Borderline - geboren aus Vernachlässigung, Einsamkeit und Gewalt #65 Michaela
Shownotes
Triggerwarnung: Diese Folge enthält Themen wie Gewalt in der Kindheit, Mobbing, Alkoholmissbrauch, Selbstverletzung und Suizidversuche. Bitte schaue oder höre sie nur, wenn du dich stabil genug dafür fühlst.
Michaela erzählt ihre erschütternde Geschichte: Eine Kindheit voller Gewalt, Isolation und 21 Umzüge, ein Jugendleben zwischen Mobbing, Alkohol und Selbstverletzungen, bis hin zu Klinikaufenthalten und der Diagnose Borderline-Persönlichkeitsstörung.
Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren Kindern und zeigt: Auch mit PTBS, Panikattacken und Borderline ist ein erfülltes Leben möglich. Ihr größter Antrieb: Den Kreislauf der Gewalt durchbrechen und ihren Kindern eine liebevolle Kindheit schenken.
Zeitstempel: 0:00 - 1:29: Intro & Triggerwarnung 1:39 - 2:55: Michaelas Kindheit 2:55 - 6:19: Stiefvater, Entfremdung von den Großeltern & erste Gewalt 6:19 - 9:47: Heiligabend, Gewalt & Schuldzuweisungen der Mutter 9:47 - 13:41: Schlüsselkind, Einsamkeit & Verwahrlosung 13:41 - 16:21: Mobbing in der Schule & Dyskalkulie 16:21 - 19:04: Gothic-Szene, erste Gewalt als Gegenwehr & Messer gegen den Stiefvater 19:04 - 22:40: Bruder, Bevorzugung & Enttäuschungen 22:40 - 26:13: Alkohol, Selbstverletzung & Suizidversuche 26:13 - 29:59: Auszug mit 17 29:59 - 33:36: Erste Beziehungen, finanzielle Sorgen & Suche nach dem Vater 33:36 - 37:39: Erstes Treffen mit dem Vater & die Wahrheit über die Mutter 37:39 - 41:12: Jugendamt, fehlender Schutz & abgefangene Post 41:12 - 46:41: Erste Klinikaufenthalte, Diagnose Borderline & PTBS 46:41 - 50:27: Leben mit Symptomen 50:27 - 55:01: Eigene Familie 55:01 - 59:23: Kindheit nachholen & Mutterschaft 59:23 - 1:00:55: Michaelas Botschaft 1:00:55 - Ende: Abschied & Hinweis auf Hilfsangebote
Borderline #PTBS #Trauma #Kindheitstrauma #Mobbing #PsychischeGesundheit #MentalHealthAwareness
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Transkript anzeigen
00:00:01: Ich weiß noch, ich habe einen Halligabend richtig den Hinterngehauen bekommen, weil ich mich nicht so verhalten habe, so wie es sein sollte.
00:00:07: Ich weiß nicht mal, was es war, ich wollte auf jeden Fall irgendwas nicht und da habe ich das erste Mal gemerkt, wie das ist, den Hinterngehauen zu kriegen.
00:00:15: Und sie sagte dann, na, haben wir uns wieder geritzt, die Diagnose war.
00:00:31: Wir möchten gewährleisten, dass du dich während des Höhrens unseres Podcasts wohl fühlst und keine unerwarteten Auslöser erlebst.
00:00:38: In dieser Episode werden wir Themen ansprechen, die für einige Höhren der Verstörend sein könnten.
00:00:43: Zu Beginn der Folge stellen wir das Thema vor.
00:00:46: Falls du denkst, dass das genannte Thema für dich persönlich belastend sein könnte, dann möchten wir dich bitten, die Folge direkt zu beenden.
00:00:55: Stell dir vor, du kommst in einen Raum, vor dir sitzt ein Mensch und du hast keine Ahnung, wer das ist.
00:01:00: Das passiert mir in jeder Folge bei unserem Podcast von Bohne zu Bohne.
00:01:05: Mein Name ist Charlotte und ich weiß vorher nichts über unsere Gäste.
00:01:08: Keine Name,
00:01:09: keine Information, keine Themen.
00:01:12: Also werden meine Fragen auch deine Fragen sein.
00:01:15: Ich bin Zania und ich suche die Gäste.
00:01:18: Hier achte ich darauf,
00:01:19: dass es Menschen mit
00:01:20: spannenden Persönlichkeiten und faszinierenden Erlebnissen sind.
00:01:24: Und genau die wollen wir mit euch teilen.
00:01:26: Bist du bereit, gemeinsam mit Charlotte neue Geschichten kennenzulernen?
00:01:35: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge.
00:01:37: Mein Name ist Charlotte.
00:01:38: Mein Name ist Zagne.
00:01:39: Ich bin Michaela und ich möchte über meine Borderline-Erkrankung sprechen, die ich aufgrund von Kindesmisshandlungen und Kindesvernachlässigungen bekommen habe.
00:01:47: Hi, Michaela.
00:01:48: Ein sehr, sehr starkes Thema.
00:01:50: Vielen lieben Dank, dass du dich uns heute hier anvertraust.
00:01:53: Was würdest du denn sagen, wo beginnt deine Geschichte?
00:01:55: Die Geschichte fängt eigentlich schon da an, ab meinem sechsten Lebensjahr.
00:02:00: Was ist da passiert?
00:02:02: Mit sechs Jahren?
00:02:04: Also es war eigentlich so, ich bin groß geworden mit der Aussage von meiner Mutter, dass sie sich von Geburt, also von Geburt an, von meinem Vater getrennt hat, dass sie alleinerziehend war.
00:02:18: Also ich war immer von Glauben, die ist alleinerziehend, mein Vater hat mir schon nichts von mir wissen.
00:02:23: Hast du Geschwister?
00:02:25: Ja, ich habe Vierhalb Geschwister.
00:02:27: Hast du die kennengelernt?
00:02:29: Also drei habe ich vorerst nicht kennengelernt.
00:02:34: Der eine Halbbruder, der kam im Alter von neun Jahren in mein Leben.
00:02:38: Meine Mutter hat damals, ja, da war ich sechs, jemanden Neues kennengelernt.
00:02:42: Und, ja, hat dann Neugeheiratet.
00:02:46: Lass uns noch mal ganz gerne zurück zu der Situation kommen, dass du gesagt hast, du dachtest, dein Vater will dich gar nicht.
00:02:52: Ich wollte immer dem glauben, dass er das meinen Vater nicht von mir wissen will.
00:02:56: Weil immer erzählt worden ist, er will nichts von dir wissen.
00:02:59: Der interessiert sich nicht für dich.
00:03:01: Der hat nichts für dich übrig.
00:03:04: Wie hat sich das angefühlt, als Kind so was zu hören?
00:03:06: Es war traurig, also es war schlimm.
00:03:08: Es war jolle.
00:03:10: Als sechsjährige dann einen Stiefvater zu haben.
00:03:14: Wie war das für dich?
00:03:15: Komisch.
00:03:17: Also ich hab ihn ja, das war ja so von der es auf klar ist, ich hab jetzt jemanden kennengelernt und damit musst du dich jetzt abfinden.
00:03:24: Hat deine Mama sich auch bemüht, dass ihr euch gegenseitig kennenlernt und erst mal wisst, wer ihr überhaupt seid und eine Beziehung zu den anderen aufbeigt?
00:03:30: Nein.
00:03:31: Das heißt also, er war von jetzt auf gleich einfach da.
00:03:33: Richtig.
00:03:35: Sie hat zwischen ein paar Mal mit ihm getroffen und dann war es dann so, wir ziehen jetzt von jetzt auf gleich zu ihm.
00:03:43: Aber als Kind ohne Vater aufzuwachsen, war da nicht vielleicht so etwas wie eine Freude, dass du endlich einen Stiefvater haben kannst, einen Vaterersatz haben kannst.
00:03:53: Ein bisschen schon, aber ich kam mir sehr überrumpelt vor, weil ich die Person ja gar nicht kannte.
00:03:58: Hat er denn Kinder?
00:04:00: Nein.
00:04:00: Das heißt also, er hatte auch keine Erfahrungen mit Kindern?
00:04:03: Nein, null.
00:04:04: Okay, war die Wohnung denn so weit möglich, dass ihr da einfach ohne weiteres einziehen hättet können?
00:04:10: Nein.
00:04:11: Also das war im Endeffekt was so, es war ein Schlafzimmer, es war ein Badezimmer.
00:04:17: Es war quasi in die Junggesellenwohnung, kann man sagen.
00:04:20: Ich habe im Wohnzimmer geschlafen, meine Mutter bei ihm im Schlafzimmer.
00:04:25: Und dann wurde sich dann eine neue Wohnung gesucht.
00:04:28: Und da habe ich schon mein Zimmer gehabt.
00:04:30: Okay.
00:04:31: Musstest du die Schule oder Ähnliches wechseln oder war das im Umgang?
00:04:34: Okay, wie war das für dich?
00:04:36: Ja, also ich war in der ersten Klasse und das war dann der Übergang in die zweite Klasse.
00:04:43: Und das war auch total rausgerissen.
00:04:48: Wie war denn deine Beziehung zu deiner Mutter zu dem Zeitpunkt, bevor ihr oder bevor sie ihren neuen Partner kennengelernt hat?
00:04:56: Eigentlich schon schwierig, weil er hat sich ja so schon nicht um mich gekümmert.
00:05:01: Ich bin ja in einem Haus groß geworden von meiner Ur-Oma.
00:05:05: Dort hat sie ja gelebt und hatte dort oben ein Zimmer.
00:05:09: Und die war ja immer arbeiten zu dem Zeitpunkt.
00:05:15: Ja, mein Opa, der hat mich dann halt immer von der Schule geholt.
00:05:18: Die haben sich halt darum gekümmert mit Essen, mit Versorgung halt.
00:05:24: Das heißt, du hattest auch eine enge Bindung zu deinen Großeltern?
00:05:27: Ja, ich hatte halt eine größere Bindung zu meinen Großeltern anstatt, zu meiner Mutter.
00:05:32: War dir das bewusst in dem Alter?
00:05:34: Ja.
00:05:35: Also, weil ja so eh die Zeit hatte, ne?
00:05:38: Die war immer weg.
00:05:41: Das heißt also, auch wenn du Sorgen oder Nöte hattest,
00:05:43: hast du
00:05:43: dich immer an deine Großeltern gewandt?
00:05:45: Richtig.
00:05:46: Wie war denn deine Beziehung zu deiner Mutter, als ihr dann bei ihrem neuen Partner eingezogen seid?
00:05:53: Sehr schlecht, also ich wurde für alles verantwortlich gemacht.
00:05:57: Für alles, also... Da ist irgendein Teller runtergefallen, dann hieß es, ich wär's schuld.
00:06:03: Also ich war dann immer die Böse.
00:06:06: Ich weiß noch, ich habe einen Halligabend richtig den Hintern gehoben bekommen.
00:06:11: Weil ich mich nicht so verhalten habe, so wie es sein sollte.
00:06:15: Ich weiß nicht mal, was das war, ich wollte auf jeden Fall irgendwas nicht und da habe ich das erste Mal gemerkt, wie das ist, ja.
00:06:22: Denne danke und zu kriegen.
00:06:24: Konntest du die enge Bindung zu deinen Großeltern noch da aufrecht erhalten?
00:06:27: Nein.
00:06:28: Wir sind komplett weiter weggezogen.
00:06:31: Also, fünfzig Kilometer weiter.
00:06:33: Das ist schon weit.
00:06:34: Hast du denn regelmäßigen Kontakten noch zu deinen Großeltern gehabt?
00:06:38: Bedingt.
00:06:39: Das heißt also, es war auch nicht möglich, dir mitzuteilen, wenn es dir nicht gut ging oder wenn du das Gefühl hattest, du hast hier niemanden.
00:06:45: Ich
00:06:45: hab niemanden.
00:06:47: Du hast gerade von dieser Situation an Heilig Abend gesprochen.
00:06:50: Kannst du dir ein bisschen... besser erklären, wie das für dich war.
00:06:54: Also
00:06:55: ich war sehr traurig, schockiert und entsetzt, weil ich so was nicht kannte.
00:06:59: Gewalt?
00:07:00: Ja.
00:07:00: Ich kann das absolut nicht.
00:07:02: Also ich weiß nur, der ist ausgerastet und hat dann ja auf mich eingeschlagen.
00:07:07: Wie hat deine Mama da reagiert?
00:07:10: Die hat mich noch mit verantwortlich gemacht und hat das dann noch quasi unterstützt und hat mir noch Vorwürfe gemacht.
00:07:17: Das ist jetzt dir die Schuld gegeben?
00:07:19: Ja.
00:07:19: und hat ihn im Prinzip der Unterstützung seiner Handlung.
00:07:23: Ich weiß nur, ich habe gesagt, ich finde das nicht schön, das macht mich traurig und hat sie gesagt, ja dann sollst du dich, da musst du dich dann halt benehmen.
00:07:29: Was ist da denn genau in dir vorgegangen, als du das gehört hast?
00:07:33: Ich glaube, in dem Moment ist mir bewusst geworden, das Leben läuft jetzt komplett anders.
00:07:39: Komplett.
00:07:40: Das war jetzt der erste Zeitpunkt oder das erste Mal, dass dir Körper hier gewaltwiederfahrend
00:07:45: ist.
00:07:46: Wie hat sich das denn im Verlauf der Jahre verändert?
00:07:49: Es wird schlimmer.
00:07:51: Ich muss dazu sagen, ich habe ja, sie ist öfters noch weiter umgezogen.
00:07:56: Ich bin ja insgesamt ein, zwanzigmal umgezogen.
00:07:59: In welchem Zeitraum?
00:08:01: Das ging vor meinem Sitten.
00:08:05: Ja, so ungefähr bis zu meinem vierzehn, fünfzehn Lebensjahr.
00:08:08: Ist ja das Jugendamt nicht aufmerksam drauf geworden?
00:08:11: Ich weiß, ich war bekannt beim Jugendamt, aber das hat so einen nicht so interessiert.
00:08:18: Ja, wir gingen das weiter.
00:08:20: Wir hatten über die Gescheit gesprochen, wie die sich verändert hat.
00:08:23: Ja, das hat sich verändert.
00:08:25: Meine Mutter, die ist schwanger geworden.
00:08:28: Noch mal.
00:08:29: Da war ich neun.
00:08:31: Da gibt es eine Situation.
00:08:34: Da hatte ich in der Schule ... Ich war in der Schule.
00:08:37: Ich hatte einen Schlüssel dabei.
00:08:39: Ein Haustür-Schlüssel.
00:08:40: Das war an dem Tag, wo mein Heilbruder geboren worden ist.
00:08:44: Ich war ein Schlüsselkind und ich habe ein Schlüssel vergessen.
00:08:48: Und zu dem Zeitpunkt gab es ja keine Handys oder Telefone, wo ich hätte irgendwie telefonieren können.
00:08:55: Und ich wollte eigentlich zu der Nachbarin gehen.
00:08:57: Das war ein ganz Lieber.
00:08:59: Und die Wand ist da.
00:09:00: und dann saß ich in der Treppe und hab dann einen Plastikstück gefunden auf dem Boden.
00:09:03: Hab versucht die Tür aufzumachen.
00:09:06: In meiner Verzweiflung, weil ich saß halt im Treppenhaus.
00:09:08: Ich hatte Hunger, ich hatte Durst.
00:09:10: Ja, und dann irgendwann kam dann meine Mutter nach Hause mit dem Baby und ... hat dann gemerkt, dass ich versucht habe, die Türe aufzumachen und saß auch im Treppenhaus.
00:09:24: Er hat mir wahnsinnige Vorwürfe gemacht, um mich angemeckert und alles, weil sie den Schlüsseldienst rufen musste.
00:09:31: Und da sind die dann zu meinem damenigen Stiefvater zu den Eltern gefahren.
00:09:37: Und ja, es wurde dann natürlich gemäckert, geschimpft, geschrien, wie das halt so war.
00:09:44: Und die hat mich dafür verantwortlich gemacht.
00:09:47: Wegen dir musste wir im Treppenhaus warten und konnten den Baby nix zu essen geben.
00:09:53: Du warst da, wie alt?
00:09:54: Neun.
00:09:56: Fällig.
00:09:56: normal, dass ein neunjähriges Kind auch mal den Schlüssel verliert oder vergisst.
00:10:01: Ich hatte, glaube ich, mit neun noch gar keinen Schlüssel.
00:10:04: So was darf man von einem Kind gar nicht erwarten.
00:10:06: Ja.
00:10:07: Was ist in dem Moment in dir passiert?
00:10:09: Ich war traurig.
00:10:11: Also das hat mich total... runtergerissen, ne?
00:10:15: Also ich habe das versucht zu erklären und alles, aber das war egal.
00:10:19: Konntest du eine gute, enge Bindung zu deinem Bruderaufbau?
00:10:22: Nein.
00:10:22: Wieso?
00:10:23: Weil er mit der Zeit aufgescharrelt worden ist.
00:10:29: Heißt, er durfte mich pysacken und hauen und schlagen und wenn ich mich gewährt habe, war das in Ordnung.
00:10:36: Also es war in Ordnung, wenn er mich gepysackt hat, wenn ich mich gewährt habe, war es überhaupt nicht in Ordnung.
00:10:42: Er ist ja um einiges jünger als du.
00:10:44: Das heißt also, du warst ihm ja körperlich total überlegen eigentlich.
00:10:48: Eigentlich.
00:10:49: Aber wenn ich das gemacht hätte, habe ich dafür Schmiss bekommen.
00:10:53: Von meinem damaligen Stiefvater.
00:10:56: Ging die Gewalt immer von deinem Stiefvater aus?
00:10:58: Ja.
00:10:59: Ab und zu auch von meiner Mutter.
00:11:01: Aber meine Mutter, die war da noch ... Ja, wie soll ich sagen?
00:11:05: Die war da halt noch recht.
00:11:07: freundlichen Anführungszeichen.
00:11:09: Was
00:11:09: bedeutet freundlich im Sinne von Gewalt?
00:11:12: Freundlich, ja diese Gemeinheiten, die sie gemacht hat, war zum Beispiel in der Schule, dann hat sie einen Anruf gegeben, ich hatte ja dann ein Handy irgendwann, und dann sagte sie so, sie hat dann aus der Laune raus meinen Kleiderschrank einfach ausgeräumt und dann die Klamotten auf den Berg geschmissen und hat dann gesagt, ich hab dein Kleiderschrank ausgeräumt, du kannst jetzt aufräumen.
00:11:34: Also das war noch nett.
00:11:36: Oder sie hat mich dann mit den Händen, also mit den zwei Fingern zwischen das Kinn gepackt und hat dann ja mich angemackert.
00:11:46: Also das war eigentlich nur freundlich im Gegensatz zu dem, was ich vor meinem Stiefvater bekommen habe.
00:11:51: Mein Stiefvater, der hat ja regelrecht auch nicht eingebrügelt.
00:11:55: Das war ein Schlappen meistens, ein Schlappen hat er auch meistens geschmissen, dann ist er hinter mir hergerannt und hat wirklich auf mich eingeschlagen.
00:12:04: Waren die Blessuren äußerlich sichtbar, sodass die Lehrkräfte hätten das bemerken können?
00:12:09: Also ich weiß, ich hatte mal, also öfters, eine schlechte Not in Mathe und ich kam öfters mit einer dicken Lippe in die Schule.
00:12:22: Ich habe das aber versucht auch zu überschminken, das muss ich dazu sagen.
00:12:27: Aber ich habe teilweise echt die Blessuren noch, also du konntest das schon sehen, dass da etwas aufgeplatzt ist.
00:12:35: Aber irgendwie so gefragt oder nachgehakt hat irgendwie nie jemand.
00:12:40: Sind denn deine Mutter auch zu Elternsprechtagen oder ähnliches begangen?
00:12:45: Nein.
00:12:46: Das heißt also Lehrkräfte hätten es eigentlich, wenn sie gewollt hätten, durchaus es erkennen können und dir helfen können.
00:12:52: Ja.
00:12:53: Machst du da Lehrkräften einen Vorwurf?
00:12:56: Nee.
00:12:57: Nee, weil ich weiß auch nicht.
00:13:00: wie die hätten mir helfen können, weil das ist ja meistens immer so gemacht worden, dass man das von außen gar nicht so mitbekommt.
00:13:07: Naja, körperliche, wenn du sagst, das körperliche Bullisoren, die man von außen gesehen hat und gerade dann, wenn du schlechte Noten nach Hause gebracht hast, dann ist das ja schon mal ein Warnsignal, wenn sie nicht zu Eltern-Sprechtagen gehen.
00:13:18: Ist das das nächste Warnsignal?
00:13:19: Das
00:13:19: habe ich auch gar nicht mehr so wahrgenommen, dass das überhaupt wichtig ist.
00:13:22: Also ich kannte das auch nicht, dass das wichtig ist oder so.
00:13:26: Ich habe das Verhalt immer noch von den Klassenkameraden mitbekommen, dass sie da waren, aber für mich war das so normal.
00:13:32: Die gehen ja eh nie dahin, die haben ja eh nie Zeit.
00:13:34: War denn von außen eine Art von Verwahrlosung zu sehen bei dir?
00:13:39: Ich weiß es so gar nicht.
00:13:42: Also ich persönlich als Kind habe ja immer versucht, dass ich ordentlich rumrenne.
00:13:46: Klar kam es gab es Winter, wo ich gesagt habe, ich hätte gern andere Schuhe.
00:13:50: Ja, das hat auch dann ein bisschen funktioniert.
00:13:53: Teilweise weiß ich noch, wir hatten Winter und ich hatte Sommerschüchen an.
00:13:58: Sommerschleppchen hat meine Mutter immer gesagt.
00:14:01: Und ich wollte dann neue Schuhe.
00:14:03: Ich musste zwar betteln und flehen, aber ich habe sie bekommen.
00:14:06: Das, was du gerade beschrieben hast, das zeigt ja ganz deutlich, dass du gar kein sicheres Zuhause, gar kein Safe Space hattest.
00:14:13: Wie war das denn mit der Schule?
00:14:14: War das eine Art Auszeit für dich, wo du dich sicher fühlen konntest?
00:14:19: Nein.
00:14:19: Auch nicht, weil ich Mobbing-Opfer war.
00:14:21: Wer hat dich gemobbt?
00:14:22: Meine Klassenkameraden.
00:14:24: Kannst du uns das näher beschreiben?
00:14:27: Ich war ja schon immer dick.
00:14:29: Dann hieß es so deutsche Panzerrollen wieder.
00:14:32: Dann habe ich eigentlich gelockte Haare, du Klubürstenkopf, Miss Piggy.
00:14:38: Hast du dich dagegen gewährt?
00:14:41: Anfangs gar nicht.
00:14:43: Also Anfangs habe ich mir das noch gefallen lassen.
00:14:47: Ich weiß, es gab eine Situation in meinem Leben.
00:14:49: Ich habe einen Steißband-Abstest gehabt.
00:14:51: Was ist das?
00:14:53: Das ist... Wie eine Wucherung.
00:14:55: Okay, und die war direkt am Steißbein.
00:14:57: Richtig.
00:14:58: Und
00:14:58: die hatte ich beeinflusst beim Sitzen, beim Gehen?
00:15:00: Richtig,
00:15:00: und es musste operiert werden.
00:15:03: Und das ist dann operiert worden und alles.
00:15:05: Ich kam dann wieder in die Schule, es mushte halt noch eine Wundauflage drauf.
00:15:09: Und wir hatten eine Englischarbeit geschrieben.
00:15:13: Und da guckte von diese, diese, diese Mulbene, guckte hinten raus.
00:15:18: Und dann saß eine Mitschülerin da und hat das dann... Fingern laut an zu lachen, zeigte mit dem Finger drauf und sagte, ja, gucke die Michaela mal an.
00:15:28: Die hat eine Binde da.
00:15:30: Und die ganze Klasse hat geguckt und hat gelacht.
00:15:32: Das war mir superheimlich.
00:15:35: Ich bin dann heulen daraus gerannt.
00:15:37: Das war das Schlimmste für mich.
00:15:38: Haben Lehrkräfte das nicht mitbekommen?
00:15:41: Ich glaube, in dem Moment haben sie das wirklich ignoriert.
00:15:44: Und grundsätzlich haben sie das mitbekommen, wie es sie da ging?
00:15:49: Ich glaube, da würde ... Trüben weggeguckt.
00:15:53: Und die schulischen Leistungen hatten die darunter gelitten?
00:15:56: Es ging.
00:15:57: Also in Mathe hieß es immer, ich war stinkenfaul.
00:16:00: Dabei habe ich eine Magde des Kalkuli.
00:16:02: Also ich kann dafür gar nix.
00:16:04: Ja, bis das das dann psychologisch begutachtet worden ist, hieß es dann immer, ich wäre in Mathematik faul.
00:16:10: Immer.
00:16:11: Vom Schulleiter damals.
00:16:13: Der auch mein Mathematik-Lehrer war.
00:16:15: Wie lange hielt es mal Bing an?
00:16:17: Bis zur neunten Klasse.
00:16:22: Ja bis zur neunten Klasse und das ging dann weiter bis über die Berufsschule.
00:16:27: Ja.
00:16:27: Das heißt auch in der Berufsschule wurdest du gemockt?
00:16:30: Ja.
00:16:31: Wobei ich aber sagen muss, ich fing dann irgendwann an in die Golfweg-Szene zu rutschen.
00:16:37: Somit.
00:16:39: Elf, zwölf.
00:16:40: Und was hat das für einen Unterschied für dich ausgemacht?
00:16:43: Ich bin nicht wie die anderen.
00:16:45: Ich bin nicht wie die anderen.
00:16:46: Also es wurde dann irgendwann dadurch durch die Kleidung, wurde dann so langsam mehr so, ich bin nicht wie ihr.
00:16:54: Ich bin keine Herde, so wie ihr.
00:16:55: Ich laufe nicht mit.
00:16:57: Das heißt, du konntest dich abkapseln und es war für dich okay, dass du so ein Lonely-Stander warst, weil für dich eine klare Identität von außen auch ersichtlich war, dass das ihr seid anders als ich?
00:17:08: Richtig.
00:17:09: Würdest du auch sagen, dass dann das offensichtliche Mobbing abgenommen hatte von außen?
00:17:13: Stück
00:17:13: für Stück.
00:17:15: Ich muss aber auch dazu sagen, ich habe irgendwann angefangen, mich zu wehren, indem ich dachte, Gewalt ist der Weg.
00:17:21: Inwieweit hast du Gewalt angewendet?
00:17:25: Wenn ich geschlagen worden bin, habe ich mir das lange angeguckt und habe dann irgendwann zurückgeschlagen.
00:17:30: Aber das heißt du warst nicht die erste Instanz, die die Gewalt gesucht hat?
00:17:33: Nein.
00:17:34: Okay, das heißt also, das Mobbing war nicht in Anfangszeichen nur verbal, sondern es wurde auch körperlich.
00:17:43: War das dann auch in der Schulzeit so vor der Berufsschule?
00:17:47: Ja, also da fing ich da so langsam mit an.
00:17:50: Ich schwere mich jetzt, ich fange jetzt an.
00:17:52: Wie hat sich das für dich angefühlt?
00:17:54: Also ich fand es toll, ich habe dann irgendwann mein Respekt bekommen.
00:17:58: Hattest du das Gefühl, dass du dadurch mehr Selbstbewusstsein erlangt hattest?
00:18:03: Ja, weil ich kannte ja nichts anderes.
00:18:07: Ich war ja zum einen, ich war ja anders gekleidet, ich habe andere Musik gehört und da war ja schon so eine gewisse Distanz.
00:18:16: Aber wenn die dann angefangen haben, wieder so über mich zu lachen, dann ist auch bei mir teilweise echt eine Sicherung durchgebrannt.
00:18:24: Hattest du das Gefühl, wenn du diese Gewalt angewendet hattest und sie war wirksam, hattest du das Gefühl, dass du das auch bei deinem Stiefwarte hättest anwenden können?
00:18:33: Ja, also ich stand irgendwann, ich glaub so mit fünfzehn, fünfzehn oder sechzehn, der hat wieder die Hand gehoben, dann stand ich auf der zweiten Treppenstufe, der hat ein Treppenhaus.
00:18:48: und habe den Messer an den Hals gehalten und habe gesagt, du machst das nie wieder mit mir.
00:18:54: Wer hat der reagiert?
00:18:56: Der war total schocken, also der hat gar nicht damit gerechnet.
00:18:59: Das heißt, du hattest dich schon bewaffnet mit dem Gedanken, ich brauche es gegenüber ihm oder gegenüber auch anderen Menschen?
00:19:06: Nein,
00:19:07: gegenüber ihm, weil er mich jahrelang psychisch kaputt gemacht hat.
00:19:11: Er ist ja wirklich, er hat ja richtig psychoterror begangen.
00:19:14: Weihnachten.
00:19:16: waren so Sachen wie, ja du kriegst nur materielle Dinge geschenkt und Weihnachten war für mich eigentlich immer nicht das Fest der Liebe, sondern das Heuschlafest, habe ich das immer genannt, weil ich habe das ganze Jahr keine Liebe bekommen.
00:19:32: Und was ist da an Weihnachten?
00:19:35: Was ist daran schön?
00:19:36: Gar nichts.
00:19:37: Und ja, ich habe materielle Sachen bekommen und es ging am nächsten Tag wieder so weiter wie sonst.
00:19:46: Lass uns doch mal zur Situation zurückkommen mit deinem Stiefvater und dem Messer.
00:19:50: Hat deine Mutter das mitbekommen?
00:19:51: Nein, sie war arbeiten.
00:19:53: Und dein Bruder?
00:19:54: Mein Bruder weiß ich gar nicht, wo der war.
00:19:57: Hat sie später oder hatte dein Stiefvater die Situation später erklärt?
00:20:02: Nein.
00:20:03: Das heißt also, er hatte... Also ich würde Sie jetzt mal so beurteilen, dass er das Gefühl von Machtgefälle dadurch verloren hatte und dass deiner Mutter nicht sagen wollte, um sein Gesicht zu warnen vor ihr.
00:20:14: Richtig.
00:20:15: Das sieht
00:20:16: sich noch bis heute.
00:20:18: Das heißt, ihr habt noch Kontakt?
00:20:19: Nein.
00:20:19: Okay.
00:20:21: Wie hat sich das Machtverhältnis dann verändert zwischen euch beiden?
00:20:25: Er hat mir dann nachher nur noch getroht.
00:20:28: Er hat mir nachher nur noch getroht und hat sich auch nicht mehr gewagt, mir irgendwie Sachen wegzunehmen oder oder.
00:20:35: Hat deine Mutter diesen Unterschied festgestellt?
00:20:38: Nein.
00:20:39: Du hattest ja jetzt schon beschrieben, dass dein Bruder eine ganz andere Stellung in der Familie genießen durfte.
00:20:46: Inwieweit hat sich das ausgewirkt auf eure Erziehung?
00:20:50: oder wie hat sich das gezeigt, je älter der Bruder wurde?
00:20:55: Also er ist sehr unsabständig.
00:20:57: Er hat zum Beispiel einen Führerschein, den durfte er sehr früh machen.
00:21:01: Er hat auch einen Rollerführerschein.
00:21:03: Und mir wurden halt immer leere Versprechungen gemacht, du darfst ein Mova Führerschein machen, dann hießest du kannst ein Autoführerschein machen und ... Nächst, ich hab dann irgendwann mit achtzehnt versucht ein Führerschein zu machen.
00:21:17: Und ... ich bin von der Fahrschule abgezogen worden.
00:21:21: Wieso das?
00:21:22: Weil ... ich hab ... ah, die Hs immer wachsen, ein Alter mitunter.
00:21:26: Und ich war noch nicht auf Medikamente.
00:21:29: Und einen Tag ... Bevor die Papiere abgelaufen sind, durfte ich die Prüfung machen und habe nicht bestanden.
00:21:36: Und ich war noch ganz jung und ich wusste nicht, dass du die Papiere verlängern kannst.
00:21:43: Ich bin zu dem Zeitpunkt mir mit siebzehn und halb ausgezogen und ja, da saß ich dann da, mit einem großen Werk schulden.
00:21:52: Hätte mein Personalausweis damals mitgenommen der Prüfer und dann saß ich da.
00:21:58: Ich hätte, ich habe hundertmal gefragt, ob ich Prüfung machen darf.
00:22:01: Nein, nein, nein, du bist noch nicht so weit.
00:22:03: Ja, und dann war das dann der brennende Punkt, dass ich dann da stand und habe nicht bestanden.
00:22:11: Du hast gerade gesagt, dein Bruder ist unselbständig.
00:22:13: Kannst du erklären oder beschreiben, inwieweit er unselbständig ist?
00:22:17: In allem.
00:22:18: In allem.
00:22:18: Also er weiß nicht, wie das ist zu arbeiten.
00:22:21: Ich habe er mit sechszehn Jahren, habe ich ein einjähriges Praktikum gemacht, in einem Wohnheim für behinderte Menschen, um mir mein Taschengeld zu verdienen, weil ich habe auch kein Taschengeld bekommen.
00:22:30: Er hat ja noch nie in seinem Leben gearbeitet.
00:22:32: Also er hat nicht gearbeitet, der ist faul, der kann keine Wäsche waschen, der kann noch nicht.
00:22:39: mein Haushalt finde, kann gar nichts und ich muss sehr schon ganz früh Verantwortung tragen.
00:22:43: Ich muss sehr schon mit neun Jahren auf ihn aufpassen.
00:22:46: Hast du heute noch Kontakt zu deinem
00:22:47: Bruder?
00:22:47: Nein.
00:22:48: Aus dem Grund, weil meine Erzeugerin ihn von klein auf geimpft hat.
00:22:55: Die hat ihn von klein auf geimpft.
00:22:57: Er hat so eine Wahrnehmung, dass er heute noch davon fest überzeugt ist, dass er mit mir in der Berufsschule saß und alles mitbekommen hat.
00:23:07: Das verstehe ich nicht.
00:23:09: Ja, so, wenn ich erzähle, dass ich gemuppt worden bin und Sachen erzähle, da sagt er, das ist doch nicht wahr.
00:23:16: Ach so.
00:23:16: Und wir hatten auch damals ein Hund gehabt und den hat er dann komplett alleine erzogen.
00:23:23: Das heißt also, in seiner Wahrnehmung war er auch in der Bugenschule mit gesessen und hättest gesehen.
00:23:29: Richtig.
00:23:30: Okay.
00:23:30: Das ist hier verrückt.
00:23:31: Aber er ist doch heute erwachsen.
00:23:32: Er kann es doch richtig.
00:23:33: Richtig.
00:23:33: Der ist jetzt, boah, ich lasse immer Mitte zwanzig sein.
00:23:39: Okay.
00:23:39: Und du glaubst, dass er das heute immer noch denkt?
00:23:41: Ja,
00:23:42: ist immer noch so, weil halt verschiedene Sachen passiert sind, wie die wissen ja, dass ich Social Media mache und... Er hat mich dann auch öffentlich beschimpft mit diesen Argumenten, wo er immer noch von ausgeht.
00:24:01: Und ich kann auch, das ist wie wenn ich gegen eine Wand rede.
00:24:04: Das bringt nichts.
00:24:05: Der wohnt auch bei meiner Erzeugerin.
00:24:07: Also die sind wirklich, ja, safe, sage ich immer.
00:24:13: Mit all dem Schmerz, was dir widerfahren ist in der Schule, im Elternhaus, von deinem Bruder, auch wenn es dein Heilbruder ist, Wie hast du das geschafft?
00:24:22: Wie hast du dich betäubt und diesen Schmerz, dieses Leid zu ertragen?
00:24:26: Ich habe früh angefangen, Alkohol zu konsumieren und fing dann an, mich selber zu verletzen.
00:24:32: Wie hat sich das gezeigt?
00:24:35: Ich habe das Fing schon... Ja, so mit vierzehn und fünfzehn fing das an.
00:24:42: Da fing ich dann an, mich selber zu verletzen.
00:24:46: Mit diversen Spitzen Gegenständen.
00:24:49: Waren die es sichtlich, deine Verletzungen?
00:24:52: Hat der jemand was gesagt oder gefragt?
00:24:54: Nein, also es war da meistens hier oben.
00:24:58: Also am oberen?
00:24:59: Ich muss dazu sagen, ich habe die Narben immer sehr gut gepflegt.
00:25:02: Ich habe das aber auch teilweise überpudert.
00:25:06: Das ging teilweise so schlimm, dass ich da Nagelackentferner noch auf die frischen Runden geschüttet habe.
00:25:13: Was wolltest du damit bezwecken?
00:25:16: Ich um mich selber zu spüren, weil ich so leer war, so depressiv war, dass ich gar nichts mehr konnte.
00:25:25: Ich habe mehrere Suizidversuche hinter mir.
00:25:28: Meine Erzeugerin, die wusste das, die hat das gesehen.
00:25:34: Und sie sagte dann, na, haben wir uns wieder geritzt.
00:25:38: Und das hat mich dann irgendwann kalt gelassen, diese Sprüche, weil ich ganz genau irgendwann gemerkt habe, das interessiert die gar nicht, dass dieser Hilfeschrei, das juckt die gar nicht, wie es mir geht.
00:25:51: Und so fing das dann an, wirklich wie bei einem Alkoholiker zu sucht zu werden.
00:25:58: Das Ritzen
00:25:59: und
00:25:59: auch der Alkohol?
00:26:01: Ja, der Alkohol, von dem Ninzig Prozent meistens, wenn ich depressiv war.
00:26:06: Um irgendwie diese Stimmen im Kopf, die ich habe, das alles überhaupt zu ertragen.
00:26:13: Meinst du mit Stimmen deine Gedanken?
00:26:15: Ja, die negativen Gedanken.
00:26:17: Also keine Stimmen, die du hörst.
00:26:19: Nein.
00:26:20: Also in dem Moment bekommt mein Kopf das nicht gefiltert.
00:26:23: Und ich denke dann, das enthalten meine Gedanken.
00:26:26: Wann hast du für dich richtig gemerkt?
00:26:29: so, okay, vielleicht ist das alles sehr, sehr viel, was hier passiert.
00:26:33: Ich muss hier gehen.
00:26:34: Ich muss hier weg.
00:26:35: Das war mit siebzehn halb.
00:26:38: Weil ich das einfach nicht mal ausgehalten habe.
00:26:41: Was hast du dann gemacht?
00:26:42: Ich habe mit gut Glück meinen ersten Freund gehabt.
00:26:46: Und ich habe mir dann... eine Wohnung gesucht.
00:26:50: Ich bin vorübergehend bei einem Kumpel untergekommen und habe mir dann eine eigene Wohnung gesucht mit meinem ersten Freund.
00:26:59: Und du warst da schon in der Großschule.
00:27:01: Das heißt, du hast eine Ausbildung gemacht und hattest schon etwas Geld?
00:27:04: Ja, das war so der Anfang.
00:27:06: Ich bin quasi wirklich mit nichts in eine vuläre Wohnung rein und habe dann ja den Rest beantragt, damit ich Unterstützung bekommen vom Arbeitsamt damals.
00:27:22: habe mein Kindergeld umgeleitet von meiner Erzeugerin aus, dass ich das Kindergeld noch bekomme und mein bisschen Lohn, den ich hatte, um meine Miete zu bezahlen.
00:27:35: Wie hast du das deiner Mama gesagt?
00:27:37: Das war ganz, ganz krass.
00:27:41: Ich habe mir fünf Taschen gepackt und habe meine Erzeugerin den Schlüssel gegeben und habe gesagt, ich komme jetzt nie wieder.
00:27:50: Sie hat das Trennen in den Augen gehabt.
00:27:53: Heute weiß ich, dass wir an gespielte Tränen.
00:27:55: Und sie sagt, wohin willst du?
00:27:56: Ich sag, ich zieh jetzt aus.
00:27:57: Ich sag, ich komm nie wieder.
00:28:00: Und das war Fakt bis heute.
00:28:03: Ich bin nie wieder mein Elternhaus.
00:28:06: Hat dein Bruder das mitbekommen?
00:28:08: Ja.
00:28:08: Wie
00:28:08: hat er reagiert?
00:28:11: Vorwürfe.
00:28:12: Es wurde nachher gesagt, ich bin einfach so ausgezogen.
00:28:16: Und ich hätte das Zimmer wie einem Dreckstall hinterlassen.
00:28:20: Und heute denke ich so darüber nach.
00:28:24: Ich habe das verdient gehabt, das Zimmer sauber zu machen.
00:28:27: Ich habe mein ganzes komplettes Zimmer geräumt gehabt mit Kisten.
00:28:30: Und ich wollte das auch nicht mehr sauber machen, weil ich habe ja jahrelang einen Haushalt gemacht und alles.
00:28:38: Und ja, sie hat sich halt aufgeregt wegen einem Zimmer.
00:28:42: Also, sie hat mir dann halt Vorwürfe gemacht.
00:28:45: Er hat mir dann auch Vorwürfe gemacht.
00:28:47: Im Endeffekt haben die das Gleiche gesagt und war okay.
00:28:52: Und dein Stiefvater weißt du, wie er reagiert hatte?
00:28:55: Ich weiß gar nicht, ob der das gefallen hat.
00:28:57: Ich kann das bis heute nicht sagen.
00:29:01: Weil die sind dann nachher eh vorübergehend an die Nordsee gezogen.
00:29:06: Und das heißt, im Endeffekt habe ich Glück gehabt, weil sonst hätte ich ja, wenn ich mitgezogen wäre, hätte ich dann irgendwann da oben fest gesessen.
00:29:14: Als du dann in deine Wohnung gekommen bist mit deinem Sack und Pack, wie hat sich das für dich angefühlt?
00:29:20: Also es war komisch.
00:29:21: Es war wie Freiheit.
00:29:24: Aber es war sehr schwer für mich.
00:29:27: Also ich sage heute noch, ich war zu jung dafür.
00:29:30: Ich war einfach zu jung, aber es blieb mir nichts anderes übrig.
00:29:35: Was war besonders hart?
00:29:37: Über die Runden zu kommen oder einen Konturauszug auszufüllen, weil mir das niemand gezeigt hat.
00:29:43: Du meinst eine Überweisungsträge?
00:29:44: Richtig.
00:29:46: Aufzustehen, also für die Arbeit.
00:29:48: Du gehst jetzt zur Arbeit, du musst Geld verdienen.
00:29:52: Wasser kosten, Strom.
00:29:54: Hördest du sagen, du hast am Existenzminimum gelebt?
00:29:57: Ja.
00:29:57: Definitiv.
00:29:59: Definitiv.
00:30:02: Aber es blieb mir nichts anderes über.
00:30:04: Entweder überlebst du oder du gehst in dein Elternhaus zurück.
00:30:08: Und das wollte ich nicht.
00:30:09: Hattest du das Gefühl, dass du mental zur Ruhe kommen konntest?
00:30:14: Also es ging, weil ich bin ja auch arbeiten gewesen und musste für die Schule lernen.
00:30:20: Und hatte dann zu dem Zeitpunkt dann irgendwann einen Partner gehabt, der auch noch depressiv war.
00:30:26: wo ich dann das erste Mal von Depression gehört habe.
00:30:29: Wie hat sich dein Verhalten bezüglich deines Alkoholkonsums und deiner Selbstverletzung verändert, als du ausgezogen bist?
00:30:37: Es wurde schlimmer.
00:30:38: Also es ging erst mal eine Zeit lang gut und dann wurde es schlimmer, nachdem ich gemerkt habe, dass das mit meinem Partner zu Ende ging, weil wir uns auseinandergelehnt haben.
00:30:51: Wir hatten ja... Ungefähr zwölf Jahre Altersunterschied.
00:30:56: Oh, das ist viel.
00:30:57: Ja.
00:30:58: Und du warst ja eigentlich auch noch minderjährig.
00:31:00: Ja.
00:31:01: Das ist krass.
00:31:02: Da hat ja keiner irgendwas signalisiert oder
00:31:04: so?
00:31:04: Also mit achtzehn.
00:31:06: So ungefähr mit achtzehn haben wir uns kennengelernt.
00:31:07: Ach
00:31:07: so, ich dachte siebzehn
00:31:08: und halb so.
00:31:08: Da ging es noch.
00:31:09: Da ging es noch.
00:31:10: Also.
00:31:11: Okay.
00:31:11: Aber
00:31:12: das war halt, ne?
00:31:14: Er war halt älter, ne?
00:31:15: Und das hat sich dann echt auseinandergelebt.
00:31:18: Okay.
00:31:19: Deine Selbstverletzung, wie haben die sich oder hat sich das für dich über die Zeit verändert?
00:31:24: Ja, also es wurde halt wieder mehr, als ich mit ihm außen, also mit meinem ersten Freund auseinander ging.
00:31:32: Wie habt ihr euch getrennt?
00:31:34: Wir haben beide gemerkt, dass es nicht mehr funktionierte.
00:31:39: Wir sind im guten Auseinander.
00:31:42: Ich hatte dann diverse Partner, wo ich dann immer dachte, ja, das ist die große Liebe, aber das war dann meistens... Katastrophe, Vollkatastrophe.
00:31:57: Und da fing es dann wieder an.
00:32:00: Vermehrt.
00:32:01: Wie hast du das denn finanziell gemacht, dich dann da alleine so durchzuboxen?
00:32:04: Denn eine Wohnung finanziert sich ja nicht von alleine.
00:32:06: Wenn man zu zweites kann man kosten teilen.
00:32:08: Aber mit einem Azubi-Gehalt ist das ja nicht besonders einfach.
00:32:12: Ja, und ich hab die Miete geteilt.
00:32:13: Ja, aber er ist ja dann ausgezogen.
00:32:15: Nein,
00:32:15: wir sind in der Wiege jetzt später zusammengezogen.
00:32:17: Okay, verstehe.
00:32:20: quasi auch wusste, dass ich so keinen habe.
00:32:25: Und da fing das dann auch an, so noch ein bisschen so zwei Jahre zurück, so mit achtzehn, wo ich dann noch langsam anfing, mein Vater zu suchen.
00:32:37: Das heißt also, mit dem wegfallenes Partner, das ist bei dir aufgeklungen, dass du eigentlich deinen Vater kennenlernen wolltest.
00:32:46: Fast richtig.
00:32:48: Das fing schon an, wo ich ausgezogen bin.
00:32:50: Also da fing das an, ja, irgendwas stimmt nicht.
00:32:55: Irgendwas, ja, man den habe ich schon gesucht.
00:33:00: Wie hast du ihn gesucht?
00:33:01: Ich bin tatsächlich, ich wusste so ungefähr, wo er wohnt und habe dann das Einwohner-Meldeamt kontaktiert mit ein paar dummen Ausreden, aber so habe ich dann die Adresse rausbekommen.
00:33:14: Die haben die dann rausgerückt?
00:33:16: Ja.
00:33:16: Ach, verrückt.
00:33:17: Man weiß wie.
00:33:19: Ja.
00:33:19: Verrückt.
00:33:20: Und hast du dich direkt gemeldet oder hast du erst mal nur die Adresse bei dir beruhen lassen?
00:33:24: Nein, ich habe mich direkt gemeldet.
00:33:26: Ich habe angerufen und habe dann gesagt, ja, ich bin Schaela, ich bin deine Tochter und ich möchte gerne mit dir sprechen.
00:33:36: Und zu meinem Überraschen war das dann auch total positiv.
00:33:42: Also es war es irgendwie ohne Vorwürfe, total genau das Gegenteil.
00:33:47: Das heißt, er hat sich gefreut?
00:33:48: Ja.
00:33:49: Okay, wie lange habt ihr telefoniert?
00:33:52: Das ging gewisse Stunde.
00:33:54: Und habt ihr euch dann auch verabredet?
00:33:56: Ja.
00:33:57: Hatte er weit weg von dir gewohnt?
00:33:59: Ja, auch auf fünfzig Kilometer.
00:34:01: Das ist schon eine Strecke für jemanden ohne Führerschein und noch im Mitteln in der Ausbildung?
00:34:05: Ja, mein Ex hatte damals einen Führerschein.
00:34:09: Der ist damit mit mir dahin gefahren.
00:34:11: Und ja, so habe ich meinen Vater kennengelernt.
00:34:16: Magst du uns von der Situation erzählen?
00:34:18: Ja, also mein Vater hat mich sehr freundlich empfangen.
00:34:22: Und dort stelle ich sich dann raus, dass ich dann noch drei Geschwister habe, zwei Schwestern und ein Halbbruder, das er noch mal geheiratet hat, sozusagen jetzt mein Stiefmutter.
00:34:34: Und...
00:34:37: Kurz unterbrechung.
00:34:38: Das heißt also zwei Schwestern sind deine kompletten leiblichen Schwestern und ein Bruder ist der Halbbruder.
00:34:44: Auch Halbgeschwister.
00:34:45: Ach
00:34:46: so, das heißt die Schwestern sind auch Halbgeschwister?
00:34:48: Ja.
00:34:49: Okay, ich habe das Fallschwestern.
00:34:50: Alles
00:34:51: gut.
00:34:53: Er hat mir dann gezeigt, aus einem Ordner, dass er Arbeiten war und Ausbildung gemacht hat.
00:34:59: Er war ehemaliger Soldat.
00:35:01: Er war sogar bei der fremden Nikion.
00:35:02: Er ist gelernter Maler und Lakerer und hat zu dem Zeitpunkt in Norwegen gearbeitet.
00:35:10: Er hat Lkw gefahren.
00:35:14: Und ja.
00:35:15: Warum betonst du das jetzt so?
00:35:16: Deine Mutter hat dir gesagt, dass das alles nicht bestand?
00:35:20: Richtig,
00:35:20: die hat immer gesagt, er ist nix.
00:35:21: Also, du hast nix gelernt.
00:35:23: Okay.
00:35:24: Hast du ihn damit konfrontiert, dass er sich nie bei dir gemeldet hat?
00:35:27: Richtig.
00:35:28: Habe ich.
00:35:30: Und er sagte mir dann, dass meine Erzeugerin damals, als ich noch ein Baby war, extra nach Bayern gezogen ist, weil dort ja andere ... andere ... wie nennt man das?
00:35:44: Vormundschaftsregelungen?
00:35:45: Richtig.
00:35:47: Sind.
00:35:48: Er hat um einen Sorgerecht gekämpft und ... Klar, das war Bayern und da hat er nichts zu sagen gehabt, dass sie das Sorgerecht bekommt.
00:35:57: Und so konnte er da nie einmal das Sorgerecht.
00:36:00: Die waren auch nie verheiratet.
00:36:02: Doch, waren sie.
00:36:03: Die hat geteilt das Sorgerecht und dadurch hat sie dann wieder mal Lügen erzählt und hat dann das Sorgerecht bekommen, sodass mein Vater gar nichts mehr machen konnte.
00:36:13: Als du ihn kennengelernt hast, warst du da schon achtzehn?
00:36:16: Ja.
00:36:17: Ich habe ihn zwar mal mit neuen kennengelernt, das war aber dann eher so aus Boßheit, weil meine Erzeugerin sauer auf mich war und sagt, ja, du kannst jetzt zu deinem Vater.
00:36:28: Und ja, da habe ich schon positive Erfahrungen gemacht.
00:36:33: Wir saßen am Frühstückstisch und es gab dort Champignons, frische Champignons.
00:36:39: Und ich habe halt bei allem, was es da gab, gefragt, ob ich mir das nehmen darf.
00:36:45: Und er sagte so, ja natürlich darfst du dir das nehmen, darfst du das nicht zuhause.
00:36:49: und nein, durfte ich nicht.
00:36:51: Es wurde ja bei mir immer alles abgeschlossen, Essen wurde abgeschlossen, es wurde abgezählt, dass ich sogar teilweise nachts aus Töpfen gegessen habe und am nächsten Tag dann losgestellt worden bin.
00:37:06: Warum ich das gegessen habe und wurde dann ausgelacht und ich wäre ja zu dick und so.
00:37:12: Ich verstehe noch nicht so ganz, warum du deinen Vater genau zu diesem Zeitpunkt einmal sehen durftest.
00:37:19: Ich vermute bis heute, dass meine Erzeugerin einfach das so gesagt hat, damit sie recht hat, dass mein Vater ja so böse ist.
00:37:33: Und das Andere, das könnte ich mir jetzt nicht vorstellen.
00:37:39: Könnte es vielleicht darum so was wie Unterhalt gehen?
00:37:43: Könnte auch.
00:37:45: Es kann aber auch sein, dass das schon zu dem Zeitpunkt war.
00:37:48: Meine Urober hatte ja ein Haus, dass sie schon zu dem Zeitpunkt anfing, dann dieses, dieses Erbe, was meine Urober hatte.
00:37:57: Sie sagte immer zu mir, du kriegst das Haus, du kriegst das Haus, dass sie, dass ich an den Nagel reißen wollte.
00:38:04: Das ist da schon anfing.
00:38:07: Hätte dein Vater innerhalb dieses einen Treffens erkennen können, was für einen Leid und Schicksal du eigentlich hast?
00:38:15: Ja, weil er hat wohl immer im Hintergrund Infos bekommen.
00:38:21: Wie?
00:38:23: Durch meine damalige Patentante, zu der ich aber bis heute keinen Kontakt mehr habe, die Schwester meiner Erzeugerin.
00:38:32: Weil die hat ihm hin und wieder Sachen erzählt, wie dass ich weiße Steine, die von am Haus sind, schrubben musste.
00:38:43: Wie oder... dass ich körperliche Gewalt erlebt habe oder ... ja, Essensentzug, weil immer gern erzählt worden ist, dass ... was ich verbockt habe.
00:38:55: Er hätte das ja durchaus nutzen können, diese Information, um das Jugendamt anzuschwärzen, um dich daraus zu holen.
00:39:03: Das hat er auch gemacht.
00:39:05: Aber ... funktioniert er nicht.
00:39:09: Kann vielleicht ja auch daran liegen, dass deine Mutter so oft umgezogen ist, ja, und dass das Jugendamt da gar nicht hinterher kam.
00:39:15: Ja, das kann sein.
00:39:17: Das kann wirklich sein.
00:39:20: Als du ihn kennengelernt hast, warst du ja schon achtzehn.
00:39:24: Ja.
00:39:25: Hast du ihn gefragt, warum er nicht den Weg zu dir gesucht hat, Job?
00:39:28: Ja.
00:39:29: Was hat er gesagt?
00:39:30: Er sagte, er hat jeglichen Kontakt versucht.
00:39:34: Er hat mir auch Sachen zugeschickt.
00:39:36: Und das ist immer abgefangen worden.
00:39:39: Briefe, sämtliche Sachen sind abgefangen worden.
00:39:43: Ich weiß zum Beispiel unsere Haustellephone-Nummer.
00:39:46: Die stand wie im Telefonbuch.
00:39:48: Jetzt weiß ich, warum.
00:39:50: War für dich dann klar direkt nach dem ersten Treffen, dass du den Kontakt zu deinem Vater behalten möchtest?
00:39:55: Ja.
00:39:56: Er sagte auch, meine Erzeugerin, sie lügt.
00:40:01: Also sie ist auf Geld fixiert und so.
00:40:03: Und die hat nichts für mich übrig.
00:40:06: Das wollte ich erst nicht wahrhaben.
00:40:09: Aber mit der Zeit ist das wirklich so gewesen.
00:40:12: Er hat mich nie angelogen.
00:40:14: Du hattest jetzt vorhin erzählt, dass du in der Klinik warst, in einer Psychiatrie.
00:40:19: Ja.
00:40:19: Wie war das für dich?
00:40:20: Wie war das vor allem für deine Mutter oder deine Erzeugerin?
00:40:23: Weil die müssen hier in der Regel auch mitarbeiten.
00:40:26: Ist das das erste Mal in der Psychiatrie mit Sechzehn?
00:40:32: Und das war ein Vorgespräch.
00:40:36: Es stand in der Akte Sechzehnjährige, Hochdepressiv, völlig in Schwarz gekleidet.
00:40:44: Ich war da noch in der Maßnahme und da hieß es, ich habe da versucht abzuhauen, das muss ich dazu sagen, zu einer Freundin und meine Mutter, also meine Erzeuger hat das mitbekommen.
00:40:59: Und da hieß es, ich hätte gelogen.
00:41:02: Alles, was ich da erzählt habe, ist gelogen, nachdem sie mich abgeholt haben und ich soll nie wieder darüber reden.
00:41:08: Und das war so der erste Kontakt mit der Psychiatrie.
00:41:12: Und richtig akut eingewiesen wurde ich, wo ich mit meinem Ex in der WG gewohnt habe.
00:41:20: Ich weiß noch, ich bin irgendwie zum Arzt, weil ich mich komplett selber verletzt habe.
00:41:29: Und ich hatte auch zu dem Zeitpunkt Alkohol konsumiert und ein Fressfleisch gehabt.
00:41:36: Und das ging eigentlich nur los an mir vorbei.
00:41:38: Und er hat nur noch die Einweisung geschrieben und ... Ja, dann saß ich in der Psychiatrie.
00:41:44: Wie alt warst du da?
00:41:45: Boah, das war... ...dreinzwanzig?
00:41:48: Zwanzig, dreinzwanzig, so um den Dreh.
00:41:50: Ich war auf jeden Fall irgendwas mit zwanzig.
00:41:53: Und ich hab das drei Tage später es registriert.
00:41:56: Und das war ein Schock für mich.
00:41:57: Das war echt... ...weil ich kannte halt die Psychiatrie immer nur aus Fernsehen.
00:42:04: Und da wurde sie halt immer als Horror dargestellt.
00:42:09: Und dann saß ich da.
00:42:11: Mit Nerven am Ende.
00:42:13: Vollkommen wie ein Loch und denk, wo bist du hier gelandet?
00:42:16: Du wolltest niemals jähen.
00:42:18: Wann hast du für dich gemerkt, dass das aber ein Ort sein könnte, der dir helfen kann?
00:42:23: Nachdem ich da meinen ersten Entzug hatte, mit Alkohol und eine Diagnose hatte und auch schon, dass ich das erste Therapeutengespräch hatte und gemerkt habe, es gibt Menschen, die sind ja so wie ich.
00:42:47: Die sind wie ich.
00:42:48: Du brauchst dich nicht zu schämen.
00:42:51: Die haben ähnliche Schicksale.
00:42:53: Die eine mehr, der andere weniger.
00:42:56: Gab es dort auch Menschen, mit denen du dich austauschen konntest und erfahrungswerte austauschen konntest?
00:43:00: Ja.
00:43:01: Wie war das für dich?
00:43:01: Da habe ich
00:43:02: das erste Mal sogar erlebt, Menschen kennenzulernen, was man Freunde nennt.
00:43:09: Was ich ja so nicht wirklich kannte.
00:43:11: Und das Gefühl von Empathie und Zuneigung konntest du das dort erfahren?
00:43:15: Ja.
00:43:16: Wie hat sich das angefühlt?
00:43:18: Es war ganz anders als, ich sage es mir, die Leute da draußen.
00:43:22: Es war echt ein schönes Gefühl, verstanden zu werden.
00:43:26: Wie lange warst du dort?
00:43:28: Das erste Mal war ich drei Monate da.
00:43:30: Hättest du dir gewünscht, dass es länger ging?
00:43:34: Nachdem ich fertig war, nein.
00:43:39: Ich war da, es war in Ordnung und vielleicht bist du ja dann geheilt.
00:43:44: Vielleicht.
00:43:46: Aber es war es nicht.
00:43:47: Ich musste erst mal lernen, dass das chronisch ist.
00:43:51: Wenn du da rauskommst, dann ist deine Welt, deine Außenwelt ja immer noch die gleiche.
00:43:54: Ja.
00:43:55: Wie war der Prozess für dich, wieder in deine Welt zu finden?
00:43:58: Katastrophal.
00:44:00: Also, ich musste mich ja wieder mit den Problemen auseinandersetzen.
00:44:05: Mit den richtigen Problemen.
00:44:06: Und das war am Anfang sehr schwer.
00:44:10: Mit einer Diagnose herumzulaufen und damit erst mal zu Recht zu kommen, damit zu leben.
00:44:16: Werden die ganze Welt dich für verrückt erklärt.
00:44:19: Was genau war die Diagnose?
00:44:21: Die Diagnose war Borderline mit einer posttraumatischen Belastungsstörung.
00:44:26: War die erste Diagnose und ADHS im Erwachsenenalter.
00:44:33: Konntest du dir unter all den Begrifflichkeiten schon vorstellen, was das genau für dein Leben bedeuten würde?
00:44:38: Nein.
00:44:39: Also am Anfang war ich so erleichtert und denkst so, ja cool, du hast eine Diagnose, du hast jetzt was.
00:44:46: Aber das dann Nachher noch ein paar Diagnosen dazukommen, hätte ich nie mit gerechnet.
00:44:55: Haben die Ärzte vor Ort dich denn, würdest du sagen, darauf vorbereitet, was das bedeutet, mit diesem Krankheitsbild zu leben?
00:45:03: Nein.
00:45:04: Nein.
00:45:04: Also, die haben zwar gesagt, du hast eine Diagnose und so wie du bist, das ist normal, aber es war sehr schwer.
00:45:16: Es war halt nur interessant zu sehen, dass es Menschen gibt, die dieselben Symptome fast haben.
00:45:22: Das hat das vielleicht ein bisschen vereinfacht.
00:45:25: Beschreib doch gerne einmal, welche Symptome auftreten gerade bei Borderline für die Leute, die das nicht so ganz einordnen können.
00:45:32: Panikattacken, Schlafstörungen, Depression, dann Stimmungsschwankungen.
00:45:42: Du bist auch sehr, sehr feinfühlig.
00:45:45: Sehr, sehr feinfühlig.
00:45:47: für Kleinigkeiten.
00:45:50: Wenn du in einem Raum bist mit vielen Menschen, kannst du die ganzen Menschen nicht ertragen.
00:45:56: So empfinde ich das.
00:45:59: Du nimmst Geräusche sehr laut wahr, teilweise wo du bist, teilweise hast du Essstörungen, mal das Extreme, mal nicht das Extreme.
00:46:10: Am Anfang war es so, da hast du dich in Gefahr begeben und hast aber ganz darüber nachgedacht, dass du dich jetzt grad Da reinbegeben, weil es war ja immer so.
00:46:22: Das heißt also vollkommende Überschätzung.
00:46:24: Ja.
00:46:24: Impulsives Verhalten, verbale Aggression ist bei mir das Problem.
00:46:31: Aber Borderline bedeutet ja auch, bindungsgestört zu sein.
00:46:34: Ja.
00:46:35: Was man ja vorwiegend oder vor allem anhand deiner Vergangenheit erlebt.
00:46:40: Definitiv.
00:46:41: Also ich komme es heute noch nicht damit zurecht, Beziehungen zu führen.
00:46:48: Freundschaft und das beste Beispiel.
00:46:51: Also mir fällt es extrem schwer, soziale Kontakte zu halten.
00:46:55: Nicht, weil ich das nicht möchte, ich komme damit nicht zurecht.
00:46:59: Es gibt Tage, da geht es mir überhaupt nicht gut, da kann ich mich nicht melden, weil ich einfach nicht die Kraft habe.
00:47:04: Aber dann irgendwann melde ich mich wieder und dann würden Leute kommen, ja, warum meldest du dich denn nicht?
00:47:09: Das würde mich aber dann unter Druck setzen.
00:47:12: Also ich musste wirklich von mir aus kommen und sagen, ja hier, ich kann mich jetzt melden.
00:47:16: Und das sehen dann viele normale Menschen dann halt als Kritikpunkt.
00:47:21: Du hast gesagt, dass sich dein Krankheitsbild intensivierter oder verändert hat über den Zeitraum und mehr Diagnosen dazukam.
00:47:27: Magst du uns das einmal genauer erklären?
00:47:29: Ja, es kam eine Sozialphobie mit hinzu.
00:47:34: Das fing an, dass ich Angst habe.
00:47:40: Die Angst, die wurde so schlimm, dass ich teilweise gar nicht mehr das Haus verlassen habe.
00:47:44: Dass ich aus dem Fenster geguckt habe und habe mir eingebildet, dass die Leute mich beobachten.
00:47:51: Oder ich komme irgendwo hin und denke, die Leute beobachten mich.
00:47:56: Oder ich sitze am Tisch und denke, mein Mann beobachtet mich.
00:48:01: Ich kann dann tagelang nicht rausgehen, weil ich diese ganzen Menschen nicht ertragen kann.
00:48:06: Gab es weitere Diagnosen, die dir gestellt wurden?
00:48:10: Ja, nahm zum Panikstörung.
00:48:11: Die Panik, die habe ich abends.
00:48:15: Durch eine Situation ist das ausgelöst und durch einen Trauma, dass ... Ich habe in einem Mehrfamilienhaus gewohnt, alleine.
00:48:24: Und dann ist irgendwann in dem Mehrfamilienhaus einer eingebrochen, hat die Tür aufgemacht und stand bei mir in der Wohnung.
00:48:33: Und seitdem habe ich Panik über, also ich katastrophisiere das sogar im Kopf, was hätte wenn werden können?
00:48:40: oder ist jetzt, wenn ich ein Geräusch höre und rede mir dann ein Jahr, da kommen Einbrecher in die Wohnung, die sind jetzt hier in der Wohnung und ... Das wird immer schlimmer und immer schlimmer und bis das gar nichts mehr geht.
00:48:54: Dass ich dann wirklich erst start im Bett liege, mir die Decke über den Kopf ziehe, teilweise mich einsperre und wenn es dunkel ist, ist das noch schlimmer.
00:49:05: Also ich muss wirklich dann auch mit Licht schlafen, weil ich halte das nicht mehr aus und halt auch, weil ich als Kind eingesperrt worden bin im Kinderzimmer mit Licht aus.
00:49:17: Das hat zwei Faktoren.
00:49:19: Wie schaffst du es heute, dich runterzuregulieren, wenn du merkst so die ganzen Symptome, die nehmen überhand?
00:49:25: Was machst du denn?
00:49:27: Also es gibt verschiedene Methoden.
00:49:29: Das ist viel raustherapiert worden.
00:49:32: Meistens brauche ich Sachen, wo mein Kopf arbeiten muss.
00:49:34: Sprich, ja, das hört sich jetzt um an Sockenzählen.
00:49:38: Sockenzählen, weil ich muss mich ja dann darauf konzentrieren, dass ich diese Sockenzähle oder ein Broadcast oder ein Hörbuch oder... Wenn es sogar geht, ein Buch lesen oder irgendwie versuchen, dass ich einen Film gucke, wo ich mitdenken muss, also oder ein Kreuzvertretzel oder solche Sachen oder teilweise auch zocken, mal gerade für einen Moment, oder ich konzentriere mich auf meine Kinder.
00:50:08: Also das geht schon, aber das ist halt viel Therapie und Übung.
00:50:13: Du hast sie gerade erwähnt, du hast selbst Kinder und einen Ehemann.
00:50:17: Wie war denn das für dich jetzt selbst Mutter bzw.
00:50:20: Partnerin zu sein, wo du doch selbst sehr unter deine Erzeugerin und ihrem Partner gelitten hast?
00:50:27: Also am Anfang war das schwierig, weil das Kennenlärm mit meinem Partner war halt... Ja, ich habe den dadurch, dass ich verbindungsgestört bin, quasi.
00:50:41: Ich habe den Anfang, wo ich den kennengelernt habe, vierzehn Tage lang am Stück rausgeschmissen.
00:50:45: weil ich mir diesen näher Distanzgefühl nicht zurechtkam.
00:50:49: Er hat mir dann damals was als Pfand dargelassen.
00:50:51: So, als zeig ich ihn, ich komm wieder.
00:50:54: Und so fing das dann an, dass ich ihm auch vertraue.
00:50:59: Teilweise war das auch so, wo ich dann hinterher telefoniert habe, wie ein Stalker, weil ich dann Angst schübe hatte, dass er mich verlässt.
00:51:06: Aber der geht damit super gut mit um.
00:51:10: Ja, und bei meinen Kindern ist es so, also ... Ich versuche halt, die Fehler, die bei mir gemacht worden sind, die machst du automatisch nicht mehr.
00:51:20: Die machst du nicht, weil du ganz genau weißt, das ist nicht schön, ne?
00:51:26: Ich werde zum Beispiel meine Kinder zu nie irgendetwas zwingen.
00:51:30: Ich lasse denen die Meinung.
00:51:34: Es ist zwar für mich komisch, dass meine Kinder eine normale Erziehung haben, aber ich habe da immer so ein Motto, sei die Mama, die du gerne gehabt hättest.
00:51:46: für deine Kinder, wie zum Beispiel ins Bett bringen, gute Nachtgeschichten, das kenne ich ja alles gar nicht.
00:51:56: Genauso wie, dass sie auch so eigenständig sind.
00:52:00: Ja, also wenn meine Kinder ins Bett gehen, dann sind die müde, dann ist das okay.
00:52:05: Klar, tut mich dann meine posttraumatische Belastung dann belasten, weil da mein Kopf Amok läuft, wie ich immer sage, mit, du bist eine schlechte Mutter, die werden sich in den Schlaf weinen.
00:52:17: Aber ich versuche das dann auszuhalten.
00:52:20: Ich gehe dann zwar noch mal nach und gucke dann, weil ich sehe, es ist alles friedlich, dann ist alles okay.
00:52:25: Also ich versuche wirklich, dass meine Krankheit nicht überhand nimmt, dass ich die nicht einengere, dass die ein ganz normales Leben führen kann.
00:52:32: Ich gehe offen damit um.
00:52:34: Ich spreche auch mit denen über alles, wie ich mich gerade fühle.
00:52:38: Aber ... Ich versuche halt, darauf sehr viel Wert zu legen, dass meine Kinder eigentlich runter leiden, dass sie nicht so ein Sündenbock sind oder dass sie mit meinen Problemen abgeladen werden.
00:52:52: Aber wenn du mit deinen Kindern über deine Probleme sprichst, gerade wer du eine Panikattacke hast, meinst du nicht, dass du dann automatisch deine Kinder mit in die Verantwortung ziehst, dass sie dann in der Situation sich denken, ich darf Mama nicht belasten, die ist schon belastet?
00:53:07: Nein.
00:53:09: Nein, also ich sage dann meistens hier, pass auf, ich habe wieder Angst, ne?
00:53:13: Die Mama schwindet ein bisschen rum, aber macht ja keine Sorgen.
00:53:16: Zwar schlafen sie noch ein bisschen rum und gut ist.
00:53:19: Und dann gehen die in den Lacker damit um.
00:53:22: Also ist jetzt nicht so, oh Gott, die Mama schwindet jetzt herum.
00:53:26: Nee, weil die so ganz gelassen, weil ich gehe auch ganz gelassen damit um, ich tue die Angst halt so in dem Sinne ausklingen, also so ganz normal ist, wenn das was ganz normales ist.
00:53:39: dass die Kinder nicht mit den Hysterie verfallen.
00:53:41: Weil da weiß ich, wenn ich die mit den Hysterie verfallen lassen würde, dann ist es was Negatives.
00:53:48: Und das klappt eigentlich ganz gut so.
00:53:50: Kinder sind ja schwierig kontrollierbar.
00:53:53: Kinder sind eben Kinder.
00:53:54: Und Kinder haben eben auch manchmal Trotzphasen oder Wutanfälle.
00:53:58: Gab es schon Momente, wo sie dich getriggert haben und wo du für dich einen Weg finden musstest damit umzugehen?
00:54:05: Ja.
00:54:07: In den Trotzphasen, das ist halt immer wie ein Spiegelbild.
00:54:11: Also das ist echt heftig.
00:54:15: Es ist wie ein Spiegelbild, aber in meinem Kopf signalisiert es dann so, lass sie.
00:54:22: Weil ich mir hinter Stübschen habe, du bist krank.
00:54:26: Sie werden sonst, also ich denke dann immer, sie werden sonst auch krank.
00:54:29: Deswegen lass sie.
00:54:31: Lass sie die Gefühle benennen.
00:54:32: Lass sie weinen, lass sie schreien.
00:54:35: Aber um Teufel schimpfe sie ja nicht.
00:54:38: Schimpfe sie nicht, machen nichts, was ihnen schadet.
00:54:43: Und somit fahre ich eigentlich ganz gut.
00:54:46: Ich bin zum Beispiel richtig stolz, dass sie ihre Gefühle benennen können.
00:54:51: Dass sie Gefühle benennen können, dass sie weinen, dass sie lachen, dass sie halt ihre Gefühle zeigen können.
00:54:57: Das zeigt mir dann halt immer wieder, dass ich auf dem richtigen Weg bin.
00:55:01: Ich weiß, ich bin dann zwar, mit meiner ganzen Energie, die schwitme öfters depressiv, aber... Ich weiß, dass meine Kinder auf einem gesunden Weg sind, dass sie ganz normal sind.
00:55:15: Und diese Rückmeldung bekomme ich dann auch immer wieder, wie im Kindergarten oder so.
00:55:20: Du ätzest ja deine Kinder.
00:55:22: Ja.
00:55:22: Du hattest aber selbst gar keine Kindheit.
00:55:25: Wie, wie machst du das?
00:55:27: Holst du deine Kindheit jetzt nach?
00:55:29: Ja.
00:55:29: Ich hole die nach.
00:55:30: Also am Anfang war das halt immer sehr, also ich habe halt erst, das hat mich halt erst traurig gemacht, ne?
00:55:36: Weil ich schwimm mich dann halt manchmal wie, äh, Ja, wie soll ich sagen?
00:55:41: Von jetzt auf gleich erwachsen.
00:55:45: Wie in der Zeitreise.
00:55:48: Aber es ist okay.
00:55:49: Man sagt ja nicht umsonst.
00:55:51: Borderliner sind eingesperrte Kinder im erwachsenen Körper.
00:55:56: Zum Beispiel habe ich letztes Jahr das erste Mal erlebt mit meinem Kind Zuckerwatte zu essen.
00:56:00: Ich mag für manche echt komisch klingen, aber ich habe wirklich noch nie Zuckerwatte gegessen gehabt.
00:56:05: Ich habe wirklich mit über dreißig Jahren das erste Mal Zuckerwatte gegessen.
00:56:12: Ich nehme an, du hast gar keinen Kontakt mehr zu deiner Mutter bis heute.
00:56:15: Nein.
00:56:15: Würdest
00:56:17: du gerne ihr noch mal was sagen wollen?
00:56:20: Wenn ich ihr was sagen wollte, ist ich glaube, das wäre nicht so freundlich.
00:56:24: Ich glaube, ich würde sagen, dass sie ihn allen versagt hat.
00:56:27: Sie hätte eigentlich da sein müssen, wo ich sie am meisten gebraucht habe.
00:56:32: Aber ich sage jetzt mal so, ich denke, sie ist selber krank.
00:56:37: Ich stehe jetzt mittlerweile drüber.
00:56:39: Früher habe ich sie dafür gehasst, aber jetzt empfinde ich eigentlich nur noch Mitleid.
00:56:45: Worauf bist du am meisten stolz, wenn du auf deinem bisheriges Leben zurückblechst?
00:56:49: Dass ich meinen Führerschein gemacht habe.
00:56:51: Dass ich meinen Führerschein dieses Jahr geschafft habe.
00:56:55: Obwohl mir immer gesagt wurde, ich krieg dir nicht hin.
00:56:59: Weil ich was Handfestes habe, weil jeder sagte hier, du schaffst das nicht mit deiner Krankheit.
00:57:04: Du wirst nie einen Führerschein schaffen.
00:57:07: Und ich kann mich nach A und B fahren und kann mir denken, ja, Leute, ihr könnt mir nix, ich hab mein Führerschein.
00:57:12: Warum ist es dir wichtig, heute hier bei uns zu sprechen?
00:57:15: Ich möchte das Gligé ablegen, das Gligé, dass Leute, die Borderline haben oder eine posttraumatische Belastung oder sämtliche negativen Dinge im Leben, die sie erlebt haben, dass sie das einfach nicht schaffen können, eine intakte Familie zu bekommen oder dafür zu kämpfen.
00:57:33: Und es geht.
00:57:34: Man kann mit einem Krankheitsbild kann man eine Familie haben.
00:57:39: Man kann ein vernünftiges Leben führen.
00:57:42: Man kann ohne irgendwelche negativen Substanzen ein vernünftiges Leben führen.
00:57:49: Wenn man sich selber Hilfe holt, Hilfe annimmt, analysiert und reflektiert, dann geht das.
00:57:55: Wir können nichts dafür für die Täter, die eigentlich krank sind, die uns krank gemacht haben.
00:58:04: Im Endeffekt waren Menschen wie ich oder andere Menschen, die psychisch erkrankt sind, das aus, was die Täter gemacht haben.
00:58:13: Weil die eigentlich, wie sage ich immer, die kranken Menschen sind.
00:58:17: Die hätten sich Hilfe holen können und haben das an uns ausgelassen.
00:58:21: Was wünscht ihr für deine persönliche Zukunft?
00:58:24: Ich wünsche mir mehr Verständnis.
00:58:26: Ich wünsche mir mehr Verständnis für Menschen, die am Borderline mitunter erkrankt sind.
00:58:31: Ob es jetzt Depressionen sind, ob es in jeglicher Art ist von einem Trauma, dass die Menschen gehört werden, dass sie nicht mehr ausgelacht werden, dass in dieser Krankheit vernünftig umgegangen wird, ohne jegliche Vorurteile, ohne ein Stempel, ja, diese Mutter ist zum Beispiel Borderline.
00:58:51: Die Mutter kann sich nicht um die Kinder kümmern.
00:58:54: Das ist nicht so.
00:58:56: Borderliner können ihren Kindern Liebe geben, auch wenn sie noch nie Liebe der eigenen Eltern erfahren haben.
00:59:04: Aber wenn ich eins weiß ist, dass Menschen wie ich und andere, die erkrankt sind, wenn die wirklich Hilfe annehmen wollen, die geben alles für ihre Familie, den Kindern fehlt es an nichts.
00:59:16: Es ist nicht jeder gleich.
00:59:18: Meistens werden Menschen wie ich unter einen Kamm geschert.
00:59:23: Mit dem Stempel rennen sehr viele rum.
00:59:27: Und das macht mich halt teilweise sehr traurig, dass in den Medien oder im realen Leben mitzuerleben, weil es nicht so ist.
00:59:36: Menschen, die Depression haben, sind nicht nur Menschen, die nichts können, ganz im Gegenteil.
00:59:43: Durch diese Empathie, die diese Menschen besitzen, mit mir einbezogen, ist, man kann das auch positiv nutzen.
00:59:52: Man kann so viele Tore öffnen, man soll halt nur öfters mal offener für diese Menschen sein, für die Gesellschaft.
01:00:00: Du meinst jetzt Menschen, die anhand von psychiatrischen Erkrankungen erkrankt sind?
01:00:04: Richtig.
01:00:05: Oder Trauma erlebt haben.
01:00:07: Ich mein klar, man hat echt viel erlebt, aber man ist nicht der Schuldige.
01:00:14: Man ist immer noch Mensch, man ist immer noch jemand, der lebt, der noch trotz, so wie ich oder andere, eine Zeit verpasst haben.
01:00:25: Man kann noch viele Sachen erleben.
01:00:27: Man kann seinen Kindern noch was beibringen.
01:00:29: Man kann auch noch die Kindheit nachholen, auch wenn man erwachsen ist.
01:00:34: Das geht.
01:00:35: Nur wenn man sich helfen lässt und dazu auch das möchte.
01:00:40: Man braucht ein vernünftiges Umfeld.
01:00:42: Man braucht vernünftige Ärzte.
01:00:45: Man braucht Willen.
01:00:47: Und man braucht vor allen Dingen eine vernünftige Medikamenteinstellung.
01:00:50: Weil ohne das alles funktioniert das nicht.
01:00:54: Danke dir, danke dir, dass du deine Geschichte mit uns geteilt hast und hier so ein mutiges Statement abgibst.
01:00:59: Danke schön.
01:01:00: Danke schön.
01:01:00: Wir wünschen dir und deiner Familie alles Liebe und alles Gute für eure Zukunft.
01:01:04: Danke schön.
01:01:09: Du
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