aufgestaut und reingefressen waren.

00:25:09: Da war einfach der Punkt, da nehme ich gedacht habe und hier ist Schluss.

00:25:12: Und das war das allererste Mal, dass ich mich wirklich gewährt habe.

00:25:15: Hat der Blessuren davon getragen?

00:25:17: Ja, der hatte ein blaues Auge.

00:25:18: Wie hat sich das angefühlt, das so zu sehen?

00:25:21: Ich traue mich das gar nicht zu sagen, aber ich habe mich gut gefüllt.

00:25:24: So, immer wachsen den Kopf, denkt man sich immer, das war nicht gut, aber in dem Moment habe ich mich gut gefüllt.

00:25:33: Ich dachte so, jetzt bekommst du mal deine eigene Kost zu schmecken und mach das hoffentlich nie wieder.

00:25:37: Hat er sich dann auch zurückgehalten?

00:25:39: Nein,

00:25:39: das.

00:25:39: letzten Endes haben wir uns dann gegenseitig vertroschen.

00:25:43: Ich ruhe mal ein bisschen aus.

00:25:45: Ich habe diesen Menschen mal vor ein paar Jahren gefunden und dachte, gehst du mal auf den Zoo redest immer mit dem und sagst, vielleicht sollten wir uns mal die Hand reichen.

00:25:52: Wir waren beide in einer ziemlichen Ausnahmesituation.

00:25:54: Ich glaube, du hast das nicht gemacht, weil du mir wirklich wehtun wolltest, sondern weil du selber frustriert warst.

00:25:59: Und dieser Mensch hat sich umgedreht und gefragt, was willst du jetzt?

00:26:02: Willst du mal mitleiten?

00:26:03: Und das von einem erwachsenen Menschen, der damals ein Kind war.

00:26:05: Also, einsehen ist da heute noch nicht.

00:26:09: Also, Reflektion war da nicht wohl passiert.

00:26:12: Wenn du sagst, du bist vom Opfer zur Täterin geworden, wie hat sich das geäußert?

00:26:18: Irgendwann war ich in einer Position, wo ich so auf Abwehr war, dass ich mit dem täglichen Gedanken aufgestanden bin, so mir tut niemand mehr weh.

00:26:28: Das heißt, wer auch immer sich mir genährt hat, wer grob zu mir wurde, hat dafür gesorgt, dass ich Zünder.

00:26:36: Und das ist letzten Endes darin geendet, dass ich mich eigentlich nur noch umgeprügelt habe.

00:26:41: Und in meinem damals, ich nenn's mal, kranken Weltbild, hab ich das auch noch das Gefühl gehabt, ich wär im Recht.

00:26:49: Weil ich wurde verletzt, ich wurde wirklich umgepolt, nennen wir's jetzt mal so.

00:26:56: Und ich muss mir das ja nicht gefallen lassen, also kann ich mich hier auch wehren.

00:27:00: Das war mein krankes, verzehrtes Selbstbild damals.

00:27:04: Wie oft hast du dich geprügelt?

00:27:08: Das kam immer darauf an, wie nicht gerade dazwischen hat.

00:27:11: Es hat sich meistens hochgebruscht.

00:27:12: Meistens an so Anfangs habe ich mich verbal gewährt.

00:27:14: Wenn ich merke, ich komme damit nicht mehr weiter, hat es gehagelt.

00:27:17: Also das pro Formal, einmal pro Woche hatte ich mindestens einen Zwischen.

00:27:21: Hattest du eine spezielle Zielgruppe?

00:27:23: Gar nicht.

00:27:24: Gar nicht.

00:27:25: Also es kam ja auch neue Kinder ins Heim und wenn da einer frech wurde, dann hat es geknallt.

00:27:29: Also das ist gar nicht so.

00:27:33: Es ist immer dann passiert, wenn ich das Gefühl hatte, ich werde bedrängt, ich werde verbal oder körperlich angegriffen, dann ging es los.

00:27:41: Welchen Hof hast du dir da aufgebaut?

00:27:44: im Kinderheim?

00:27:45: Kein guten.

00:27:46: Also überhaupt nicht.

00:27:48: Zeitgleich mit Stemschlägereien fing ja auch meine Trinkerei an und meine Raucherei.

00:27:53: Und die erste Selbstverletzung.

00:27:55: Ich bin dann irgendwann vom netten Mädchen zum Terrotinit ja hochgearbeitet.

00:28:01: Also ich wurde zudem was mich eigentlich die Jahre gequält hat.

00:28:06: Also ich hab Alkohol reingeschmuggelt, ich hab das Rauchen angefangen, ich hab angefangen, mich zu ritzen.

00:28:11: Und ja, die Prügelein, ich war irgendwann für das Heim nicht mehr tragbar.

00:28:15: Die konnten mich irgendwann nicht mehr halten.

00:28:17: Wo ging's dann für dich hin?

00:28:18: Für mich ging's dann in ein reines Mädchenheim, wo ich dann auch die Möglichkeit hatte, meinen Schulabschluss machen zu können.

00:28:26: Nur war ich zu dem Zeitpunkt emotional komplett instabil, hab mich viel selber schwer verletzt.

00:28:33: war der Meinung, ich wäre die größte.

00:28:36: Das ist vollkommen verzehrte Selbstreflektion und bin dann mit Mädels zusammengekommen, die sich genauso gefühlt haben.

00:28:45: Man kann sechs Mädels auf eine Gruppe packen, hoffen, es funktioniert, aber es hat nicht funktioniert.

00:28:50: Jetzt war ich nicht mehr die Einzige, die so ein Problem dargestellt hat, sondern alle.

00:28:54: Dadurch hatten wir täglich Terror.

00:28:57: Es war schwierig.

00:29:00: Du hast gerade gesagt, du hast dich selbst verletzt.

00:29:04: Warum kannst du heute reflektieren, warum du das gemacht hast?

00:29:07: Ja.

00:29:08: Das war noch während der Zeit, als ich die Schläge bekam.

00:29:13: Zu irgendwann war das Selbstbewusstsein so weit runter, dass ich das Gefühl hatte, ich verdiene das.

00:29:20: Und ich weiß doch, ich habe mir eine Glasscherbe vom Haus aufgesammelt und habe mich das erst mal geschnitten.

00:29:27: Und es fühlte sich erstaunlich... Ja, das klingt blöd, aber es fühlte sich sehr staunlich gut an, weil ich konnte mich plötzlich wieder spüren.

00:29:37: Irgendwann hat sich dann Suchtverhalten gebildet, aber jedes Mal, wenn es Probleme gab, habe ich zu Klänge gegriffen.

00:29:42: Immer um dich selbst zu spüren?

00:29:43: Ja, immer um wieder klarzukommen.

00:29:45: Irgendwann wurde der Druck so groß, dass ich mich geschnitten habe, um mich wieder selber zu spüren.

00:29:51: Was war das Schlimmste, was du mit der Selbstverletzung an deinem Körper gemacht hast?

00:29:56: Ich hab mir den Oberschenkel aufgeschnitten, den kompletten Arm immer und immer wieder.

00:30:01: Als das nicht mehr weichte, wurde der Arm mit Leidenschaft gezogen.

00:30:05: Ich hab mir irgendwann bewusst die Nahrung entzogen.

00:30:08: Das ging tatsächlich bis zu meinem ersten Selbstmordversuch.

00:30:12: Wie alt warst du da?

00:30:13: Vierzehn.

00:30:14: Also mit Vierzehn wollte ich der Sachen Ende machen, weil ich einfach nicht mehr konnte.

00:30:20: Und ich bin damals in die Therapie gekommen und habe zeitgleich meinen Entzug gemacht, weil ich ja wirklich schwer am Alkohol hing und die ersten Drogenerfahrungen gemacht hatte und am Rauchen war und konnte da stabilisiert werden.

00:30:33: Aber das Ritzen hat mich auch noch ganz, ganz lange weiter begleitet.

00:30:37: Wie hatte sich das für dich angefühlt, als du nach dem Suizidversuch aufgewacht wirst?

00:30:41: Scheiße, wir sind noch hier.

00:30:44: Also für mich war das schlimm, weil ich merke, ich bin immer noch hier.

00:30:49: So, ich wollte nicht hier sein.

00:30:50: Ich wollte nicht mehr am Leben sein.

00:30:52: Ich wollte der Sache in der Ende machen.

00:30:53: Ich war müde.

00:30:54: Ich war absolut lebensmüde.

00:30:57: Es gab tatsächlich noch drei weitere Versuche, dass ich in der Therapie langsam gelernt habe, dass das Leben lebenswert ist.

00:31:03: Aber ich, zu dem Zeitpunkt, wollte ich nicht mehr.

00:31:05: Und weil ich mich selber nicht mehr ertragen habe, habe ich mich irgendwann mit Alkohol und Drogen zugeknallt.

00:31:10: Also es hat mit Maria Johanna angefangen.

00:31:12: Es hat mit Pep aufgehört.

00:31:13: Ich wollte nicht mehr.

00:31:14: Es gab keinen Menschen, der mir so egal war, wie ich mir selber.

00:31:18: Nach dem ersten Versuch, das muss doch jemand mitgekriegt haben.

00:31:21: Ja, natürlich.

00:31:21: Ich war auch in der Klinik.

00:31:23: Stationär.

00:31:24: Stationär und hab Antidepressiva bekommen.

00:31:26: Und das hat alles nix geholfen?

00:31:28: Nein, weil ich in meinem Kopf schon abgeschlossen hab.

00:31:31: Ich wollte nicht mehr leben.

00:31:33: Ich wollte nicht mehr morgens aufwachen.

00:31:35: Es gab ja nichts mehr, was das Leben irgendwie lebenswert gemacht hatte.

00:31:40: Klar, Sachen wie Schulabschluss und Ausbildung wären natürlich toll gewesen, aber ich wollte nach Hause.

00:31:45: Ich wollte zu meiner Oma oder zu meiner Mama.

00:31:48: Ich durfte nicht, ich durfte die nur an den Wochenenden sehen.

00:31:50: Und dann der ganze Stress im Heim und das, was ich mit mir rumgeschleppt hab, ich wollte nicht mehr.

00:31:55: So, das ... Für mich war Feierabend.

00:32:00: Ich hätte durchgezogen, hätte man mich nicht daran gehindert.

00:32:03: Mein Erzieher im zweiten Heim waren relativ füffig.

00:32:06: Die hatten ihre, wie nennen wir's jetzt, Borderliner, ihre Ritze im Auge.

00:32:10: Irgendwann wurde halt eigentlich konfistiert.

00:32:13: Alles, was scharf war, kam dann weg.

00:32:14: Du hast gerade gesagt, du hast angefangen, Drogen zu konsumieren.

00:32:18: Wie bist du da angekommen?

00:32:19: Du hattest doch auch nicht wirklich Geld.

00:32:21: Jemand aus dem Heim kam immer an das Zeug.

00:32:23: Irgendwann kam dann, ich hatte ja auch im Heim Freundin im Zweiten, irgendwann sagt deine Freundin, ich hab hier was, wenn du das rauchst, dann ist der Kopf frei.

00:32:30: Und ich in meiner Situation dachte auch, cool, mach mal, ich war sowieso bei jedem Scheiß dabei, ich war so dieser typische Mitläufer irgendwann.

00:32:38: Und als ich dann gehört hab, da gibt es was, was mir den Kopf noch mehr frei macht, als das Antidepressiv war, hab ich dann tatsächlich meinen ersten Joint geraucht und gemerkt, oh, das funktioniert ja.

00:32:47: Und daraufhin habe ich aufgebaut.

00:32:49: Weil wenn ich dieses Gefühl, dieser absoluten Freie und dieses Nichtdenken habe und ich kann das aber behalten, dann wiederholen wir das und wiederholen das und wiederholen das.

00:32:57: Und das war genau so eine Suchtspirale wie mit dem Rauchensone.

00:33:00: Das ist irgendwann, kannst du nicht mehr aufhören.

00:33:03: Selbst wenn du willst.

00:33:05: Du hast gerade gesagt, den ersten Joint, den hast du von einer Freundin nenn ich mal bekommen.

00:33:11: Freundin.

00:33:13: Aber... Das erklärt ja nicht ein dauerhaftes Suchtverhalten.

00:33:16: Also, wie bist du an Geld gekommen, um dein Suchtverhalten dauerhaft aufrecht zu erhalten?

00:33:21: Tatsächlich haben wir uns im Heim gruppiert.

00:33:23: Irgendeiner hat es mitgebracht und wir haben uns dann alle gruppiert und das Ding ging rum.

00:33:27: Also, wir sind meistens nach draußen.

00:33:29: Ich selber habe nie was beschafft, weil ich wusste ja gar nicht, woher.

00:33:32: Aber die sind dran gekommen, haben es reingebracht und ich habe mitgeraucht.

00:33:36: Okay, du hast vorhin gesagt, du hast auch andere Dinge konsumiert.

00:33:39: Ja, das kam aber etwas später.

00:33:42: Die erste Pep-Erfahrung habe ich, glaube ich, mit achtzehn gemacht.

00:33:45: Magst du einmal sagen, was Pep ist?

00:33:47: Pep ist ein Amphetamin, dass man sich tatsächlich, dass man durch die Lase konsumiert.

00:33:52: Und dass, wenn es optimal wirkt, dich wirklich drei Tage wachhält.

00:33:55: Also, das, ja doch, drei Tage habe ich meistens geschafft.

00:34:01: Wie alt warst du da, als du das genommen hast?

00:34:03: Achtzehn.

00:34:04: Also mit achtzehn habe ich das erste Mal meine Pep-Erfahrung gemacht.

00:34:08: Der Fahrt, also mein Stieffahrt, der hängt auch da vorne, der hatte das konsumiert.

00:34:14: Und ... meine Mutter hat auch konsumiert.

00:34:19: Ich bin ja mit achtzehn zu ihr gezogen, das war ja meine Heimflucht.

00:34:22: Ich bin volljährig, ihr könnt mir nichts mehr, ich gehe.

00:34:25: Und bin dann bei meiner Mutter untergekommen und sie hat das auch konsumiert.

00:34:28: Und irgendwann bin ich, hab ich dann selber damit angefangen, weil, wie gesagt, ich war mir sowas von egal.

00:34:35: Du bist zu deiner leiblichen Mutter gezogen.

00:34:37: Ach krass, wie war dieser Prozess?

00:34:40: Also ich hatte Kontakt mit ihr.

00:34:43: Ich wollte raus aus dem Heim.

00:34:46: Wir haben mit sich, als ich setzte, angefangen, so langsam wieder aufzubauen.

00:34:50: Kam das von ihr oder von dir?

00:34:52: Von mir.

00:34:53: Also ich hatte sie bei Facebook gefunden.

00:34:55: Und dann hatten wir den Kontakt aufgenommen und hatten darauf aufgebaut.

00:35:00: Und weil ich ... ganz dringend irgendwo hin wollte und das Gefühl hatte, ich brauche Familie.

00:35:07: Mehr als das, was ich jetzt hier habe, habe ich sie gebeten, mich rauszuholen und habe mit achtzehn verkündet, dass ich aus dem Heim ausziehe.

00:35:14: War deine Oma zu dem Zeitpunkt noch am Leben?

00:35:17: Ja, die ist vor drei Jahren gestorben.

00:35:20: Warum war das keine Alternative für dich, zu deiner Oma zu gehen?

00:35:23: Weil meine Oma das nicht wollte.

00:35:25: Also wir hatten, zu dem Zeitpunkt war sie ja wirklich schon sehr, sehr alt und sie hat gesagt, dass sie das nicht kann und ist, dass ich sie gerne besuchen darf, aber nicht mehr dauerhafter wohnen darf.

00:35:37: Als du deine Mutter das erste Mal gesehen hast, nach so langer Zeit, was ist da in dir vorgegangen?

00:35:44: Ich habe tatsächlich was gesucht, was ich nicht finden konnte.

00:35:48: Das klingt jetzt zwar sehr komplex, aber ich habe sie gesehen, ich wusste, sie ist meine Mama und ich habe versucht, da eine Verbindung aufzubauen, aber es ist mir nie wirklich gelungen.

00:35:58: Als du zu deiner Mutter gezogen bist?

00:36:02: Wie hat sich das angefühlt?

00:36:03: Freiheit.

00:36:04: Ich war zum allerersten Mal frei und ich war unfassbar dumm.

00:36:07: Ich war so unfassbar dumm und naiv und unreif.

00:36:11: Also wenn das Jugendamt damals gekonnt hätte, die hätte mich besser noch mal ein paar Jahre drin behalten und mir den Kopf gerade gerückt.

00:36:16: Also ich war raus, ich konnte machen, was ich wollte, weil meine Mutter war der sehr unkonsequent, die hat mich machen lassen.

00:36:24: Ich bin aber zeitgleich, habe ich schon das Arbeiten angefangen, das erste Mal richtig, hatte in der Behindertenwerkstatt gearbeitet.

00:36:30: Ich habe zwar meine Arbeit gemacht, aber nach der Arbeit habe ich geschlunzt, dann wurde getrunken, dann wurden Drogen genommen und mir war das alles egal.

00:36:39: Du hast gerade eben gesagt, dass deine Mutter auch konsumiert hat, vom ersten Moment an?

00:36:44: Ich weiß nicht, wann sie angefangen hat, aber zu dem Zeitpunkt, wo ich runter zur Ehe gezogen bin, da hat sie schon konsumiert.

00:36:50: Was hast du gefühlt, dass du sie gesehen hast, wie sie vor dir konsumiert?

00:36:54: Früher wär's befrepplich gewesen.

00:36:56: Und da war's halt so, was machst du da?

00:37:00: Dann machen wir halt mal mit, so dass es vorkommt irrationales Denken, vorkommt selbst zerstörerlich.

00:37:06: Ich hab das nicht hinterfragt.

00:37:07: Ich hätte es besser mal hinterfragt, aber ich hab's nicht getan.

00:37:09: Was hat sie denn genommen?

00:37:11: Ich meine, Pep wär das gewesen.

00:37:13: Ausschließlich Pep?

00:37:14: Ausschließlich

00:37:15: Pep und Marianne hatte sie genommen.

00:37:17: Okay, und dein Stiefvater auch?

00:37:20: Hast du sie gefragt, warum du nicht mehr bei ihr gewohnt hast oder warum du weggekommen bist als

00:37:26: Kind?

00:37:27: Ja, es hat sie tatsächlich gefragt und dabei sind wir wieder bei unterschiedlichen Variationen von Geschichten.

00:37:32: Also sie sagt, dass es ausschließlich jemandem Vater lag, der tatsächlich ein Alkoholiker ist und dass sie sich damals nicht um mich kümmern konnte und dass man... dass man uns weggenommen hat.

00:37:46: Ich liebe meine Mama wirklich, aber sie ist sehr schlecht in Selbstreflektion.

00:37:50: Sie sucht die Schuld bei anderen, aber nicht bei sich selber.

00:37:57: Die Kernaussage, es war, das Jugendamt hat uns weggeholt.

00:37:59: Warum?

00:38:00: Da reagiert sie sehr ausweichend.

00:38:02: Du warst ja ganz viele Jahre auf der Suche nach einem sicheren Zuhause, was du nie gekriegt hast.

00:38:08: Hattest du das Gefühl, dass du das bei deiner Mutter jetzt gekriegt hattest?

00:38:13: Ich hätte klare Regeln gebraucht, ich hätte eine klare Hand gebraucht, die mich geführt hat.

00:38:18: Und letzten Endes hatte ich die nicht, weil die Stufte machen, was ich wollte und habe mich damit nur noch tiefer in die Scheiße geritten.

00:38:24: Also das Einzige, was in meinem Leben damals schon funktioniert hat, war meine Arbeit.

00:38:28: Aber alles andere nicht.

00:38:32: Also ich hätte wahrscheinlich eine Therapieanbindung gebraucht, das hätte es tatsächlich rausgerissen.

00:38:37: Und ich hatte eine klare Führung von meiner Mutter gebraucht, aber meine Mutter hat sich gedacht, lass das Kind machen, dann liebt sie mich mehr.

00:38:43: Das hatte sich auch schon mal gesagt, das war ihr Grundgedanke, aber letzten Endes habe ich mir damit mein eigenes Grab geschaufelt.

00:38:50: Hast du deiner Großmutter erzählt, dass du zu deiner Mutter gezogen bist?

00:38:54: Das war das Kontaktende für viele Jahre.

00:38:57: Echt?

00:38:57: Ja.

00:38:59: Wieso?

00:39:00: Weil meine Oma meine Mutter gehasst hat.

00:39:03: Ich weiß bis heute nicht, warum, aber sie hat sie definitiv gehasst und wir hatten über drei Jahre lang keinen Kontakt mehr.

00:39:09: Hat deine Mutter dir vielleicht mal Gründe genannt, was dazwischen den beiden vorgefallen sein könnte?

00:39:14: Tatsächlich nicht, sie hat mir einzelne Fallbeispiele genannt.

00:39:17: Sie hatte mal erzählt, dass es wurden Kindergeburtstag gewesen.

00:39:20: gegeben haben muss, bei dem sie mich besuchen wollte und sie durfte dann draußen auf der Terrasseplatz nehmen, während alle anderen gefeiert haben.

00:39:27: Also ich weiß nicht, was da los war, aber die beiden haben sich gehasst bis aufs Blut.

00:39:33: Und als meine Oma dann gehört hat, dass ich zu meiner Mutter gezogen bin, war wir erst mal Funkstelle für über drei Jahre.

00:39:38: Hast du ihr das übel genommen?

00:39:40: Teilweise schon, weil ich ... Eigentlich nur meine Familie irgendwo um mich heran möchte, so wie jeder Mensch Familie hat und ich nicht verstehen konnte so, warum stellt man ein Kind vor die Wahl?

00:39:50: Das verstehe ich bis heute nicht so.

00:39:52: Das ist, weil es hätte ja eine Co-Existenz geben können, ohne dass die beiden miteinander zu tun hatten.

00:39:57: Aber ich glaube für meine Oma war das irgendwo ein kleiner Verrat.

00:40:01: Und dann war es dann eine Vorstelle.

00:40:05: Hatten deine Brüder auch mal den Kontakt zu deiner Mutter gesucht?

00:40:09: Ich glaube, die wollen das beide nicht.

00:40:11: Also bei dem Ältesten bin ich mir definitiv sicher, dass er das nicht will.

00:40:14: Das hat er auch schon geäußert.

00:40:15: Und bei meinem leiblichen Bruder kann ich gar nicht sagen, was er möchte oder nicht.

00:40:19: Also ich kann mich daran erinnern, dass wir hier und da mal kurzen Kontakt über Facebook damals hatten.

00:40:26: Aber letztendlich ist er komplett untergetaucht.

00:40:29: So die letzte Info, die ich bekommen habe, war vor meinem Umzug jetzt hier in den... dass er wohl heiraten möchte und dass er, dass er jemanden gefunden hat, der ihn glücklich macht.

00:40:39: und ich hatte ihm angeboten, wir können ja den Kontakt halten.

00:40:41: und dann hat er gehört, ich ziehe zu meiner Mutter und dann war die Schotten dicht, das Facebook-Profi war gelöscht und seitdem habe ich nichts mehr gehört.

00:40:47: Hast du mal hinterfragt, warum da so eine strikte Tür bei deinen Brüdern und bei deiner Oma war in Bezug auf deine Mutter?

00:40:57: Also ich kann... mir nur erklären, dass es da Dinge gibt, die ich nicht weiß.

00:41:01: Also ich bin ja rausgenommen worden, dass, als ich drei Monate alt war, aber meine Brüder waren ja wesentlich älter, die werden mehr mitbekommen haben, so.

00:41:08: Ich hätte natürlich nachfragen, wo können, aber ich wollte nicht, weil wenn irgendwas so Schlimmes, dass man Kinder rausnimmt, dann möchte ich da nicht nachfragen, weil ich nicht weiß, mache ich da eine Wunder auf.

00:41:20: Deswegen habe ich es nicht hinterfragt.

00:41:22: Also ich kann mir nur vorstellen, dass meine Eltern beide ihren Teil dazu beigetragen haben.

00:41:27: Meine Zeuge ist ja auch schwere Alkoholiker und hat ja da schwer rumrandaliert.

00:41:33: Ich habe teilweise von meiner Mutter Jugendamtsberichte gesehen, wo er meinen Bruder nachts in die Kneipe mitgenommen hat, damit er seine Sucht befrieden kann.

00:41:40: Dann hat er wohl dem damaligen neuen Lebenspartner von ... Meine Mutter, die Bierflasche über den Schell gezogen, hat mein Bruder geschnappt und ist mit ihm abgehauen.

00:41:52: Da musste das Jugendamt dazwischen gehen.

00:41:54: Meine Mutter musste dann aus dem Jugendamt rausholen, also da muss ordentlich viel los gewesen sein.

00:41:59: Neben der Drogen- und Alkoholsucht, die du entwickelt hast, was für weitere Angewohnheiten haben sich in deinem Leben etabliert?

00:42:08: Tatsächlich kam mit... Fortschreiten im Alter, tatsächlich die Zwangsstörung dazu, mit der ich anfangs gar nichts anfangen konnte.

00:42:17: So, das ist... angefangen hat das mit ganz in meinem Händewaschen.

00:42:22: Da habe ich heute noch ordentlich mit zu tun, weil bei jedem Winter sieht man, dass die Hände so kaputt sind.

00:42:29: Also ich habe bis zu hundertmal am Tag die Hände gewaschen, weil ich das Gefühl hatte, dass alles, was ich anfasse, kontaminiert ist.

00:42:34: Und für jeden anderen macht es keinen Sinn, in meinem Kopf hat es Sinn gemacht.

00:42:38: Und gleichzeitig begannen auch die Kontrollzwänge, also ich musste dann... Wenn ich das Haus verliess, hundertmal gucken, hatte ich alle Steckdosen raus, ist der hart aus, sind die Lichter aus und so habe ich mir angefangen, Rituale zu bauen, die tatsächlich in der Therapie abgebaut werden mussten, weil das so immens aufgebaut wurde, dass das wirklich Stunden gedauert hat manchmal.

00:42:59: Ist dir das?

00:43:00: Bewusst gewesen, dass du so eine Wesenveränderung hast oder war das mehr so schlagartig?

00:43:05: Schleichend.

00:43:06: Also anfangs hab ich das gar nicht mitbekommen.

00:43:09: Bis irgendwann eine Freundin von mir sagte, hör mal, wir müssen zu einem Termin, warum kommst du nicht?

00:43:14: Aber ich muss dann noch gucken, ob alles aus ist.

00:43:16: Und sie sagte, das ist aber nicht normal, was du hier machst.

00:43:18: Weil das wirklich ein Ritual hatte.

00:43:20: Ich bin wirklich ritualmäßig Steckdose pro Steckdose abgegangen und hab alles abgecheckt.

00:43:27: Mir war das gar nicht bewusst, dass das nicht normal ist.

00:43:30: Als deine Freundin dir das gesagt hat, was ist da in dir vorgegangen?

00:43:34: Erstmal habe ich es natürlich abgetan und habe ihr erklärt, da klärt es normal.

00:43:38: Ich wäre ja nicht, dass das hier brennt.

00:43:39: Und dann habe ich irgendwann angefangen, mich selbst zu reflektieren und gemerkt, okay, das ist dann doch vielleicht nicht ganz so normal.

00:43:47: Gerade das auch mit dem Hände waschen, weil die Hände waren ja wirklich blutig.

00:43:50: dann irgendwann, weil irgendwann ist die Hautbeere runter.

00:43:53: Und ... Ich hatte ja damals, Gott sei Dank, schon die Anbindung zu meiner Therapeutin.

00:43:58: Und ich hatte über das bei ihr angesprochen.

00:44:00: Und sie sagte auch, das ist nicht gut, was du da machst.

00:44:02: Das geht schon in die Richtung Zwangsstörung.

00:44:05: Hattest du dich da noch selbst verletzt in der Zeit?

00:44:08: Tatsächlich hab ich mich selbst verletzt, bis ich dreiundzwanzig war.

00:44:13: Das ist schon sehr lang.

00:44:14: Ja.

00:44:15: Selbst, während du in therapeutischer Unterstützung warst?

00:44:18: Ja, tatsächlich.

00:44:20: Das hat nie wirklich aufgehört so.

00:44:24: Ich war ja auch schon mal, war ja zwischendurch auch noch mal in Therapie.

00:44:28: Und wir mussten da einen Selbstreflexionsbogen machen, wenn wir uns geritzt haben.

00:44:34: Und weil ich wusste, dass ich diesen Bogen mache, habe ich es an Stellen gemacht, wo man mich nicht packen konnte und habe nicht drüber geredet.

00:44:39: Dabei wäre der richtige Weg gegangen.

00:44:41: Ich bin zu meiner Therapeutin und habe gesagt, ich habe mir auch was angetan.

00:44:44: Aber ich habe es versteckt, damit man es mir nicht wegnimmt.

00:44:48: Alles war in meinem Leben irgendwann darauf aus, Kontrolle zu haben.

00:44:51: Über die Situation, von denen ich nicht will, dass man mir die wegnimmt.

00:44:54: So habe ich es versteckt.

00:44:56: Wie lange hast du bei deiner Mutter gewohnt?

00:44:58: Ein halbes Jahr.

00:44:59: Das ist nicht lange gut gegangen.

00:45:01: Okay, das heißt, sie hat auch gar nicht die Auswüchse deiner Zwänge mitbekommen.

00:45:06: Und die Selbstverletzung hat sie mitbekommen?

00:45:07: Wie

00:45:08: hat sie mitbekommen?

00:45:09: Wie hat sie darauf reagiert?

00:45:10: Nicht, wie eine Mutter reagieren sollte.

00:45:13: Sie hat mich zusammen gepflegt jedes Mal.

00:45:18: Das Problem war, dass sie selber sehr, sehr krank war.

00:45:21: Und meinen Lösungsweg irgendwann als Ehren angesehen hat.

00:45:24: Also ich kann mich erinnern, ich kam einmal in die Küche und dann hatte sie die Arme offen.

00:45:27: Ich hab das nicht verstanden.

00:45:29: Ich sag, was machst du?

00:45:29: Ich finde, Bullshit ist so verzaldert.

00:45:32: Und sie sagte nur, ich wollte das mal machen, um zu sehen, wie du dich fühlst und ich merke, mir hilft das.

00:45:36: Und das war das erste Mal, wo ich komplett fertig war.

00:45:40: So, dass sie es dann kurz nach mir in die Therapie gegangen und ich war fertig.

00:45:48: Das war ganz, ganz furchtbar für mich.

00:45:55: Als sie diesen Satz gesagt hat, ist sie in dem Moment schon bewusst gewesen, was das eigentlich bedeutet?

00:46:04: Dass sie nicht ganz in Ordnung war, das wusste ich.

00:46:07: Dass da irgendwas in ihr arbeitet.

00:46:09: Das war mir bewusst.

00:46:09: Aber als ich zum ersten Mal mitbekommen habe, dass sie sich wirklich was angetan hat, so, für mich war das ja normal so.

00:46:15: Das war meine Lösungsbebeutigung, aber als ich gemerkt habe, dass sie anfängt, meinen Verhalt zu kopieren, war das für mich ganz schlimm.

00:46:21: Weil ich wusste, das krieg ich nicht gestemmt, ich krieg ja mich noch nicht mal selber reflektiert und in die Reihe gebracht, wie soll ich jetzt noch eine erwachsene Frau in die Reihe bringen?

00:46:28: Das funktionierte nicht.

00:46:31: Und sie ist dann tatsächlich in die Therapie gegangen.

00:46:34: Und nach ihrer Therapie hat das so zwischen uns gekracht, dass meine Betreuerin mich da, also ich hatte damals schon eine gesetzliche Betreuung, mich dann in ein betreutes Wohnen untergebracht hat.

00:46:46: Wie hat sich das angefühlt, als deine Mutter gesagt hat, ich wollte wissen, wie sich das anfühlt?

00:46:50: Und jetzt merke ich, es ist ein gutes Gefühl.

00:46:53: Schock.

00:46:54: Man fängt plötzlich an, alles zu hinterfragen, sich selbst, die eigene Mutter, die eigenen Entscheidungen.

00:47:01: Man ist ja irgendwo immer noch in der Position, wo man helfen möchte, aber merkt, ich kann nicht, weil ich selber so viele Baustellen mit mir rumtrage, dass ich dir nicht helfen kann, auch wenn ich es gerne würde, weil ich kann dir nicht sagen, wie du das aufhörst.

00:47:12: Ich weiß ja selber nicht.

00:47:15: Ich bin froh, dass sie dem Weg gegangen ist und tatsächlich auch in die Klinik gegangen ist, um das zu behandeln.

00:47:21: Aber ich hätte ihr nicht helfen können.

00:47:23: Du hast gesagt, du bist dann dort ausgezogen und die gesetzliche Betreuerin hat dann für dich eine eigene Wohnung gesucht?

00:47:29: Ich war in einem betreuten

00:47:30: Wohnen.

00:47:30: Ja, hast du gerade gesagt.

00:47:31: Genau.

00:47:32: Okay, und wer war da mit dir zusammen?

00:47:35: Ich hatte zwei Mitbewohner.

00:47:37: Einer ist dann irgendwann mal ausgezogen, dann ist mein damaliger Lebensgefährte mit in dieses betreute Wohnen gezogen.

00:47:42: Also ich hatte ein stabiles Umfeld.

00:47:44: Ich habe auch gelernt, hauswirtschaftlich zu wirtschaften.

00:47:49: Ich hätte wahrscheinlich eine irgendwie maschigere Betreuung gebraucht.

00:47:52: Also wirklich jemand, der wie stundlang da ist, weil wenn die Betreuer weg waren, habe ich wieder Scheiße gebaut.

00:47:57: Wir hatten irgendwann über mir, ist mal jemand eingezogen, der kam ganz leicht an das Zeug, auch denke ich cool, und weiter geht's.

00:48:04: Ich hätte tatsächlich jemanden gebraucht, der wirklich die Hand drüber gehabt hätte.

00:48:07: Und wenn das wirklich eine engmaschige Betreuung gewesen wäre, oder noch mal einen Entzug, aber ich hätte definitiv Hilfe gebraucht.

00:48:15: Wie lange ging das so?

00:48:16: Tatsächlich, bis ich dreiundzwanzig wurde.

00:48:19: Ich habe da meinen damaligen Mann kennengelernt.

00:48:21: Der war um einiges jünger als ich.

00:48:23: Und wir hatten dann auch geheiratet.

00:48:28: Und dann wurde ich mit dreiundzwanzig schwanger.

00:48:31: Und plötzlich war, hat sich alles verändert.

00:48:33: So, das war erst mal, das war ja nicht gewollt, nennen wir es mal so.

00:48:40: Aber plötzlich hat sich die ganze Welt verändert und ich habe es bis zum dritten Monat geschafft und hatte dann eine Fehlgeburt und habe dann den nächsten Tiefschlag erlebt.

00:48:49: Tatsächlich emotional, weil man hat sich ja schon dran gewöhnt, so man freundet sich damit an, man empfindet Liebe und plötzlich ist es weg.

00:48:58: So, das war für mich nochmal ein ganz, ganz herber Tiefschlag.

00:49:03: Und emotional kommen zu verknacken.

00:49:07: Ich kann mich daran erinnern.

00:49:08: Ich saß bei der Frauenärztin, die mich ermuntete und sagte, sie sind noch jung, sie kriegen noch eins.

00:49:13: Ich war darüber, dass wir schon.

00:49:15: Und ich saß, dann dachte, nein, da ist gerade ein Teil von mir gestorben.

00:49:18: Wie kannst du hier sitzen und sagen, es wird wieder, es wird nicht wieder.

00:49:22: Das war ein Lebewesen.

00:49:25: Und ... Ja, wir haben es nicht bewusst weiter versucht, aber wir haben es doch laufen lassen.

00:49:31: Wir haben nicht verhütet und mit vierundzwanzig wurde ich schwanger und nochmal schwanger mit meiner ältesten Tochter.

00:49:38: Und ich wollte mich erst mal gar nicht darauf freuen, weil ich Angst hatte, was passiert, was ist, wenn es wieder passiert und findest Liebe für etwas, was dir wieder entrissen wird.

00:49:48: Und als ich über den dritten Monat hinaus war, dann habe ich angefangen, Freude zu empfinden, weil ich wusste, dieses Kind ist sicher.

00:49:53: Dieses Kind wird im Mikros, dieses Kind wird geboren und ich werde Mama und ich habe zu dem Zeitpunkt der Schwangerschaft noch gar nicht wirklich begriffen, wie intensiv dieses Gefühl werden wird.

00:50:06: Man hat sich darauf gefreut, aber man wusste nicht wirklich, wie wir es, wenn das Kind da ist.

00:50:11: Und als ich meine Tochter zum allerersten Mal im Arm hatte, wusste ich, ich habe die Familie, die ich immer gebraucht habe, gerade auf die Welt gebracht.

00:50:19: Also das war, es war als ob ein Blinden, der plötzlich wieder sehen kann und der sieht die Sonne.

00:50:24: und ich wusste, da ist mein Grund zu leben.

00:50:27: Da ist mein, jetzt geht es weiter.

00:50:30: Das ist mein, und jetzt gehen wir es an.

00:50:34: Dieses selbstzerstörerische Verhalten, was du all die Jahre hattest, hattest du das noch mit der Hochzeit?

00:50:42: tatsächlich mit der Hochzeit noch.

00:50:44: Allerdings nicht mehr im Ritzen, weil ich war schwanger, als ich geheiratet habe, sondern ich habe tatsächlich manchmal Probleme mit dem Essen gehabt.

00:50:53: Das habe ich auch heute noch so teilweise, dass ich wirklich tagelang nichts esse, so dass mein Freund mal kommen muss und sagen, ich will jetzt aber mal Zeit.

00:51:01: Aber ich habe mich nicht mehr geschnitten.

00:51:03: So ab dem Zeitpunkt, wo ich wusste, dieses Kind kommt, war das sofort vorbei.

00:51:07: Weil ich wusste, ich trage nicht mehr nur für mich die Verantwortung, sondern auch für ein ungeborenes Leben.

00:51:11: Und das muss ich beschützen.

00:51:12: Und hier ist Schluss.

00:51:13: Hier wird nichts mehr gemacht.

00:51:14: Keine Drogen mehr, kein Alkohol.

00:51:16: Also noch nicht mal wirklich geraucht, nicht geritzt gar nichts.

00:51:19: Sofort.

00:51:20: Du hast gerade eben gesagt, für dich ist die Sonne aufgegangen, als deine Tochter geboren wurde.

00:51:25: Hat es so das Gefühl, ich kenne viele Mütter, die davon berichten, dass sie sich plötzlich ihrer Mutter ganz nah gefühlt haben.

00:51:32: Weil sie verstanden haben, wie es ist, eine Mutter zu sein und was die Mutter wohl gefühlt hat.

00:51:37: War das bei dir auch so?

00:51:38: Tatsächlich war das bei mir anders.

00:51:40: Ich hatte die Kleine das erste Mal auf dem Arm und ich habe unfassbar viel Liebe empfunden.

00:51:46: Ich hatte auch meine Erziehung von meiner Oma im Kopf, wie älter sie wurde.

00:51:51: Allerdings ... habe ich auch vieles anders gemacht.

00:51:54: Also ich war, bin meiner Tochter die Mama, die ich damals gebraucht hätte.

00:51:57: Klingt jetzt ein bisschen widersprüchlich, weil ich ja eben gesagt habe, meine Oma hatte alles gegeben.

00:52:02: Aber ich versuche auch in Konfliktsituationen für meine Tochter dazu sein.

00:52:05: Das heißt, sie kann zum Moment kommen, egal was sie hat so.

00:52:08: Wir packen das zusammen an, weil die Eltern, sie wurde oder generell schon vom ersten Tag, waren mir klar, das ist meine Familie.

00:52:14: Ich habe meine Familie, die ich immer gebraucht habe, liegt jetzt hier und ich will alles tun, damit dieses Kind glücklich ist.

00:52:22: Hattest du deine gesetzliche Betreuerin zu dem Zeitpunkt noch?

00:52:25: Da hatte ich schon meinen gesetzlichen Betreuer.

00:52:27: Meine gesetzliche Betreuerin hatte irgendwann aufgehört, die war ja auch schon etwas älter.

00:52:30: Ich bin dann zu meinem gesetzlichen Betreuer übergekommen und hatte dann irgendwann gesagt, ich bin schwanger, ich werde Mama und der hat mich immer unterstützt.

00:52:38: Egal, ob das jetzt ein Ämterfragen war oder ... Ob ihr Anträge stellen mussten oder ich kann mich noch erinnern, als die Kleine geboren wurde, kam er mit so einem kleinen Pulli an.

00:52:47: Der hatte sich dann auch gefreut.

00:52:49: Es ist mein Gesetz sicher betreuer, aber eigentlich ist er schon in meine Familie eingekliedert.

00:52:52: Die Kinder freuen sich, wenn der kommt.

00:52:54: Also, der Mann hat mir wirklich so viel geholfen.

00:52:57: Das heißt, den hast du bis heute?

00:52:58: Den habe ich bis heute.

00:52:59: Ach krass, ich wusste gar nicht, dass sich das mit unter so lange hebt.

00:53:03: Doch, doch tatsächlich hat mein Betreuer mir geholfen, mich frei zu machen so von ganz vielen Sachen.

00:53:08: Vieles kann ich mittlerweile durch seine Hilfe auch schon alleine.

00:53:11: Was er lediglich macht sind Ämter und Behördengänge.

00:53:14: Da ist er dabei, wenn ich damals wieder ein bisschen unsicher bin und er stellt Anträge für mich, weil ich das nie gelernt habe und durch das ADHS kriege ich das auch da nicht mal rein.

00:53:22: Also den werde ich wahrscheinlich auch noch sehr lange behalten.

00:53:24: Aber bei allem anderen hat er mir geholfen, selbstständiger zu werden.

00:53:27: Hast du da noch im betreuten Wohnen gewohnt, als deine Tochter kam?

00:53:31: Tatsächlich habe ich dann alleine gewohnt.

00:53:32: Wir haben dann angefangen zu suchen, als ich wusste, okay, das Kind wird definitiv geboren.

00:53:37: Wir haben dann eine eigene Wohnung gehabt.

00:53:41: Mit einem Kinderzimmer und was haben wir da Arbeit reingesteckt, weil das ist, ich war immer so perfektionistisch, weil ich wollte, dass das ihr zu Hause ist.

00:53:48: Ich kann mich noch erinnern, wir haben eine Stunde langer Kleinarbeit, so eine wie die Putapete da dran geklebt, weil ich das Gefühl hatte, ich muss es ihr schön machen.

00:53:56: Mein ganzes Leben hat sich plötzlich nach meiner Tochter ausgerichtet.

00:53:59: Ich wollte alles für dieses Kind tun und ich bin der Meinung, es ist mir auch echt gelungen.

00:54:05: hab versucht, die Mama zu sein, die ich damals wirklich gebraucht hätte.

00:54:09: Und auch die alten Sachen von meiner Oma mit reingebracht.

00:54:12: Nicht alles, aber ganz, ganz viel.

00:54:15: Und ich war irgendwann auf dem Punkt, wo ich dieses Kind angesehen hab und gedacht hab, die hat mir das Leben gerettet.

00:54:20: Hätte sie nie gegeben, ich hätte mich ein Grunde bodengerecht dazu.

00:54:23: Weil ich so viel Dankbarkeit für dieses Kind empfinde, versuche, die schönste Kindheit zu machen, die ich kann.

00:54:29: Das ist meine Art, ihr Danke zu sagen.

00:54:31: Wie hat deine Großmutter darauf reagiert, dass du ein Kind bekommen hast?

00:54:34: Oh, das war ganz besonders.

00:54:36: Also, anfangs war sie noch so, oh nein, aber du hast doch gar keine Ausbildung und ich konnte ja damals durch die Krankheit keine machen.

00:54:42: Und dann kann ich mich noch dran erinnern, ich bin das allererst mal mit meinem Mann und meiner Tochter zugegangen, konnte sagen, so, Mama, das ist ... Das ist dein Ohrenkelkind.

00:54:52: Und ich kann mich dran erinnern, dass ihr die Kleine sofort auf den Shows genommen habt.

00:54:56: Und meine Oma war auch manchmal so ein ganz, ganz spontaner.

00:54:58: Also, sie sagte dann irgendwann, so, wir steigen jetzt ins Auto, wir gehen jetzt einkaufen.

00:55:02: Das Kind braucht Klamotten.

00:55:03: Zeig mal mal.

00:55:04: Nein, ich möchte meinen Kind Klamotten kaufen.

00:55:06: Die hat ihrem Inkelkind Kleidschen gekauft.

00:55:09: Und die war total in ihrem Element.

00:55:13: Ich als Kind hatte, dass sie mir immer Pakete geschickt hatte im Heim damals.

00:55:17: Und die wurden jetzt meiner Tochter geschickt.

00:55:19: Meine Tochter bekam zu Ostern, zu Weihnachten, zum Geburtstag so ein kleines Paketchen.

00:55:23: Ich hatte dieses Kind so geliebt.

00:55:26: Das war wirklich schön zu sehen.

00:55:28: Ich war so stolz, weil ich sage, das ist mein Kind.

00:55:32: Ich war unfassbar stolz.

00:55:34: Hattest du da noch Kontakt zu deiner leiblichen Mutter?

00:55:37: Da tatsächlich nicht mehr.

00:55:39: Das ist lange, lange, lange eingeschlafen.

00:55:41: Also ich glaube, die war eins, als die Oma das erste Mal kennengelernt hat.

00:55:49: Und auch da war ich noch relativ skeptisch.

00:55:51: Also so wirklich Kontakt haben wir.

00:55:53: erstens, wie das so ein Satz hat, seit einem Jahr jetzt etwa.

00:55:57: Wie war das Gefühl, als du deinen Tochter deiner Mutter gegeben hast, die ja für dich nie wirklich eine Mutter war?

00:56:05: Ich hab... Damals noch ein ganz verzerrtes Feldbild gehabt, weil ich dachte, guck mal, vielleicht ist meine Tochter ja auch, wenn meine Tochter mir helfen kann, vielleicht ist jeder Weg, dass wir weder eine Familie werden, so total verzerrt.

00:56:15: Weil ich hab alles, was ich noch an Familie hatte, versucht, um hier rumzuscharen, weil ich irgendwie noch dieses, ich möchte eine glückliche Familie haben, Gefühl hatte.

00:56:24: Und irgendwann hab ich dann begriffen, nein, das ist nicht der Weg.

00:56:26: Das ist, das ist nicht, kann nicht das Richtige sein, wenn's nicht harmonisiert und das funktioniert nicht.

00:56:34: Und tatsächlich ist meine Ehe dann auch in die Brüche gegangen, weil ich mit vollem Herzen dabei war und mein damaliger Mann nicht.

00:56:42: Und ich hab dann irgendwann meine Tochter genommen und bin hier ne... weil ich näher an... dran sein wollte.

00:56:50: Ich hab den Vater von meiner jüngsten Tochter kennengelernt und hab gedacht, das ist es jetzt, das war es nicht.

00:56:57: Und ich war im dritten Monat schwanger mit... einem großen Kind und einem Kind, was bald gekommen wäre.

00:57:03: Und ich hab meinen Partner kennengelernt, meinen Jetzigen.

00:57:07: Und ich hab mich erst mal nicht getraut, ihm das zu sagen, weil wer möchte schon eine Schwanger kennenlernen, die noch ein großes Kind hat.

00:57:12: Das war so mein Weltbild für Wilden, so was.

00:57:14: Und dann hab ich sie mir irgendwann gesagt und er sagte, weißt du was, scheiß das, scheiß was drauf, wir machen das zusammen so.

00:57:20: Das sind meine Kinder, wenn sie möchten, dass ich der Papa bin.

00:57:25: Und wir kriegen dieses Kind zusammen.

00:57:27: So, das ist egal, ob es meins ist oder nicht.

00:57:29: Und zum ersten Mal haben alle Brüsselteile, die irgendwie rumgestreut waren, einen Sinn gemacht.

00:57:35: Plötzlich wurden wir eine Familie.

00:57:37: Und ich habe begriffen, das ist meine Familie.

00:57:40: So, jetzt habe ich die Familie, die ich gerne haben möchte.

00:57:44: Und tatsächlich haben wir eine gesunde Tochter auf die Welt gebracht.

00:57:46: Und wir sind jetzt nach... ...Zweiunddreißig Jahren habe ich meine Familie.

00:57:51: Das ist meine Familie.

00:57:53: Wie fühlt sich das an, wenn du das so sagst?

00:57:55: Wunderschön.

00:57:56: Das ist, als ob ich nach thirty-two Jahren endlich das gefunden hab, was ich immer gesucht hab.

00:58:01: Also ich hab die Familie, die ich immer gebraucht hab, die hab ich mir jetzt im Endeffekt selbst geschafft mit meinem Partner zusammen.

00:58:08: Wir sind eine intakte Familie, Mama, Papa, zwei Kinder.

00:58:12: Meine Kinder wachsen total endlich auf.

00:58:15: Die haben immer Ruckhalt, die haben immer jemanden, wo sie hin können, die haben immer jemanden, der sich um sie kümmert.

00:58:20: dass wer die Familie dich eigentlich gebraucht hätte.

00:58:22: Und jetzt habe ich sie mir selber quasi mit meinem Partner zusammen geschaffen.

00:58:25: Das ist ein unheimf, unfassbar schönes Gefühl.

00:58:27: So, das ist... Ich bin angekommen nach thirty-two Jahren Kampf, Terror und psychischer Zerstörung.

00:58:35: Du hast vorhin gesagt, du hast Borderline und du hast ADHS.

00:58:39: Das stelle ich mir manchmal auch schwierig vor, gerade mit jüngeren Kindern.

00:58:42: Gehst du damit um?

00:58:44: Tatsächlich halte ich das von meinen Kindern fern.

00:58:46: Ich möchte nicht, dass meine Kinder mitbekommen, was mit Mama los ist.

00:58:49: Klar, die merken schon mal, okay, Mama ist gestresst.

00:58:51: Aber Mama hat sich jetzt Wege geschaffen, um das komplett von denen fernzuhalten.

00:58:56: Also, wenn ich das Gefühl habe, ich komme gerade mit mir selber nicht klar, gehe ich raus und wusel im Garten so.

00:59:02: Dann sind die Kinder mal gerade beim Papa drin.

00:59:04: oder spielen im Garten so.

00:59:05: Also ich versuch das komplett von den Fällen zu halten, weil ich möchte, dass meine Kinder nicht das Gefühl haben, irgendwas ist anders.

00:59:12: Bei meiner großen Tochter kann ich es nicht verhindern, die ist genauso wie ich auf ADHS diagnostiziert.

00:59:19: Aber das hat uns nur noch enger zusammengeschweißt, weil ich ihr helfen kann.

00:59:23: Weil ich ihr sagen kann, ich sehe dich, ich sehe, was da gerade in dir los ist.

00:59:27: Ich verstehe dich und wir machen das alles zusammen.

00:59:30: Also das hat uns wirklich ganz, ganz eng zusammengeschweißt.

00:59:33: Hattest du, seit du deine beiden Kinder hast oder seit der ersten Geburt, hattest du da nochmal das Bedürfnis, auf ungesunde Verhaltensweisen anzudocken?

00:59:44: Ja, also ich bin Raucher, das auf jeden Fall, das ist, das ist, irgendwann hat sich das wieder eingeschlichen.

00:59:49: Dann habe ich manchmal einfach Tage, wo ich nichts essen kann, so da bin ich ganz, eigentlich ganz froh, dass meine Kinder, also meine Große ist da immer, komm Mama, ne, das ist, die... Unterbewussten bebaut die das mit mir ein.

01:00:00: Wir setzen uns hin, wir essen was.

01:00:02: Du sitzt, stehst ja schon wieder in der Küche und ist nicht so.

01:00:04: Für sie ist das aber nicht okay, die Mama ist krank, sondern die Mama ist wieder beschäftigt.

01:00:09: Bei meinem Partner ist das auch so, dass der mich da ganz viel einbindet, hast du schon was getrunken, hast du schon was gegessen.

01:00:14: Also das ist, ich hab zum einen Rückhalt und es fühlt sich nicht mehr an wie eine Krankheit so.

01:00:20: Und dieses Ritzen, dieses ich tue mir weh komplett weg seit sechs Jahren.

01:00:25: Und Alkohol und Drogen.

01:00:27: Ja, drogen gar nicht mehr.

01:00:29: Gut, ich bin zum Party-Trinker mutiert.

01:00:31: Ohne die sich, ich hab dieses Existive Trinken sein gelassen.

01:00:33: Wenn man mal auf eine Feier ist, dann hat man mein Bier getrunken.

01:00:36: Und so seit zwei Jahren hab ich so das Gefühl, ich mach, braucht das gar nicht mehr.

01:00:38: Also ich trink noch nicht mal auf Feiern.

01:00:40: Ich werd zwar mal ein bisschen blöd angeguckt, wenn ich sag, ich hätte gerne Cola, ich trink das nicht.

01:00:44: Aber ne, seit zwei Jahren ist Ruhe.

01:00:49: Wenn du jetzt dein Ich... vor dir hättest, was zwölf Jahre alt ist, was gerade geschlagen wurde und so den ersten Faustschlag abgekriegt hat und daraus genommen wurde.

01:01:02: Und es sitzt dir jetzt gegenüber.

01:01:03: Was würdest du dem sagen?

01:01:04: Halt durch.

01:01:06: Halt durch.

01:01:07: Beiß dir Zähne zusammensucht, dir Hilfe, wo, wo, wo ich damals keine gesucht habe und halt um Himmelsfind durch.

01:01:13: Du weißt, weil es wird besser.

01:01:15: Es wird irgendwann, wirst du da ankommen, wo du hin möchtest.

01:01:19: Und ich weiß, der Weg ist hart, aber du musst durchhalten.

01:01:22: Was würdest du dem achtzehnjährigen Mädchen sagen, was gerade zu seiner Mutter gezogen ist, die das Kind aber weggegeben hat und gerade vor dir konsumiert?

01:01:33: Ganz dumm Entscheidungen.

01:01:34: Ganz, ganz dumm Entscheidungen, das lassen wir sein.

01:01:36: Wir suchen uns jetzt Hilfe, wir suchen jetzt die Hilfe, die wir brauchen und wir machen das nicht.

01:01:40: Das ist selbst zerstörerisch, das ist krank und das macht auch nicht in unserem Verzehrt-Weltbild Sinn.

01:01:46: So, such die Hilfe, du gehst vor die Hunde.

01:01:49: Auch wenn das die einzige Familie ist, die man selbst kennt.

01:01:52: Ja.

01:01:54: Familie beginnt und das musste ich erst lernen.

01:01:57: Nicht beim Blut.

01:01:58: Und sie hört nicht beim Blut auf.

01:01:59: Und auch das, was du an Familie hast, muss nicht unbedingt Familie sein.

01:02:02: Das muss nicht unbedingt gut sein.

01:02:06: Es gibt auch Familien mit Kindern, die sind nicht gut.

01:02:08: Und man sollte sich besser mit dem umgeben, was einem gut tut, anstatt an Dingen festzuklammern, die dich letzten Endes mit in den Ruinen treiben.

01:02:16: Und wenn du jetzt die Möglichkeit hättest, mit einem deiner Brüder zu sprechen, was würdest du denen gerne sagen?

01:02:23: Gar nichts, ich würde den einfach mit dem Arm nehmen und dem sagen, dass es mir unfassbar leid tut.

01:02:27: Ich würde den einfach festhalten und nie wieder loslassen.

01:02:30: Und versuchen ihm, ich kann seine Vergangenheit nicht ändern, aber ich kann ihm für die Zukunft jemand sein, an den er sich fänden kann, so anbieten einen Platz in meiner Familie zu finden und ihm diese Sicherheit geben, die er nie gehabt hat.

01:02:44: Was wünscht du dir für deine persönliche Zukunft?

01:02:47: Ich wünsche mir, weiterhin so gesund zu sein.

01:02:50: Ich wünsche mir, meine Kinder groß werden zu sehen.

01:02:53: Ein ganz, ganz wichtigen Teil in ihrem Leben.

01:02:55: Bei ihnen zu dürfen.

01:02:57: Ganz, ganz viele Erlebnisse mit ihnen.

01:03:00: Und für mich selber, das ist schwierig.

01:03:04: Mir was zu wünschen, weil eigentlich bin ich glücklich.

01:03:06: Also Gesundheit.

01:03:08: Wenn ich mir was wünschen dürfte, dann wirklich Gesundheit.

01:03:10: Mental und körperliche.

01:03:12: Danke dir für deine ehrliche und sehr selbstreflektierende Perspektive, die uns zu dir hier gezeigt haben.

01:03:18: Danke schön.

01:03:19: Wir wünschen dir alles Liebe und alles Gute für dich und deine Familie und deine Zukunft.

01:03:23: Danke schön.

01:03:26: Du willst selbst bei uns dabei sein oder hast einen Teamvorschlag?

01:03:29: Denn melde dich auf unserer Website oder unserer Social Media.

01:03:35: Wenn du von den besprochenen Themen betroffen bist oder Unterstützung benötigst, dann zögere nicht, Hilfen in Anspruch zu nehmen.

01:03:42: Hol die Unterstützung bei professionellen Hilfeinrichtungen oder dir vertrauten Personen.

01:03:47: Bis zum nächsten Mal bei von Bohne

01:03:50: zu Bohne.

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