Ein Unfall, 10 Jahre Pflege: das macht Wachkoma mit den Angehörigen #56 Heike

Shownotes

Während viele Menschen sich abwenden, bleibt Heike. Neun Jahre lang pflegt sie Stefan – zu Hause, rund um die Uhr. Ohne geregelte Hilfe, oft allein.

In dieser bewegenden Folge spricht Heike über das, was sie durchlebt hat: Über Hoffnungen und Rückschläge, über stille Momente und große Liebe, über systemisches Versagen, Isolation – und einen Abschied, der sanft und brutal zugleich war.

Zeitstempel: 00:00 – 01:25 – Triggerwarnung & Intro 01:26 – 06:45 – Heikes Kennenlernen mit Stefan & Einstieg in die Rennszene 06:46 – 12:33 – Der Rennunfall & erste dramatische Momente 12:34 – 20:06 – Krankenhaus, Koma & erste Diagnosen 20:07 – 29:49 – Wachkoma, Reha & erste Reaktionen 29:50 – 36:36 – Alltag mit Pflege zu Hause & Belastung für die Familie 36:37 – 44:46 – Pflegenotstand, Isolation & fehlende Unterstützung 44:47 – 52:36 – Rückkehr an die Rennstrecke & das soziale Umfeld 52:37 – 1:04:05 – Stefans Tod zu Hause & letzte gemeinsame Stunden 1:04:06 – 1:26:05 – Trauer, Reha, neue Arbeit & gesellschaftliche Kämpfe

Website Stefan: http://einlebenfuerstefan.de/


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Transcribed with Cockatoo

0:00:00Die guckten mich alle so entsetzt an und immer schlimmer und so völlig erschrocken. Ich kam mir vor, als wenn ich ganz tief fallen müsste. Ich habe gesehen, wie sie halt den Helm entfernt haben, wie sie alles aufgeschnitten haben, also was nicht sowieso zerrissen war. Wie sie später auch mit dem Rettungskoffer kamen für Reanimation. Ja, dann wollten sie ihn wach werden lassen und dann ist er halt nicht wach geworden.

0:00:36Triggerwarnung! Bevor wir beginnen, möchten wir dich auf etwas Wichtiges hinweisen. Uns sind deine Sicherheit und Gefühle wichtig. Wir möchten gewährleisten, dass du dich während des Hörens unseres Podcasts wohlfühlst und keine unerwarteten Auslöser erlebst. In dieser Episode werden wir Themen ansprechen, die für einige Hörende verstörend sein könnten. Zu Beginn der Folge stellen wir das Thema vor. Falls du denkst, dass das genannte Thema für dich persönlich belastend sein könnte, dann möchten wir dich bitten, die Folge direkt zu beenden. Stell dir vor, du kommst in einen Raum, vor dir sitzt ein Mensch

0:01:10und du hast keine Ahnung, wer das ist. Das passiert mir in jeder Folge bei unserem Podcast von Bohne zu Bohne. Mein Name ist Charlotte und ich weiß vorher nichts über unsere Gäste. Kein Name, keine Information, keine Themen. Also werden meine Fragen auch deine Fragen sein. Ich bin Sanja und ich suche die Gäste. Hier achte ich darauf, dass es Menschen mit spannenden

0:01:33Persönlichkeiten und faszinierenden Erlebnissen sind. Und genau die wollen wir mit euch teilen. Bist du bereit, gemeinsam mit Charlotte neue Geschichten kennenzulernen. Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge. Mein Name ist Charlotte. Mein Name ist Sanja. Und mein Name ist Heike. Ich war pflegender Angehörige eines Wachkommapatienten. Hi Heike. Wow, ein langer Satz, ein intensives Thema was jetzt kommt. Wen hast du gepflegt? Meinen Lebensgefährten. Okay, wann ist das, wann ist das Ganze gestartet?

0:02:10In 2013 mit einem Unfall auf dem Nürburgring beim Motorradrennen. Oh, das heißt also er ist ein Motorradrennen gefahren und dann hatte er einen Unfall. Wie habt ihr euch denn kennengelernt? Ja, das war so ein bisschen abenteuerlich. Ich war getrennt und mit meinen drei kleinen Kindern und hatte gar keine Lust auf irgendwelche sozialen Kontakte. Musste erst mal das alles hinkriegen mit den Kindern managen und ja auch noch berufstätig und

0:02:47die hat da auch schon überfordert. Alleinerziehend mit drei Kindern das war schon anstrengend und irgendwann meinte eine Freundin dass ich doch mal mit ihr rausgehen soll, lange genug zu Hause gesessen und meine Mutter hat dann auf die Kinder aufgepasst bin ich dann mitgefahren und wir haben uns tatsächlich fahren lassen von dem Vater und das war für mich ein blöder Moment, weil ich dann auch nicht die

0:03:15Möglichkeit hatte früher abzuhauen. Ich habe mich da nicht wohl gefühlt und das war auch, man hätte es ahnen können, das Ding hieß Kölsche Nacht. Ich habe da aber nicht darauf reagiert und das war mehr so ein bisschen wie Karneval, die Musik. Dann war da der Roland, das ist der beste Freund von Stefan und langjährigste Freund von Stefan. Er hatte ihn aus demselben Grund mitgenommen, damit er mal raus geht. Und die kamen ganz woanders her, wir kannten uns ja vorher überhaupt gar nicht.

0:03:53Und ich dachte, ich gehe jetzt nochmal zur Toilette und dann gehe ich nach Hause. Ja, und dann greift er mich vor dem Klo ab quasi und meinte, ob ich nicht Lust hätte, seinen Freund kennenzulernen. Was für ein blöder Spruch. Und dachte, naja, okay, schlimmer kann es ja jetzt nicht werden. Da kam der aber auch tatsächlich gerade dann da raus und hat er uns einfach da allein stehen lassen. Und wir sahen uns genötigt zu unterhalten. Ja, und er war auch noch so in Trauer um Beziehung und ich ja auch noch relativ überfordert

0:04:30so mit allem. Und das war okay. Dann haben wir uns tatsächlich stundenlang unterhalten. Ja, irgendwie hat dann die Freundin meine Telefonnummer in sein Handy eingetippt, weil er hat sich dann gemeldet anschließend nochmal. Und ja, so war das. In welchem Jahr war das? Das war 2004. Ah ja, ok. Und dann hat er sich bei dir gemeldet und dann ging es relativ schnell oder hattest du noch

0:04:58eine Wartung? Ne, das ging nicht so. Also schon, dass wir Kontakt hatten und meine Mutter dann auch meinte, ja, Heike, also er hatte mich zum Essen eingeladen, mach das, ich pass auf die Kinder auf, so ist schön, wenn du mal rausgehst und ja und dann haben wir uns halt öfter getroffen, aber immer nur irgendwo außerhalb, also weder bei mir noch bei ihm, weil ich auch erst mal die Kinder da so raushalten wollte, weil ich nicht wusste, wie sie darauf reagieren und weil ich erst mal abschecken wollte, ist das überhaupt für mich möglich, die Kinder zu konfrontieren? Aber es war halt schön so und es

0:05:39gab sich dann immer mehr so, dass wir auch zusammen mit den Kindern dann was unternommen haben, also uns irgendwo auf Spielplätzen getroffen haben oder zu einer kleinen Wanderung oder so was, Eis essen gehen und ja, dann hatten die Kinder halt auch Freude und so ist das dann entstanden. Genau und später ist der Stefan in dem darauffolgenden Jahr zu mir gezogen hierher. Welche Gemeinsamkeiten hattet ihr denn?

0:06:06Also ich möchte auf das Motorradfahren hinaus. Ja, ja, ich verstehe schon. Tatsächlich war das gar keine Gemeinsamkeit. Ich habe früher selber Motorrad gefahren, habe das aber aufgehört, als ich Familie geplant habe und bin seitdem auch nie wieder ein Motorrad gefahren.

0:06:25Aber ich weiß natürlich, wie schön das ist. Das war ja eine bewusste Entscheidung, damit mir nichts passiert, weil ich halt Kinder habe. Und Stefan war leidenschaftlicher Motorradfahrer, nicht auf der Landstraße, sondern nur Motorradrennen. Früher war ich auch Shopperfahrer, also das mit den Rennmaschinen,

0:06:47da hatten wir überhaupt keine Schnittpunkte. Aber er war halt wirklich ein sehr lustiger und menschenfreundlich und immer gut gelaunt, hat mich auch sehr unterstützt, auch hier noch mit Renovierungsarbeiten so zu Beginn und ja vom Mensch war es einfach toll und dann bin ich quasi dann erst mal so reingewachsen in diese Motorrad Rennszene. Anfangs noch ohne die Kinder, weil so da muss man ja auch wenn Papa Wochenende war gucken, dass es passt und später hatten die Kinder halt auch Freude dran. Wir hatten dann ein Wohnmobil gekauft, wo wir alle drin schlafen konnten und ein

0:07:30Kumpel brachte immer das Motorrad mit und ja so, dann haben wir da gemeinsam die Wochenenden verbracht. Du hast jetzt gerade erzählt, dass die, das hat das leidenschaftlich gemacht, Rennen fahren. Kommt man da einfach so hin oder muss man da verschiedene Hürden auf sich nehmen, um da in diese Szene reinzukommen? Das war ja vor meiner Zeit. Er ist halt immer gerne Motorrad gefahren, früher auch auf der Landstraße. Da waren dann ein paar mal Situationen, wo es eng wurde. Und dann hat er sich eben entschieden, ich fahre nur noch auf der Rennstrecke, weil das da einfach sicherer ist.

0:08:07Nicht mal irgendwo ein Traktor hinter einer Kurve dann plötzlich fährt. Dann gibt es immer Zeiten, wo so Renntrainings sind, so freies Training. Da ist er dann auch mal mitgefahren, weil irgendjemand sagte, Mensch, du fährst so schnell, warum fährst du eigentlich kein Rennen? Das wird doch total Sinn machen. Und darüber ist er dann quasi an die Rennerei gekommen. Weil zu Anfang war es nur dieses Just for Fun am Wochenende, wie das viele am Nürburgring machen, weil der Nürburgring ja auch nahe ist. Wie war das denn für dich, als du in diese Rennszene mit eingestiegen bist, als Angehörige oder als ich sag mal mitbringen soll,

0:08:47wurdest du da direkt akzeptiert? Ja, absolut. Das war auf jeden Fall eine Gemeinschaft, die einen total gefangen hat. Alles war schön miteinander. Jeder achtet auf den anderen, auch auf die Kinder der anderen,

0:09:02also so familiär fast. Wir waren ja dann immer im Fahrerlager und das Fahrerlager ist so ein abgeschlossener, sicherer Raum, wo Kinder sich dann auch frei bewegen können. Und das war alles super. Also die haben mich aufgenommen, als wäre ich immer dabei gewesen. Und die Kinder auch.

0:09:23Wie viele Jahre hast du dann in der Szene verbracht bevor dieser Unfall war? Das waren knapp zehn Jahre. Oh, das ist schon eine ganz lange Zeit. Ja. Okay und die Kinder waren dann da immer so mit drin und sind dann damit auch groß geworden im Prinzip. Ja, genau. Okay, lasst uns mal über den Unfall sprechen. Wann war der genau? Der war am 21.07.2013. Das heißt also, wenn ihr euch 2004 kennengelernt habt, ist das neun Jahre später gewesen.

0:09:53Okay, kannst du uns da das genauer schildern? Ja, das war so ein Sechstundenrennen und das wird dem Team gefahren. Das heißt also, der eine fährt, bis er eben keinen Sprit mehr hat oder irgendwas anderes ist, warum er rausfahren müsste und winkt dann ab. Dann weiß der Nächste, er macht sich fertig und fährt dann auch genauso. Und das war kurz vor Ende. Also ich glaube noch zwei Runden zu fahren. Sie hatten auch ihren Platz sicher,

0:10:27also sie hatten den zweiten Platz gefahren und das war klar, die können nicht mehr den ersten streitig machen, aber der dritte auch nicht mehr ihren Platz streitig machen. Dann sagt man, so man rollt das Rennen rein. Genau und so zum Ende, da habe ich angefangen, die Sachen zu packen, die Kinder schon mal in die Dusche geschickt. Und was man so an Equipment halt aufbaut, was man so übers Wochenende braucht, Tische, Bänke, Kaffeemaschine, Teller, alles halt wegkramen, alles einräumen in das Wohnmobil und habe das gar nicht registriert, dass Rennabbruch war, weil ich so beschäftigt war. Und natürlich am Platz lief auch Musik, so viel man das dann hat. Ja, und dann kam Stefans Kumpel, also auch der, von dem ich zu Anfang erzählt habe. Der war dabei als Schrauberhilfe und meinte dann, ich müsste mal dringend kommen.

0:11:31Es ist was passiert. In dem Moment habe ich eigentlich erst realisiert, dass das Rennen gar nicht mehr ist. Aber es waren eh nur noch zwei Runden, das ist ja schnell vorbei. Also da hatte ich gar kein Zeitverhältnis mehr zu. Und wir hatten bei dem Mal eine Box ziemlich am Ende. Ich weiß nicht mehr, ob sie 21 war oder so.

0:11:51Und der Unfall passierte in der Kurve Stachzielgerade. Und dann bin ich halt durch die Box gelaufen, in der Boxengasse dann hoch. Und anfangs halt auch noch so mehr gegangen und das also für mich empfand ich das so als den schlimmsten Moment, weil die anderen Helfer, die halt in der Box so stehen, die guckten mich alle so entsetzt an und immer schlimmer und so völlig erschrocken. Und ich kam mir vor, als wenn ich ganz tief fallen müsste, weil ich da erst realisiert habe,

0:12:34das ist irgendwie nicht so, ich rutsche raus und irgendein Plastikteil ist abgerissen und ich ärgere mich und muss das Moped reinschieben oder so, sondern eben schlimmer. Und als ich dann vorne ankam, also ich bin auch immer schneller gelaufen, dann hatten sie schon mit Bannern so abgesperrte Sichtschutz gemacht. Es ist sofort ein Ersthelfer noch ins laufende Rennen reingesprungen zu Stefan und hat erst versorgt. Ich wollte dann zu ihm, hat man mich natürlich nicht gelassen und hat mich dann ins Rennbüro geschoben quasi. Also wollte ich ja nicht rein.

0:13:11Ja, die Rettung lief halt. Dann war der Rennleiter mal da, dann ging der wieder raus, weil ich hatte viele Fragen. Ich wollte was wissen und er wollte gucken, ob er Antworten für mich hat und da hatten die dann noch nicht gesehen, dass alle Monitore noch liefen. Das heißt, ich habe dieses ganze Versorgen von Stefan über die Monitore sehen können, weil die halt vor dem Banner, also vor diesen Absperrbannern waren. Und das war für mich ganz schlimm.

0:13:41Und es dauerte, ich glaube, etwas an einer Stunde, bis sie ihn so stabil hatten, dass er dann mit einem Rettungshubschrauber abtransportiert wurde. Was genau hast du gesehen in diesen Kameras? Ja, ich habe gesehen, wie sie halt den Helm entfernt haben, wie sie alles aufgeschnitten haben, also was nicht sowieso zerrissen war, wie sie später auch mit dem Rettungskoffer kamen für Reanimation. Da konnte ich dann nicht sehen, ob es wirklich

0:14:17eingesetzt wird, konnte aber sehen, dass sie ihn beatmen, also dass sie ein Tubus geschoben haben und alle waren sehr hektisch. Also alle waren sehr hektisch und das war halt wirklich sehr sehr kritisch. Genau. Und kannst du emotional beschreiben, wie es dir da ging? Ich habe gedacht, ich sterbe. Also das, das, wie kann man das beschreiben? Ich war in so einer Schockstarre, dass ich

0:14:50so um mich herum außer dieser Situation gar nichts wahrgenommen habe. Also ich war, ja, ich kann mich nicht erinnern, geatmet zu haben oder so. Ich weiß, dass der Roland bei mir war, den habe ich aber auch nicht wahrgenommen. Der Rennleiter immer mal wieder reinkam, hat dann irgendwann bemerkt, dass ich die ganze Zeit auf die Monitore starre und hat dann alles ausgestellt. Und ja, es ist so, als bleibt einem das Herz stehen, weil wenn man weiß, mit welchen Geschwindigkeiten da gefahren wird,

0:15:25dann weiß man eben auch, dass das übel ausgeht, wenn man eben nicht in so eine Auslaufzone wegrutscht, wo es so Auslauf gibt und dann sind irgendwo so Sachen, die einen auch wieder auffangen, diese Reifen oder so. Und das war halt da nicht. Er ist direkt in diese Mauer ohne irgendwas, was die Geschwindigkeit verzögert, vorher reingerutscht.

0:15:56Ja. War dir das Ausmaß damit dann schon direkt bewusst oder war dir klar, dass es schon schwerwiegender ist? Es war mir klar, dass es schwerwiegend ist, weil sonst hätten sie nicht den Notfallkoffer geholt, sonst hätten sie auch nicht einen Hubschrauber geholt, sondern einen Rettungswagen. In Adenau gab es ja zu der Zeit auch noch Krankenhaus.

0:16:14Ich glaube, das ist geschlossen mittlerweile. Weißt du, was genau diesen Unfall verursacht hat? gesagt hat. Ja, es war ein anderer Teilnehmer, der aber nicht das Rennen gefahren ist, sondern das für sich in einer höheren Klasse als Training genutzt hat. Und der hat Stefan in der, also vor der Startzielgeraden in dieser Kurve, wo man dann anfängt zu beschleunigen, weil dann kommt ein ganz langes gerade Stück, noch überholen wollen und das war völlig unnötig, weil der hat halt nur trainiert,

0:16:51der fuhr kein Rennen. Mit dem Überholen von Stefan hat es für ihn nichts Positives oder Negatives in Verbindung gegeben. Der ist in die Curbs geraten, also in diese schrägen rot-weiß schraffierten Flächen und hatte dann Angst selber zu stürzen und hat dann reingelenkt. Da der Stefan aber auch da war und ja schon hochbeschleunigt hatte, er fuhr so 150 kmh, hat er mit seinem Arm oder mit seinem Lenker, Stefans Lenker erwischt.

0:17:26Und damit gab es eben, also für Stefan, der konnte das, die haben ja keinen Rückspiegel oder so, beim Rennmotorrad, der konnte das nicht ahnen, dass jetzt da noch links jemand an ihm vorbei will. Und er hat auch schon die Strecke so weit nach links ausgenutzt, um so viel wie möglich zu beschleunigen. Und dann hat es halt das Lenkrad verrissen, dann ist er sofort gestürzt. Ja und halt direkt in die Mauer rein. Als der Hubschrauber dann kam, wurde er dann direkt mit wegtransportiert? Ja. Und wo warst du dann, bist du dann mit dem Wohnmobil weiter? Ich bin dann noch im

0:18:00Rennbüro gewesen und dann kam der Rennkollege noch dazu, also der das zweite Motorrad in dem Rennen fuhr und meinte er kann mich mitnehmen, weil im Hubschrauber konnte ich ja nicht mit und dann wir wussten, dass er nach Neuville transportiert wird und dann bin ich bei ihm quasi mitgefahren mit meiner Cousine. Wir hatten wirklich so ein großes Familientreffen an diesem Wochenende auch, wo alle mit ihren Kindern mit dabei waren.

0:18:34Der Roland, der meinte, er kümmert sich dann. Und das habe ich noch gar nicht so realisiert. Ich bin dann halt mit Sabine und dem Jürgen nach Neuwied gefahren und habe erst später realisiert, dass ich die Kinder völlig vergessen hatte, weil die waren ja auch in der Dusche. Die kamen aus der Dusche und wussten gar nichts und ich war dann weg. Das war für mich natürlich auch ganz furchtbar. Aber der Kumpel von Stefan

0:19:01hat sich um die Kinder gekümmert und noch ein anderer Kumpel, der halt auch bis dahin immer so Sponsor war und so ein Speedestore hatte, hat die Kinder dann abgeholt, das Wohnmobil nach Hause gefahren und ist auch bei den Kindern geblieben. Hatten die den Kindern dann schon etwas gesagt oder haben sie es erst mal für sich behalten? Das kann ich gar nicht. Ich denke, die haben gesagt, dass er einen Unfall hatte und ich mit im Krankenhaus bin. Aber mehr wussten die ja zu der Zeit auch nicht, weil die mussten ja auf Informationen von mir warten. Ja, ich glaube, anfangs wussten sie nicht mehr. Und der Martin, der hat sich dann gut um die Kinder gekümmert.

0:19:49Dann haben die lange Sterne im Himmel geguckt und so. Und irgendwann sind sie dann auch schlafen gegangen. Ja, aber ich kann da halt selber nicht so viel zu sagen. Ich hockte in diesem Flur vor dem OP und habe jedes Mal gehofft, wenn jemand rein oder raus kommt, dass ich eine Info kriege. Habe ich aber nicht. Es dauerte dann so fünfeinhalb Stunden und dann kriegte ich die erste Info von dem Neurochirurgen,

0:20:17dass er halt jetzt stabilisiert ist, man aber die Nacht abwarten muss, ob er es übersteht. Hatte man dir da gesagt, was genau er hat? Welche Blessuren? Also noch nicht, weil da waren verschiedene Ärzte mit verschiedenen OPs beschäftigt, die ja dann nach ihrer Arbeit auch erst mal zusammenfinden müssen, um sich miteinander auszutauschen, um diesen ganzen Überblick zu

0:20:43haben. Das war dann an dem Tag danach. Da habe ich dann die Info bekommen. Als es dann hieß, dass du jetzt abwarten musst, durftest du dann zu ihm? Erstmal noch nicht. Die waren halt da, beschäftigt ihn aus dem OP und Aufwachraum in die Intensivstation. Und dann muss ja ganz viel verkabelt werden und so. Das hat halt noch

0:21:06gedauert und wir sind halt immer wieder rein und raus und ich habe dann halt auch mal die Mutter, die Schwester kontaktiert, damit die Bescheid wissen, auch den Rest der Familie. Irgendwann morgens glaube ich, also die Sonne ging schon auf, dann konnte ich halt auch zu ihm. Er lag dann noch so in einem Mehrbettzimmer auf jeden Fall und war halt beatmet im Koma, also im künstlichen Koma. Wie ging es dir da mit ihm da das erste Mal so zu sehen? Ich war beruhigt, dass ich ihn überhaupt so sehe, weil im künstlichen Koma sieht ja auch ein Mensch wie schlafend aus.

0:21:47Der ist ja jetzt, in dem Moment sieht man dem Mensch ja auch gar keinen Stress an, weil er wirklich ganz tief schläft und die Atmung gesichert ist und durch meinen Job kannte ich auch das Arbeiten auf Intensivstationen. Also das hat mir keine Angst gemacht. Weißt du, vielleicht wäre andere Angehörige viel schlimmer, weil die das dann das erste Mal sehen. Die ganze Verkabelung und so. Und ja, dann habe ich halt ihm zugeredet. So wie ich das eben auch aus meiner Arbeit her kenne. Viel Kontakt und angefasst und immer über Links ansprechen, Emotionen ansprechen und einfach gehofft, dass er so eine Regenerationsphase, das war dann auf ein bis drei Tage so angesetzt und dann will man ihn wach werden lassen.

0:22:39Genau, und dann habe ich halt immer mit ihm geredet und erzählt, was die Kinder so sagen. Ja, bin auch also drei Tage komplett da geblieben, irgendwo da auf dem Boden im Flur gepennt. Wie hast du es den Kindern dann gesagt? Ja, das haben natürlich erst mal die anderen übernommen, die sich um die Kinder gekümmert haben und es war ja jetzt noch noch nicht, also er hatte keine massiven Hirnblutungen oder so, was man so erwartet. Also im Scan war da mehrere kleine

0:23:18Blutungen zu sehen, aber es war kein Drama und er hat dann so ein Fieber entwickelt, was man nicht runterkriegte. Das war aber halt vom Temperaturregulationszentrum irgendwie gesteuert. Es war kein Infekt. Man hat ihn dann so mit Kühlschrankkalterinfusion runtergekühlt. Das hat dann nachher funktioniert. Und beurteilen, was für Schäden dabei bleiben kann man ja erst

0:23:45wenn jemand wach ist. Das heißt also du hast den Kindern auch erstmal nicht gesagt, dass er jetzt gerade im künstlichen Koma liegt. Doch das habe ich gesagt, damit er so in Ruhe genesen kann, dass das wichtig ist für den Körper diese Zeit zu bekommen. Dann bin ich auch nach Hause gefahren. Dann habe ich mit den Kindern hier

0:24:08Frühstück gemacht und das auch aufgenommen, so Ton, damit ich ihm das auch vorspielen konnte, damit er möglichst viel vom gewohnten Alltag an Geräuschen mitkriegt auch so in dem Koma. Ja, dann wollten sie ihn wach werden lassen und dann ist er sie ihn wach werden lassen. Und dann ist er halt nicht wach geworden. Man hatte ihm noch schwere Halskrause, also Rettungshalskrause angezogen, weil man dachte so, dann wird

0:24:33er vielleicht wild um sich toben, weil er weiß ja nicht um das, was passiert ist, wenn er wach wird. Aber er wurde halt nicht wach. Dann hat man noch mal künstliches Koma gelegt und nach einer Woche wieder versucht, ihn wach werden zu lassen. Ja, und dann war halt klar, er wird nicht wach. Also er bleibt im Wachkoma. Das ist ja so, man sagt reaktionslose Wachheit. Wie ging es dir damit, dass es dann für dich klar war, dass er im

0:25:06Wachkoma liegen wird oder bleiben wird? Ja, das war erschütternd. In dem Moment war klar, unser Leben läuft jetzt ganz anders, als dass man sich das ausgedacht hatte. Weil man weiß halt nicht, wird jemand nochmal wach aus dem Wachkoma? Bei Unfallverletzungen ist es eher möglich als bei Zelluntergang durch Sauerstoffmangel. Aber es war halt doch sehr heftig. Ich wusste ja mittlerweile mit welcher Geschwindigkeit er da auf null gebremst wurde und ja die Verletzungen am Arm

0:25:48hatte er noch, da wurde Haut transplantiert, einige Muskeln mussten entfernt werden, Trümmerfrakturen, so das waren aber Nebenbaustellen, die waren ja nicht so wichtig, das würde heilen. Ja und dann habe ich gedacht, ich will versuchen alles ranzusetzen, dass er wieder wach wird. So dass er wieder den Zugang zur Realität findet. Was bedeutet ganz genau Wachkoma? Kannst du das uns einmal erklären? Wachkoma ist ein Zustand, wo man einen Wach- und Schlafrhythmus hat, der dem

0:26:28Natürlichen sehr nahe kommt. In der wachen Zeit auch die Augen geöffnet sind und man aber quasi so schaut, als wenn man so tagträumen würde. So das kennt ja jeder mal von sich. Man guckt so, aber guckt nichts an. Ist vielleicht so in Gedanken oder so was. Und so ist das so. Man guckt jemand an, dessen Blick durch einen hindurch geht,

0:26:56dessen Blick nichts erfassen kann. Und es kommt halt sonst auch keine Reaktion. Also Reflexe noch. Wir wussten ja auch nicht. Also er hatte die Wirbelkörper in der Halswirbelsäule. Das war vier und fünf waren frakturiert und die Bandscheibe dazwischen zerrissen. Die hatten sie halt dann gesetzt neu. Und das

0:27:18konnte ja auch noch sein, dass er einen ganz hohen Querschnitt hat. Gerade noch atmen kann dann, aber eben ganz hohen Querschnitt, weil eben da die Brüche waren. Und im Wachkoma kann man eben nichts sagen, weil da kann man ja nichts auffordern. Reflexe war erstmal war, ich weiß jetzt nicht, Babinski positiv, ob ich das jetzt irgendwie weiterbringt. Das ist so ein Test, den man macht, um zu gucken, ob das so einen Schaden genommen hat, oberhalb der Pyramidenbahn. Und das war auch positiv, aber war später nach Wochen rückläufig. Das heißt, es hat dann abgenommen mit der Zeit.

0:27:59Genau, es hat abgenommen mit der Zeit und da war ich schon hoffnungsvoll. Wird denn beim Wachkoma auch die Hirnaktivität gemessen? Ja, also man hat bei Stefan dann auch zu Anfang auf der Intensivstation permanent EEG geschrieben und das hat halt nur das weiß ich jetzt nicht mehr die Well geschrieben, die eben im Schlaf ist. So keine Reaktion. Ich weiß gar nicht mehr wie.

0:28:29Alphawellen, Betawellen. Kann ich jetzt leider nicht mehr sagen. Also es war aber jedenfalls so anzusehen, dass er keine Reaktion auf Außenreize haben kann, weil sie eben im Hirn nicht verarbeitet werden. Okay, das heißt also auch wenn du da warst oder du vielleicht den Ton der Kinder abgespielt hast, gab es jetzt keine äußerlichen Reaktionen, die man hätte erkennen können?

0:28:58Nee, und auch nicht im EEG. Okay, wie ging es dir damit, als du ganz viel versucht habt und du gemerkt hast, da passiert aber nichts? Ja, dann hat man natürlich schon das Gefühl, die Hoffnung schwindet. Also eigentlich mit jedem Tag, dann mit jeder Woche und auf einmal sind sechs Wochen um. Und ja, und dann steht die Verlegung an. So, er war dann nicht mehr beatmet.

0:29:25Er atmete selbstständig, hatte aber noch ein Thriostoma, das man eben unterstützend beatmen kann, wenn es nötig wird. Was ist das ein Thriostoma? Ach so, das ist, wenn die Luft durch die Luftröhre hier direkt mit so einem Röhrchen. Okay, das heißt, er hatte einen Luftröhrenschnitt. Genau, richtig. Weil anfangs macht man das so ja über die Nase oder über den Mund und das führt dann zu Druckstellen.

0:29:49Darum macht man das dann lieber da. So nach einer Woche, glaube ich, entscheidet man sich dazu. Ja, du hast gerade erzählt, dass es dann um die Verlegung ging. Genau. Und da ging es halt dann in die Frühreha. Gott sei Dank ist sowas heutzutage möglich. Das ist ja auch noch nicht so lange.

0:30:08Früher hat man die Leute dann einfach sauber satt und trocken, bis sie eben versterben. Und heute bekommen sie die Möglichkeit der Reha und da ist er verlegt worden nach Bonn auf die Godeshöhe. Das war dann für mich auch einfacher mit der Pendelei, weil ich war ja jeden Tag dort. Der Unfall passierte an dem Sonntag, mit dem die Sommerferien begannen damals. Das heißt also diese sechs Wochen, weil Ferien waren, konnte

0:30:38ich auch zu jeder Zeit dorthin. Meine Mutter hat dann auf die Kinder aufgepasst. Ich bin dann morgens gefahren, nach dem Frühstück und abends zum Abendbrot wieder gekommen. Und das habe ich in der Reha dann auch so gemacht. Da war dann wieder Schule und Kindergarten. Und dann hat auch meine Mutter tagsüber dann halt die Kinder in Empfang genommen, bis ich dann abends gekommen bin, zum ins Bett bringen. Dort ist das Erste, was man versuchen will, immer die Beatmung und das Tracheostoma abzugewöhnen.

0:31:10Das nennt sich Training. Und das hat dann auch geklappt. Es gab allerdings dort auch ganz viele Vorfälle, die wirklich furchtbar waren, wo sie dem Stefan definitiv nicht gut getan haben. Und ich bekam aber immer mehr mit, dass er auf mich reagiert. Er galt immer noch als Wachkoma-Patient und ich merkte aber, dass er zum Beispiel immer den Kopf in die Richtung drehte, wo ich zu hören war. Er sah

0:31:41immer noch durch mich durch, aber wenn er meinen Schritt auf dem Flur gehört hat, zu der Zeit kam ja auch dann die Mutter, je nachdem, dann hat er in dem Moment auch direkt immer den Kopf gedreht, weil er wusste, da komme ich dann durch die Tür. So das waren so die ersten Anzeichen. Ich habe das versucht den Ärzten mitzuteilen und die haben das aber nicht gesehen, aber die nehmen sich auch die Zeit nicht und die Angehörigen haben halt eine ganz andere emotionale

0:32:10Bindung. Ja und dann habe ich das halt mehr auch ausprobiert immer wieder. Ich bin dann halt immer auf die eine Seite vom Bett, dann auf die andere Seite, hab gewartet bis ein Kopf dreht, wir konnten keinen Augenkontakt befinden, aber es war definitiv Reaktion auf mich. Und ich habe ihn natürlich immer durchbewegt, ich habe ihn an die Bettkante gesetzt, ich habe auch die Physiotherapeuten immer darum gebeten, dass sie ihn auch aufstellen, mit mir zusammen und ich habe logopädisch mit ihm gearbeitet.

0:32:46Ich habe mir alles abgeguckt, um so viel wie möglich Therapie halt auch mit ihm zu machen. Und haben sie mich auch gelassen. Das fand ich gut. Ja, und dann hatte ich natürlich auch mir so viele Infos wie möglich zusammengesucht. Und das war damals echt noch schwer, so an Infos zu kommen. Es ist heute einfacher, dass man eben, ja viele denken immer so Gerüche

0:33:11mitbringen, so Gerüche die erinnern, aber wenn man Tracheostomiert ist, kann man nicht riechen. Es geht einfach nicht. Erst nach dem Entfernen vom Tracheostoma ist es überhaupt wieder möglich. Aber dann habe ich das auch gemacht, zum Beispiel dann Kaffee, weil er unheimlich gerne Kaffee trank und so intensive Gerüche, auch Geschmäcker. Und er fing dann auch an, dass er schlucken konnte. Ich wollte auch unbedingt diesen Schlucktest haben, damit das wirklich dann auch weg kam, das Tracheostoma. Hab Dinge von zu Hause mitgebracht,

0:33:40wie die Bürste ihm in die Hand gelegt mit seiner Hand und der Bürste ihm selbst das Haar gekämmt und so Bewegungen, die man so typischerweise macht. Also jeder hat ja so irgendwas. Und das habe ich dann mit ihm halt immer gemacht. Genau, immer in der Hoffnung, dass da was ist, wo er dran ankoppeln kann. Ja, dann ging es in die Verlegung zu der Station, wo dann mehr Therapie noch gemacht wird, wenn das Stoma weg ist. Genau da wollte ich dann noch den Katheter weg haben, weil über so einen Blasenkatheter passieren auch immer ganz oft Blasenentzündungen und jedes Medikament,

0:34:25was man sich sparen kann, ist ja auch gut. Ja, und das habe ich dann alles gut durchsetzen können. Und der Umgang war zeitens Pflegepersonal, aber nicht so gut. Therapeuten waren immer super. Allerdings fielen auch viele Therapien aus. Es war dann mittlerweile so die Weihnachtszeit oder Vorweihnachtszeit. Dann waren die entweder krank oder waren im Urlaub und dann habe ich vor Weihnachten entschieden, ich hole ihn jetzt nach Hause. Ging das so einfach, dass du ihn mit nach Hause nehmen konntest oder gab es da Herausforderungen? Natürlich, es gibt immer Herausforderungen, weil du bist ja nicht gerüstet auf eine

0:35:01Intensivpflege zu Hause. Also ich selber habe mir keine Angst gemacht, weil Umgang mit Patienten ist ja mein Job. Was ich lernen musste, war halt die Ernährungspumpe bedienen. Und man muss denen halt glaubhaft machen, dass man die Pflege sicherstellen kann zu Hause. Und das konnte ich.

0:35:20Und da haben die auch drauf vertraut. Dann musste natürlich das Bad umgebaut werden. Und das Bett wurde höher gebaut und dann kam da so ein Rahmen rein, der elektrisch verstellbar ist, damit das alles auch was für mich leichter wird. Und zu Anfang hatten wir noch einen Lifter hier, weil er ja noch gar nichts mitarbeiten konnte, damit er nicht nur im Bett liegen muss, sondern eben auch dort auf dem Sofa sitzen kann und im Rollstuhl, ja mit Pflegerollstuhl. Du sagtest, deine Kinder waren im Grundschulalter. Wie haben deine Kinder diesen ganzen Prozess mit gemacht, wo du fast die ganze Zeit bei Stefan warst? Ja, das Umfeld, was sich um die Kinder

0:36:02gesorgt hat, die haben sich wirklich sehr viel Mühe gemacht und haben dauernd Ausflüge mit den Kindern gemacht und waren immer unterwegs, sodass für sie nur, dass Stefan und ich nicht da waren, so der große Einschnitt war, aber im Ablauf des zeitlichen Alltagsgeschehens war für die Kinder dann in dem Moment kaum Veränderung. Wie haben die das denn aufgenommen mental, als du ihnen sagen musstest, dass er jetzt erstmal nicht mehr aufwacht? Ja, die waren natürlich alle schockiert.

0:36:37Also und die haben halt mein Leid auch so gesehen. Und das ist auch das, was sie eben sagen, dass sie am Anfang dachten, dass ich daran zerbreche, weil es war halt alles schwer. Ich hatte noch drei relativ kleine Kinder, also Grundschulalter, die Arbeit ist weggebrochen, das finanzielle Loch was geschlagen ist und die Pflege wirklich 24 Stunden intensiv, also nicht irgendwie Häppchen schmieren und dann zur Arbeit gehen,

0:37:06das war ja nicht. Und das eben zu Hause erstmal alles so aufzustellen, das war schon eine mega Herausforderung und die Kinder hatten Angst um mich. So weil Stefan war gut für die Kinder und sie mochten ihn ja auch so, weil er sich sehr viel Mühe gemacht hat, auch mit der Erziehung und mit dem Familienleben. Und sie mussten aber anderthalb Jahre vorher den Tod vom leiblichen Vater ja auch wegstecken. Das heißt also, es gab eine Situation, da weiß ich, ich habe gesagt, oh Mensch, ich habe mir mein Handgelenk verknackt und Mist, weil ich musste

0:37:56es halt viel gebrauchen, die Hände. Und da fing der Leon, also der mittlere Sohn, so an zu weinen und lief weg. Und dann bin ich hinterher. Ich so, was ist denn los? Und dann hatte er Angst, ich müsste sterben. So und dann habe ich gedacht, okay, das größte Augenmerk muss sein, dass ich safe bin, dass ich stabil bin, dass mir nichts passiert. So das ist das, was den Kindern das Allerwichtigste ist.

0:38:23Dann hatten wir mittlerweile eben so Stück für Stück das aufgebaut, dass er auch Ergotherapie, Physio und Logopädie hier zu Hause bekam. So viel wie eben möglich war. Und damit war ich dann auch schon entlasteter. Ich habe natürlich jede Therapie auch mitgemacht, um möglichst viel rauszuholen.

0:38:48Und auch meine Mutter hat sehr, sehr viel mitgeholfen. Wir haben also immer alles nach der basalen Therapie am Anfang gemacht, dass man also alles so normal und natürlich macht, wie man es eben auch als Gesunder tun würde, um eben dieses Erwecken zu vereinfachen. Und ja, mit und mit ist er ja dann auch zu sich gekommen. Wie lange hat es denn gedauert, bis er da die erste Reaktion gezeigt hatte? Also so nach acht Monaten bekam man mit, dass er tatsächlich versucht umzusetzen. So, das ist aber auch ein Prozess, der halt kommt und geht.

0:39:27Das ist nicht so klack und jetzt ist das so wie man das im Fernsehen immer schön kennt. Das ist eher so. Heute hast du die Idee. Oh ne. Der kriegt alles mit und er versucht auch ein Fuß zu bewegen. Wenn ich sage bewege den Fuß oder er versucht die Augen zu kneifen.

0:39:44Wenn ich das sage und den Rest vom Tag wieder gar nicht mehr. So und so steigerte sich das aber über einen Zeitraum von acht Monaten, bis ich wirklich sicher sagen konnte, der ist wach und dann wollte ich auch unbedingt, dass er neu diagnostiziert wird. Es war ein harter Kampf mit der Krankenkasse, weil wir dann aber das Wohnmobil haben umbauen lassen. Mit einem Lifter habe ich gesagt Okay, ihr müsst nur die Untersuchung bezahlen

0:40:09und ich mache den Transport und ich will, dass er zum Professor Loré kommt, der ein Koma-Forscher ist und zu der Zeit auch der einzige war, der überhaupt ein Interesse daran hatte, Wachkoma-Patienten weiter zu begleiten. Ja, und da kam dann halt auch raus, minimales Bewusstsein, also er reagierte aber eben halt ja auch

0:40:34nicht auf alles, weil er es auch nicht konnte. So und mittlerweile wussten wir, er hatte im Stammhörn axonale Zerreißungen durch, also sind so Hochschwindigkeitstraumata. Er hatte nicht so viele Blutungen im Hirn, also diese Vernetzung im Hirn. Aber das Stammhirn ist ja so das elementar Wichtige, ist ja wie der Fi-Schalter. Und da waren Fasern zerrissen. Und in diesem

0:41:02Bereich, wenn Schäden sind, kann es nicht eine neue Verknüpfung neuronale geben, weil es ist eine Faser, da ist keine Verknüpfung. Das heißt, zerrissen ist zerrissen. Das bleibt dann auch so. Das war dann halt klar und war aber bei Bewusstsein. Und so haben wir versucht, halt rauszutrainieren, was geht. Und er hatte keinen hohen Querschnitt. Das erste was er tatsächlich bewegt hat dann bewusst auf Kommando war der sein linker großer Zeh. Und dann dachte ich, oh wow, super, kein Querschnitt, dann kann es ja noch auf die Füße kriegen irgendwie. Du hast jetzt beschrieben, dass du

0:41:40größtenteils, dass Stefan größtenteils auf dich angewiesen war mit Hilfe von Physio und Ergo. Welche Unterstützungsmöglichkeiten hast du denn bekommen als pflegender Angehörige? Da bekommt man keine Unterstützungsmöglichkeiten. Das ist immer so schön propagiert. Das stimmt aber nicht.

0:41:57Also es gibt Pflegestützpunkte, wo man hin kann, um sich beraten zu lassen. Und es gibt auch eine Verpflichtung. Das ist pflegegradabhängig oder früher hieß es ja noch pflegestufeabhängig. Da muss man dann alle Vierteljahr oder alle halbe Jahr beraten werden und die beurteilen dann, ob die Pflege sichergestellt ist zu Hause. Genau und Pflegedienst hinzuziehen, das war halt nicht möglich, weil das finanziell gar nicht ging. Also ich hatte das am Anfang, aber wirklich nur drei Tage Pflegedienst und sie kamen so in der Mittagszeit. Naja in der Zeit musste der Stefan vorher

0:42:37versorgt werden. Das habe ich natürlich gemacht und dann wollte ich ja auch nicht, dass er erst mittags aus dem Bett kann oder so und dann hatte ich ihn schon gewaschen und gewindelt und alles was dazu gehört und angezogen und Zähne geputzt und halt ja im Rollstuhl draußen und das war halt möglich, weil ich Therapeutin bin, so das kann halt sonst nicht jeder wirklich. Und der Pflegedienst kam dann und dann war das halt nur so eine Bestätigung für mich. Oh ja, super, alles

0:43:12gemacht und so ist ja toll, dass du das so kannst und dann bis morgen. Und für das wurde halt damals, ich muss genau überlegen, ich glaube es war, es kann gelogen sein, 720 Euro, die man an Pflegegeld bekam zu der Zeit und von dem Geld bekamen die 430 Euro, um Hallo und Tschü zu sagen und von dem Restgeld mussten wir leben. ja beide kein Einkommen mehr. Aber ist das so, zumindest kenne ich das heute so, dass man, wenn man in der Eigenpflege ist, auch bei diesem Satz ungefähr kommt natürlich wie du sagst auf den Pflegegrad, Pflegestufe, was auch immer an, dann bekommt man diesen Satz von diesen 720 Euro. Wenn du aber dann nochmal Pflege in Anspruch nimmst durch den Pflegedienst in diesem Grad, dann wird das Geld erhöht auf einen bestimmten Satz, weil man weiß, dass es für die private Pflege nicht ausreicht. Gab es das damals

0:44:08nicht? Nee, das also doch natürlich. Also man es gibt so einen Pool. Entweder man nimmt das Pflegegeld, organisiert die Pflege alleine, dann bekommt man das Pflegegeld. Das ist weniger, als wenn Pflegedienst involviert ist. Genau. Wenn ein Pflegedienst involviert wird und man macht die Pflege gar nicht, dann wird dieses Budget für den Pflegedienst, was ja höher ist. Da kann es aber ganz gut sein, dass man dann drauf zahlt, weil wie gemerkt, ich arbeitete 23 Stunden für 300 Euro, die eine Stunde für 400 Euro.

0:44:46Es rechnet sich nicht. Also wenn der Pflegedienst reinkommt, das ist gut, dass es das gibt, gerade für die, die eben Pflege nicht alleine sicherstellen können. Ältere Leute auch, so wo denn der Mann betroffen ist, die Frau versorgt, die kann natürlich viele Sachen gar nicht oder umgekehrt auch, aber leben kann man damit nicht

0:45:08und die Unterstützung wird nicht größer. Nee die finanzielle auch nicht, weil das wird einem ja weggerechnet. Das Budget ist größer, aber der Pflegedienst bekommt ja, weiß nicht, 35 Euro die Stunde oder vielleicht auch mehr. Und ich ja, wenn man jetzt die 700 rechnet, für auf den Mon, weiß man ungefähr was unter 5 Euro. Und das ist nicht mal meins. Also das gehört nur dem Pflegebedürftigen. Das muss man auch nochmal sagen, weil die pflegenden Angehörigen bekommen nichts.

0:45:39Es gibt keinen Ausgleich. Also den Angehörigen steht das nicht zu, aber der zu Pflegende kann das in Eigenverantwortung den Pflegepersonal oder dem Familienangehörigen zusprechen. Genau. Richtig. Ja.

0:45:53Okay. Du hattest gesagt, dass er sich immer mehr gebessert hat, dass er in irgendeiner Art und Weise auf deine Kommunikationsanfragen antworten konnte, indem er eben seinen großen Zeh bewegt hat. Gab es einen Moment, wo er wirklich von sich aus auch mit dir kommuniziert hat? Nonverbal oder verbal? Also verbal hat nie geklappt. Nur ein paar Worte, die wir halt gelernt haben, wie Aua, weil es halt wichtig ist, oder Affe für Kaffee, wenn er das wollte. Es gab noch ein paar andere Worte, aber die man halt als Außenstehende

0:46:28vielleicht dann auch nicht verstehen würde, was wir aber verstanden haben. Doch, er konnte sich sehr gut bemerkbar machen. Man musste natürlich nonverbal überwiegend kommunizieren und die Fragen gezielt stellen, damit er ja oder nein antworten kann, was er auch nicht verbal gemacht hat, sondern da haben wir dann halt so eine Strategie entwickelt, damit er möglichst viele Muskeln immer bewegt, dass er zum Beispiel für ein Jahr die Augenbrauen gehoben hat und für ein Jahr die Nase gerümpft oder für ein Jahr genickt hat und für ein Jahr die Zunge raus oder für ein Jahr die Hand hochgehoben, für ein Jahr mit dem Knie gewackelt, also dass er immer im Körper irgendwas bewegt, das haben wir vorher abgesprochen. Und das war eben auch das, was ich gelernt habe in dieser Klinik, dass die Antworten, damit eben die diagnostizierenden Systeme dort in dieser

0:47:23Woche, wo Diagnostik betrieben wird, das beurteilen können, dass die Antworten definitiv voneinander unabhängig sein müssen. Weil es wird oft gesagt, blinzel einmal für ja und zweimal für nein. Aber man blinzelt ja auch zwischendurch. Das macht auch ein Wachkoma Patient, wenn man das einfach macht. Und das ist eben nicht gut zu unterscheiden. Und von daher habe ich, bevor wir in die Klinik gingen, das schon mit ihm trainiert, dass er eben für ein Jahr zum Beispiel blinzelt und für ein Jahr was ganz anderes bewegt, was garsein auch da ist. Hast du in ihm danach noch seine alten

0:48:05Charaktere auch erkennen können? Absolut, ja. Er hat sich im Wesen gar nicht verändert. Er war immer noch glücklich in dem Rahmen. Er hatte seinen Humor. Es kamen hier die Kumpels damals und da ist einer bei, der kann halt so unheimlich gut Witze erzählen. Und das macht er auch. Und manchmal auf der Rennstrecke haben wir gesagt, boah, jetzt müssen wir mal weg, wir haben Bauchweh. Wir müssen mal gerade eine Pause haben vom Lachen. Der hat den Stefan auch so zum Lachen gebracht. Und das war einfach so schön, dass man so sehen konnte.

0:48:47Es ist egal, man kann auch was ironisch machen oder sarkastisch. Der versteht das alles. Er konnte Aufforderungen über das Spiegelbild auch korrigieren. Wenn ich ihn aufgesetzt habe, die Füße nebeneinander und ich habe dann gesagt, mach mal den Rechten. Und der sah ja nur sein Spiegelbild. Mach den mal nach da und dann hat er das gemacht. Und das ist schon eine Hirnleistung, die dann wirklich anzuerkennen ist.

0:49:12Einfach. Ja, und wenn ich mich mal verholpert habe oder so, das passiert ja auch. Ich sag mal kleine Missgeschicke, dann konnte der auch wirklich herzhaft lachen, also mich auslachen. Und wir haben viel gelacht in der Zeit auch. Klar, wir haben auch geweint miteinander.

0:49:32Er ist halt ein sehr emotionaler Mensch, war er vorher auch. Aber wir haben auch wirklich viel gelacht. Wie haben denn die Kinder mit ihm interagiert? Genauso. Das heißt, also sie haben ihre eigene, ich sag mal, ihre eigene Sprache gefunden, um mit ihm zuagiert. Genauso. Das heißt also, sie haben ihre eigene, ich sage mal, ihre eigene Sprache gefunden, um mit ihm zu kommunizieren? Genau, also diese

0:49:49nonverbale, dass man immer Fragen so stellt, dass sie mit Ja und Nein zu beantworten. Geht es dir gut? Anstatt zu fragen, wie geht es dir? Da kann so ein Mensch nicht darauf antworten. Willst du was? Nützt auch gar nichts. Aber zu fragen, soll ich das Programm umschalten? Da kann man mit ja oder nein antworten. Das haben die natürlich ganz schnell auch gelernt. Wenn sie gar nicht weiter kamen, dann haben sie natürlich mich gerufen. Also wenn ich Rasenmähen war oder sowas.

0:50:17Bist du oder war es euch möglich, dann noch mal auf die Rennstrecke mit ihm zu gehen? Ja. Wie war das? Also er wollte das ausdrücklich und das war auch schon in dem Folgejahr. Da haben wir dann auf den Sommer gewartet und ja, wie gesagt, ich hatte dann einen Lifter einbauen lassen in das Wohnmobil und er hatte aber noch gar keine Stabilität im Rumpf und so.

0:50:42Dann haben wir ihn da irgendwie rein. Nee, am Anfang stimmt gar nicht. Wir hatten ihn am Anfang mit dem Personenlifter über die Aufbautür reingeliftet. So war das. Und dann war er ja noch ganz wackelig überall. Und dann haben wir mit, ich glaube, sieben, acht Kisten ihn so ausgestopft, dass er nirgendwo hin verrutschen konnte und mit einem Stirnband den Kopf an der Kopfstütze fixiert und dann noch Nackenhörnchen

0:51:10und so und dann haben wir erst mal den ersten Ausflug gemacht, um zu gucken, ist das was für ihn, weil spazieren fahren mit dem Rollstuhl, das mochte er nicht. Da hat er direkt die Augen zu gemacht, wollte sich davor verschließen, habe ich ihn gefragt, möchtest du das nicht im Garten? Okay, aber da nicht. Und im Wohnmobil, da war er direkt so, ich will das alles sehen. Und ja, und dann haben wir erst mal so ganz langsam, wirklich fast im Schritttempo, um zu gucken, wie reagiert er darauf. Und dann haben wir es immer öfter gemacht.

0:51:46Und irgendwann habe ich gefragt, willst du Rennstrecke? Weil die Kumpels halt auch gefragt haben, ob der Stefan noch mal kommt. Und ja, dann wollte er auch dorthin. Und dann sind wir hingefahren und wir waren dann auch angemeldet. Also der Rennleiter hat dann auch für die Einfahrgenehmigung gesorgt, dass wir rein konnten. Und dann sind wir aber erst mal in Richtung des Zauns gefahren.

0:52:11Stefan saß ja auf dem Beifahrersitz neben mir, wo man dann eben die Rennstrecke überblicken kann. Das fand er super, super spannend. Ich habe dann ein paar Mal ihn so ein bisschen mikro gelagert, ein bisschen anders versetzt und raus wollte er aber da nicht. Das war ihm dann zu viel. Da war er dann emotional fertig und es kamen ein paar Kumpels halt Hallo sagen und ihn

0:52:37begrüßen und da sind viel gelacht, viel Tränen geflossen. So und dann wollte er halt jedes Jahr wieder zur Rennstrecke und dann haben wir das auch gemacht. Dann sind wir immer hingefahren und dann halt mit dem Rollstuhl und dann war er dabei und das war so schön. Die haben für Stefan dann auch so la ola Welle. Stefan hat Pokale bekommen, die er nicht eingefahren hat, aber die haben ihn einfach selbst beschenkt.

0:53:05Und wir durften trotzdem auch oben auf den Podesten stehen, um auch von dort das Rennen zu beobachten. Und das war einfach, diese Community war einfach immer noch genauso da. Und die haben den Stefan so genommen, wie eben bis zu dem Tag. Das heißt also es gab für dich nicht den Moment, dass du gemerkt hast, dass dir gesellschaftlich vielleicht exkludiert wurde? Natürlich, ja, ja, auf jeden Fall. Hierher kamen eigentlich nur Therapeuten.

0:53:39Am Anfang kamen die Freunde noch, aber man kann so sagen, nach einem Jahr ebte es ab. Und das war auch schwer für uns. Außer der Roland, der hat immer den Kontakt gehalten, aber natürlich dann auch vermindert. Mit dem Stefan unterwegs sein, ist natürlich immer eine Herausforderung gewesen. Und es bedarf halt sehr viel Vorarbeit, dass man alles dabei hat für jede Eventualität. Im Wohnmobil versorgen konnte ich ihn, aber es war halt auch mega anstrengend irgendwie. Die Rennkollegen sind

0:54:14tatsächlich dann irgendwann auch nicht mehr gekommen, haben aber noch gesammelt auch für uns. Ja, jeder lebt sein Leben weiter. Es war natürlich für viele, glaube ich, einfach schwer zu ertragen, dass Stefan eben so sehr hilfebedürftig war, wo er sonst so ein ganz agiler Mensch war. Und sich selbst damit konfrontieren, während man noch selber Rennen fährt, ist natürlich auch wirklich eine Herausforderung. Es hat lange gedauert, bis ich das so akzeptieren konnte, ja auch. Wir haben aber dann eben diese Seite ins Leben gerufen, also der Martin, der Kumpel, damit wir im Kontakt bleiben

0:54:54können mit den Kollegen, mit den Rennkollegen. Wenn wir dort waren, war es immer schön, aber zu uns nach Hause, da kann man sagen, ich hatte ein Helfer-Netzwerk irgendwann aufgebaut, wenn irgendwas Wichtiges war, was Dringendes war, dass ich auf jemanden zugreifen konnte, also anfangen konnte zu telefonieren, wer kann mir jetzt helfen? Das ist dann später auch abgeebbt. Ich hatte dann noch einen Verein, Eifelfam, das war so die einzige Institution, die uns unterstützt hat, damals in Leon nach Neuropä zur Schule zu fahren, weil ich konnte das nicht.

0:55:34Da wäre ich anderthalb Stunden weg gewesen. Ja, genau, man hat viele Hürden. So, man hat viele Hürden und es wird weniger und weniger. Und irgendwann lernt man es halt akzeptieren. Was ist das genau für eine Seite, die ihr ins Leben gerufen habt? Ja, der Martin mir gesagt hatte, die Idee eine Unterstützerseite für einen guten Freund.

0:55:54So heißt sie, ein Leben für Stefan, weil damals ging es ja noch ums Leben und ins Leben holen. Und wir haben die jetzt einfach noch aktiv, immer noch. Und da haben wir halt so die Momente festgehalten, die wir erlebt haben. Und wir haben schon verdammt viel möglich gemacht, so für diese schwere körperliche Behinderung, die Stefan ja auch hatte. Um eben auch anderen zu zeigen, was möglich ist. Weil viele haben natürlich ja auch diese Hemmungen, würden vielleicht nicht einfach mit dem Wohnmobil in den Urlaub fahren. Aber wir haben das dann halt einfach

0:56:34gemacht, weil ich mir immer gedacht habe, wenn es schief geht, ja, dann ist immer noch Zeit zu reagieren. Aber ich muss ja nicht im Vorfeld denken, das klappt sowieso nicht. Und Stefan hat Interesse an allem. Das war einfach schön. Weiß man denn was über die Lebenserwartung? Das ist auch ganz unterschiedlich. Also man muss sagen alle die morbide sind sag ich mal. Die haben natürlich eine geringere Lebenserwartung. Das war bei

0:57:00Stefan auch so. Er hat ein sehr schwaches Immunsystem gehabt. Also wenn wir so husten Schnupfen, heißer, kalt, da hat er lange dran getragen. Und er hatte Probleme mit dem Darm. Er hatte einen Durchbruch, so ein Ulkus. Das war die erste OP. Die hat uns, ich würde sagen, ein Jahr zurückgeworfen mit der Entwicklung, weil zwei Wochen im Bett liegen, da waren die Muskeln alle weg. Und der musste lange auf intensiv dann auch sein, weil das hatte anfangs nicht so richtig geklappt.

0:57:33Und ja, na ja, so war das dann eben. Und dann gab es irgendwann nochmal so eine Sache. Das war aber am Verschluss und da wurde er nicht rechtzeitig wahrgenommen. Ja, und da war der dann auch abgestorben. Der Darm musste entfernt werden. So hatte er nicht mehr so viel Darm, der eben Nährstoffe gut aufnimmt. Und er musste eh so hochkalorig ernährt werden.

0:57:57Also ich habe immer alles selber gekocht und klein gemacht, dass es sonnengängig war. Ja, genau. Also man hat irgendwann hat man so ein großes Wissen, aber Situationen, Krankenhaus haben wir wirklich immer versucht zu vermeiden, mal halt nicht immer zu vermeiden. Also wenn man so mit allem was man machen kann am Ende ist, dann muss die Schulmedizin eben her und Dover Weise hat er sich dann also zweimal eben über die Beatmung

0:58:27Pseudomonas eingefangen. Das ist ein ziemlich fieser Keim und ja quasi jetzt beim letzten Mal im letzten Jahr hat er das dann auch nicht mehr überlebt. Das heißt also der Keim aus dem Krankenhaus hat dann dafür gesorgt? Ja. Okay ist er dann, war das dann festgesetzt in der Lunge oder wie kann man sich das vorstellen? Ja genau, so dann, das sind so resistente Keime, die halt dann auf nichts mehr reagieren und also auf keine, wo es keine Antibiose gut gibt, wenn das Immunsystem auch so schwach

0:59:03ist, die Atmung noch so schwach ist. Wir hatten einen Hustenassistenten mittlerweile, damit wir die Schleim auch, also Sekret, was sich gebildet hat, besser abtransportieren konnten. Das hat halt alles nicht gereicht. Sein Immunsystem war zu schwach. Irgendwann war er dann austherapiert. Und dann habe ich auch gesagt, ich hole ihn denn jetzt nach Hause. Weil das war ein Versprechen, das hatten wir uns halt vorher schon gegeben. Und das habe ich ihm auch wirklich fest versprochen.

0:59:33Wir haben ja nicht gedacht, dass er an einem Unfall und den Folgen irgendwie eher stirbt. Aber wir hatten ja die Situation schon miterlebt, dass der Papa der Kinder gestorben ist und da haben wir natürlich auch über Tod und so weiter nachgedacht und geredet. Genau seine Wünsche waren eben dann auch in der Situation zu Hause zu sterben, nicht alleine im Krankenhaus, weil gerade auf intensiv ist es halt schwieriger, dann hast du nur Besuchszeiten. Wobei bei uns hier im heimischen Krankenhaus, die wirklich ein super Team haben, alle ganz nett sind.

1:00:05Ich habe die ganze Pflege dort übernehmen können, was ich eben kann. Konnte auch immer bei ihm sein, hatte auch auf intensiven Beistellbett und das war schon schön, dass es in anderen Krankenhäusern nicht so möglich. Ja, dann haben wir ihn eben nach Hause geholt und dann hatten wir gehofft, dass er wieder aufbaut, weil einfach dieses häusliche Umfeld wieder da ist, die Geräusche, die Gerüche, die einem guttun, weil das eben zweimal auch schon so ausgegangen war,

1:00:35wo wir auch dachten, das ist kritisch und vielleicht schafft er das nicht. Aber diesmal hat er es dann halt wirklich nicht geschafft. Wie war das? Schlimm. Ich habe wirklich gedacht, so kommt der Stefan ist sonst die Aufmännchen. Das packt er wieder.

1:00:50Aber als dann klar war, das schafft er nicht. Wir hatten dann mittlerweile schon Sauerstoffgerät auch hier. Ja, den Hustenassistenten oft auch im Einsatz. Ich habe ihn auch immer noch mobilisiert. Er hat hinten in unserem

1:01:06Esszimmer einen Massagesessel, der auch in so Liegepositionen gefahren werden kann. Und das war dann, wenn er wirklich schlecht dran war, sein Lieblingsplatz, weil er da immer noch mitten im Geschehen war, aber eben sehr bequem. Ja, dann war halt der Tag. Ich hatte mittlerweile ja auch Assistenzkräfte, also das persönliche Budget. Und das habe ich auch nur über andere pflegende Angehörige erfahren. Das sagt einem kein Pflegedienst, der da zum Gespräch, zum Beratung kommt.

1:01:37Und das war dann aber Wochenende. Es war ja der erste Mai. Also es war ein Maifeiertag natürlich. ich weiß gar nicht, ob es Wochenende war. Und da war morgens klar, er atmet komisch, er atmet hektisch und reißt auch die Augen auf. Er ist erschrocken und dann habe ich ihn gefragt, was ist, ob er Schmerzen hat. Ja, ich habe gesagt, okay, gut, ich gebe dir ein Schmerzmittel, musst dir aber vorher was essen geben und Magenschutz. Dann gucken wir, wie es wird. Es wurde besser, aber nicht gut.

1:02:12Dann habe ich ihn gefragt, ob ich einen Rettungswagen rufen soll. Da meinte er aber nein. Ich denke, er wusste da schon, dass er sterben wird. Dann habe ich noch gefragt, ob ich den Hausarzt rufen soll. Obwohl Feiertag ist, aber irgendeiner ist ja immer dann greifbar. Wollte er auch nicht.

1:02:35Ja, genau. Und das war halt natürlich so ein Tag, wo die Kinder, wo die Kinder lange geschlafen haben, weil es war Feiertag, die waren auch feiern natürlich, ne, Weihnacht vorher. Und ich war halt hier alleine, wach als erste mit dem Hund und ja, die Schmerzen ließen was nach. Ich hatte dann schon Katheterisiert und habe dann gefragt, ob es okay ist, wenn ich mit der Zisa gehe, weil die halt auch noch nicht draußen war. Und wenn ich ihn das erste Mal versorgt hatte, also gelagert und Essen gegeben, katheterisiert,

1:03:14dann war so der Moment immer für den Hund. Dann meinte er noch ja. Ich sage, okay, dann gehe ich jetzt eine kleine Runde. Ich war wirklich eine kleine Runde und hatte schon echt, also so, ich weiß nicht, man spürt das. Man hat das so innerlich, das Gefühl, diese Unruhe. Und als ich wiederkam, bin ich natürlich gleich wieder zu ihm und hab gefragt, wie es ist und ja, ob er nochmal Schmerzen hat,

1:03:42ob die mehr geworden sind. Und dann so, ja, ich sag hast du Angst? Ja, er hat Angst. Soll ich den Rettungswagen rufen? Nein. Sagst du, man muss einen Hustenassistenten dran tun? Ja, okay, machen wir das. Dann haben wir dann auch was Sekret lösen können. Dann habe ich ihn noch gefragt, ob er denn auch aufstehen will. Da meinte er nein. Und da dachte ich, oh, das ist das 1. Mal,

1:04:07dass er Stefan in diesen fast 10 Jahren nicht aufstehen will. Und da habe ich dann auch Angst bekommen. Das war der Moment, wo ich dachte, scheiße. Dann bin ich erst mal in den Rauchen gegangen, um irgendwie Gedanken zu fassen. Was sind die Schritte? Was muss ich machen? Und habe dann schon mal seine Mutter kontaktiert

1:04:30und seine Schwester kontaktiert, aber wirklich nur gerade gesagt so Bumms, so ist das. Dann bin ich wieder zu ihm und so im Sterben ist ja irgendwann bekommt man auch so eine Brasselatmung oder Schnappatmung. Jedenfalls verändert sich das, das sieht man von außen auch. Und ich hatte ihn noch gefragt, nee, ich hatte mich selber gefragt, so Mist, klar, du hast immer gesagt, du bleibst dabei, bis du stirbst, das mache ich auch. Aber der Moment, dass der jetzt kommt, wie gehst du damit um? So, weil das lehrt einem ja auch keiner irgendwie vorher.

1:05:16Und weil er nicht sprechen konnte, musste ich immer alles für ihn ja auch aussprechen. Und dann habe ich halt gesagt Stefan ich glaube du stirbst das war der schwerste Satz den ich je gesagt habe. Da hat er dann auch genickt und da war es uns klar dann habe ich die Kinder gerufen und ich habe wohl sehr schrill gerufen die waren binnen Sekunden hier unten die haben gar keine Stufen benutzt. Und dann haben wir uns alle zum Stefan gekuschelt und haben noch so seine

1:05:49Lieblingsmusik laufen lassen und ja, sind halt einfach bei ihm geblieben und haben es eben noch ein Stück einfacher gemacht. Wir haben über einen Vernebler halt noch Cannabis gegeben und dann wurde er ganz ruhig und dann konnte man wirklich sehen, wie die Sauerstoffsättigung 70, 50, 40, 30 und 12 enden.

1:06:19Und dann war auch kein Atemzug mehr. Ja, aber wir waren halt alle dabei und er war dann auch ruhig. Er war dann auch wirklich ruhig. Ganz friedlich. Was hast du danach gemacht, als für dich klar war, dass er jetzt nicht mehr da ist? Ja, da habe ich dann die Assistenzkräfte noch kontaktiert. Die sind gekommen, eigentlich so um mich zu stützen. Und auch natürlich sich um Stefan zu verabschieden.

1:06:55Aber man ist dann, man kann gar nichts mehr so machen, also real denken. Das geht ja in dem Moment auch gar nicht. Man ist einfach irgendwie immer noch sehr nervös und irgendwie sagte einer, ich soll jetzt einen Arzt rufen wegen Totenschein. Da habe ich gesagt, ich weiß nicht, ein Dr. *** ist nicht da. Ich mache das morgen erst.

1:07:18Der ist ja morgen erst wieder da. Und ja, das kannst du doch nicht machen warum denn nicht also so ich kann ja sagen wann er gestorben ist und wir waren doch alle hier und dann hat einer von den Assistenzkräften der auch der war der uns am längsten begleitet hat geholfen nochmal den Stefan auszuziehen, zu waschen und seine Lieblingskleider, er war so ein wahnsinns Bayern Fan. Dann haben wir ihm so seine

1:07:52Lieblingsklamotten angezogen und ihm noch so Blumen auf die Brust gelegt und irgendwann gingen dann alle und dann habe ich mich zu ihm gelegt und habe ja auch neben ihm noch geschlafen. War zwar irgendwann dann ganz kalt, das ist natürlich komisch, aber ich habe ganz viel noch mit ihm geredet und am nächsten späten Nachmittag habe ich dann den Doktor angerufen, ob er kommen kann. Der Stefan ist tot. Dann ist er gekommen, hat sich auch sehr viel Zeit genommen. Und ja.

1:08:31Jetzt hast du ja dein Leben sehr, sehr stark nach ihm gerichtet und dich auch für ihn aufgeopfert und auch für deine Kinder. Jetzt ist natürlich einige Zeit vergangen. Wie gestaltest du denn dein Leben jetzt? Und was machst du jetzt ja das ist halt noch schwer

1:08:50erst mal ist man so rausgerissen aus dem leben wie als der unfall passierte mich selber wahrnehmen kann ich gar nicht und ich hatte das glück dass ich so eine Trauerreha machen konnte, also eine psychosomatische Reha mit dem Fokus Trauerarbeit. Da habe ich dann eben lernen können, dass es okay ist und gut und man auch lange trauern darf.

1:09:22Das ist halt wirklich super schwer. Erstmal haben wir die ganze Zeit ja viel miteinander gelebt und auch erlebt, aber sozial isoliert. Also so dieses Leben, sag ich mal, das kennen jetzt einige durch die Corona-Zeit so aus dem Lockdown. So war ja unser Leben. Die Kontakte waren halt die Therapeuten und Assistenten. Und das fiel ja jetzt dann auch weg.

1:09:53Und dann war halt einfach nur Leere. Ich wusste gar nicht, was ich machen sollte. Also ich hatte natürlich diese Zeiten von Pflege und du musst in Aktion gehen, so drin. Ich bin losgelaufen und wollte Ernährung holen oder einen Katheter holen und laufe dann da zu dem Bett und nee, geht nicht, ist nicht. Und ich wusste nicht mehr mit mir anzufangen. Ich habe auch vergessen wirklich zu essen, zu trinken.

1:10:23Ich bin mit dem Hund gegangen. Das habe ich immer gemacht. Aber die Kinder, die mussten mich wirklich an alles erinnern. Das war irgendwie für mich alles nicht so wahrzunehmen. Es war einfach irgendwie, ich weiß nicht, ich habe es verlernt. Und dann durch die Reha ist halt auch noch ganz was anderes wieder aufgebrochen, was auch lange vergraben war.

1:10:53Habe ich aber das Glück, dass ich halt therapeutisch jetzt unterstützt werde. Und dann ist immer wieder die Frage, was machen sie denn gerne? Weiß ich nicht. Ja, dann gehen sie doch mal mit einer Freundin einen Kaffee trinken. Ja, kann man machen, kann man auch sein lassen. Also, das ist mir alles so nicht so wichtig.

1:11:24Ich versuche halt so reinzufinden. Ich habe dann Reha-Sport begonnen, damit ich unter Leute komme. Das hat mich aber auch irgendwann überfordert und mit meiner Therapiegruppe, das ist so fester Bestandteil, da fühle ich mich wohl. Natürlich musste ich auch überlegen, so wie geht es jetzt überhaupt weiter, weil kein Einkommen da. Das habe ich erstmal alles nur so schleifen lassen und verdrängt. Also es war mir einfach gar nicht bewusst und wichtig zu Anfang. Und erst in der Reha haben wir es dann geschafft,

1:12:06dass ich einen Antrag auf Bürgergeld gestellt habe. Weil man hat ja keinen Anspruch auf Krankengeld oder Arbeitslosengeld oder sowas. Weil man hat ja nicht gearbeitet für den Staat. Da ist man, also in den zehn Jahren bin ich aus jedem Raster rausgefallen. Da ist gar keiner mehr, der einen irgendwo auf dem Schirm hat. Ich konnte mich dann noch um die Belange kümmern, so alles gut abzuwickeln, obwohl ich das auch schon nicht mehr durfte. Weil ich hatte ja Betreuungsurkunde, die endet mit dem Tod.

1:12:38Dann darf man gar nichts mehr. Und konnte aber dann auch noch die Beerdigung so gestalten, wie wir uns das vorher geplant hatten. Ja, dann war meine erste Idee, vielleicht als Assistenz zu arbeiten für jemanden, der auch so betroffen ist.

1:12:55Und es gab auch so einen glücklichen Zufall, dass ich da jemanden kennenlernen konnte, der auch wirklich sehr nett war. Und die Frau halt auch noch berufstätig. Eine Krankheit, die halt schleichend sich verschlechtert und dann zum Ende führt. Und das konnte ich mir gut vorstellen, aber noch nicht so schnell. Und das war dann plötzlich im September der Fall, dass eben die Frau,

1:13:22die vorher zur Betreuung da war, Corona bekam und nicht mehr hinkonnte. Und dann wurde ich gefragt, kannst du einspringen? So, weil ich kann jetzt keinen Urlaub mehr nehmen. Und geht das? So für ein paar Stunden habe ich dann auch gerne gemacht. Und ich war natürlich völlig reingeschmissen. Aber also die Kommunikation war fast auch schon nonverbal. Es war sehr schwer, ihn zu verstehen.

1:13:50Aber wirklich ein ganz lieber Mensch auch mit starken Schluckbeschwerden, wo ich auch schon immer Angst hatte, wo ich gedacht habe, vielleicht dann doch irgendwie Brei gekostet lieber. Und sie wollten das aber so, so das, was er eben noch erleben konnte. Das war für ihn eine bewusste Entscheidung und eben auch ein bewusstes Wahrnehmen.

1:14:13So ... Ich weiß gar nicht, ich war die zweite Woche dort. Das hat mich eigentlich total überfordert. Ich war noch ganz viel in Trauer, konnte aber auch mit der Frau darüber reden. Und wir haben auch Pläne geschmiedet, dass wir auch mal Ausflüge machen und so.

1:14:30Dann ist das passiert, dass er in meiner Betreuung in der Zeit sich verschluckt hat, aber auch so schlimm verschluckt hat, aber auch so schlimm verschluckt hat. Also ich hatte ihm das so portionsmundgerecht zubereitet, das Essen. Und ich merkte schon, er hat Probleme mit dem Schlucken. Er wollte noch was reinstopfen. Und da habe ich gesagt, so, nee, jetzt schluck erst mal. Und dann hat er sich wirklich verschluckt

1:15:05an einem Stück Wurst, was er nicht gekaut bekam oder nicht gekaut hatte in dem Moment. Dann ist er meinem Beisein gestorben, erstickt. Das war ganz, ganz furchtbar, weil ich habe versucht, was ich konnte. Ich habe dann, denn die hatten so einen Hausnotruf, das habe ich auch alarmiert. Ich habe erst versucht, das aus dem Mundraum rauszukriegen, weil ich das ja von Stefan auch kannte, aber es steckte wirklich tief drin. Und dann habe ich

1:15:37ihn halt, also es ging auch so schnell, also wirklich so schnell, als er zusammensackte, er saß im Rollstuhl, dann wusste ich ihn nicht aus dem Rollstuhl zu kriegen, alleine auf dem Boden für die Wiederbelebung und habe ihn quasi so auf mich gekippt, mich an die Wand gestützt und von oben gedrückt und gefühlt dauerte das natürlich Ewigkeiten, bis die Rettung da war. Es waren aber tatsächlich nur sieben Minuten, also alles gut. Da hat es aber dann noch sehr lange gedauert, bis sie dieses Wurststück dann mit dieser Mängelzange rauskriegten.

1:16:12Er kam dann wieder zu einem Kreislauf, stabilen Kreislauf, konnte auch abtransportiert werden, ist dann aber letztendlich nicht wieder wach geworden. Und dann war für mich, das war noch vor der Reha, weil da hatte ich irgendwie gedacht, ich war so voller Power mit Stefan. Ich war so stark, ich hab alles geschafft, auch das Unmögliche möglich gemacht. Und dann dachte so, das ist, was ich kann. Aber das hat mich dann so niedergerissen,

1:16:46dass ich gedacht habe, ich bin gar nicht mehr, ich empfinde nicht mehr, ich kann auch nicht mehr. So ich brauche definitiv Pause, es ist alles zu viel. Ja danach, als der Arzt starb, da war es echt schwer. Also dann habe ich gedacht, ich schaffe das nicht. Ich habe es noch mal versucht als Assistenz irgendwo. Wie gesagt, also Bürgergeld hatte ich noch nicht beantragt. Das habe ich auch immer gedacht, das will ich nicht und das brauche ich nicht. Es muss doch irgendjemand jetzt auch mal da sein, der

1:17:17mich unterstützt. So der so kommt und sagt, das ist der Weg und ich gehe mit dir. Aber von Behörden kommt nichts. Es müsste so eine aufsuchende Hilfe geben, definitiv. Ja, über die Reha habe ich das dann geschafft mit der Caritas. Jetzt habe ich eine Ambulante Bevo. Und das ist alles in die Wege geleitet.

1:17:43Ich bin therapeutisch unterstützt und ja genau, mache jetzt einen Fahrdienst für Behinderte, weil alles andere macht mir Angst. Und das geht gut, die sind lieb. Das mache ich gerne. Und es sind halt zwei Stunden am Tag und mehr schaffe ich auch nicht. Was denkst du über die gesellschaftliche Wahrnehmung von pflegenden Angehörigen und den Herausforderungen, die da mit sich gehen?

1:18:11Wie wirst du da unterstützt von der Gesellschaft? Also man wird nicht unterstützt. Wenn man nicht aktiv in der Lage ist, sich Unterstützung zu suchen, dann wird man nicht unterstützt. Das ist ganz viele pflegende Angehörige von zumindest intensiv pflegebedürftigen Patienten, also soziale Hirnverletzte in der Regel sind ja sehr intensiv. Die brechen aus dem System, aus dem sozialen Leben.

1:18:40Und ich habe dann auch irgendwann gesagt, so ich habe halt meine virtuellen Freunde. Wir haben uns einmal auf der Reha-Messe getroffen, tatsächlich mit ein paar von denen. Und ansonsten waren wir halt so, das ist quasi eine Selbsthilfegruppe auf Social Media. So, weil alles, wo immer gesagt, ja, da wird ja Unterstützung gegeben, da muss man aber hin und man kann nicht dahin, weil man eben Pflege macht zu Hause. So wie die Leute sich das denken, das geht eben nicht. Du hattest vorhin von dem persönlichen Budget gesprochen. Was genau ist das? Ja, das ist wirklich eine gute Unterstützung, die der Staat vorsieht, die aber keiner kommuniziert.

1:19:30Also man muss schon selber schwer betroffen sein, eine Behinderung haben. Und jeder behinderte Mensch oder von Behinderung bedrohte Mensch hat den Anspruch darauf. Man muss natürlich quasi sozial schwach sein, dass sich also selbst nicht leisten können. Das sind die meisten ja dann in dem Fall. Also viele, die im Bürgergeld landen. Dann finanziert der Staat die Unterstützung, die der pflegebedürftige oder behinderte Mensch

1:20:02für sich braucht. Das heißt also man stellt so einen Plan auf, wo wird Unterstützung benötigt. Also bei manch einem ist es sozial. Also Unterstützung halt zum Beispiel einkaufen zu gehen oder Events zu besuchen, Konzerte besuchen oder sowas und auch natürlich Pflege, Behandlungspflege, möglichst das selbstbewusste Entscheiden von allen Alltäglichkeiten, Unterstützung bei eben Gängen wie Therapien oder Arztterminen. Ja genau, dann

1:20:41ist halt der behinderte Mensch der Chef quasi. Also so kann man das sein. So im Arbeitgebermodell heißt es dann und sucht sich die Unterstützung, die er wirklich will. Es ist dann nicht so wie ein Pflegedienst, der kommt und sorgt dafür, dass man gewaschen ist und ernährlich die Medikamente gestellt oder verabreicht sind und gepflegt halt, also Kleidung und so was, sondern eben mehr das Soziale, also das Gesellschaftsleben unterstützend. Das fällt für viele ja weg. Und wenn man nicht

1:21:16von Geburt an behindert ist und in dieses System dann eine unterstützende Schule und Werkstatt für Behinderte. Wenn man als normaler Arbeitnehmer irgendwann in dieser Situation ja oftmals durch Unfälle, Schlaganfälle, Herzinfarkte gerät, dann ist man in diesem System ja nicht drin. Aber so kann man sich diese Unterstützung und Hilfe selber suchen. Ja. Hattest du noch mal Kontakt zu dem Unfallverursacher?

1:21:51Nein. Ich weiß, wer das ist und es gab nie einen Kontakt und ich hatte immer gedacht, er würde sich irgendwann mal melden und fragen, wie es denn überhaupt dem Stefan oder uns als Familie geht oder sich entschuldigen. Aber da war nie was. Hättest du dir das gewünscht?

1:22:11Ja, das hätte ich mir sehr gewünscht, weil man versucht ja immer mit irgendwas abzuschließen. So wenn sowas Ende offen ist, dann das ist ja immer das Schlimmste zum Aushalten. Und das wäre für uns wichtig gewesen. Was würdest du denn anderen Angehörigen empfehlen, die in einer ähnlichen Lage sind oder waren wie du es bist oder warst?

1:22:36Ja, sich wirklich Unterstützung holen und zwar über das persönliche Budget. Da muss auch keiner Fachkraft für sein. Da braucht man keinen Pflegedienst für. Natürlich, wenn man beatmete Patienten hat, dann kann das auch über einen Assistenzdienst gehen, die eben Arbeitnehmer vermitteln.

1:23:01Aber es war bei uns jeder ungelernte Kraft und ich habe die so eingearbeitet, dass sie uns halt unterstützen konnten. Ja und das ist ganz wichtig, dass die Menschen das wissen, weil das kann entlasten, weil man hat dann auch mal einen Gesprächspartner. Man kann auch sagen, okay, kannst du mir was mitbringen, wenn du zum Dienst kommst, weil ich schaffe es gerade nicht weg oder so.

1:23:31Also das erleichtert viel, weil die Kinder haben ja zu Anfang, dann als der Lukas dann den Führerschein hatte, so dann ging er eben einkaufen, dann der nächste, dann der nächste so, so dass eben alles irgendwie immer auf der Familie gelastet hat und so kann man eben so Teilbereiche dann abgeben und wie gesagt das kann ja auch sauber machen sein, Gartenarbeit sein. Es muss ja nicht immer das Ernähren sein oder das Wischen, Waschen, Windeln.

1:24:13Die ganze Körperpflege habe ich immer gemacht, weil Stefan das auch nicht mochte, dass jemand anders ihn pflegt. Aber so unterstützend das Essen zubereiten oder so. Das ist dann Gold wert, wirklich. Was wünschst du dir für deine persönliche Zukunft? Dass ich irgendwann wieder frei sein kann in meinen Gedanken.

1:24:41Dass ich wieder spontan sein kann, dass ich nicht diese Ängste habe. Ja, es muss nicht viel Gesellschaftsleben sein, aber mich frei bewegen können von Angst. So, dass ich die Psychopharmaka irgendwann nicht mehr brauche. Das wäre auch noch schön. Und wenn das so ist, dass ich halt als Physiotherapeutin,

1:25:09ich kann nicht mit Menschen alleine in einem Raum sein und schon gar nicht mit Menschen, die dann immer wieder neu kommen oder andere sind, das macht mir halt alles Angst, hat aber auch einen anderen Hintergrund noch. Und ich würde mir wünschen, ein Sicherheitsgefühl wieder haben zu können und eben auch mal, wenn ich eine Idee habe, die umsetzen zu können. Das wünschen wir dir auch. Vielen lieben Dank, dass du dich uns geöffnet hast und ich finde, du bist eine wirklich, wirklich sehr, sehr starke und inspirierende Frau. Danke schön. Danke. Und wir wünschen dir und deiner Familie alles Liebe und alles Gute für eure Zukunft.

1:25:49Das hat mich sehr gefreut. Hier noch eine Anmerkung. Wenn du von den besprochenen Themen betroffen bist oder Unterstützung benötigst, bitte zögere nicht, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Hol dir Unterstützung bei professionellen Hilfseinrichtungen oder dir vertrauten Personen.

1:26:05Bis zum nächsten Mal bei Von Bohne zu Bohne. Du willst selbst bei uns dabei sein? Dann melde dich auf unserer Website oder unserer Social Media.

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