Verfolgt von der Stasi - geflohen in den Westen der DDR #36 Klaus-Peter
Shownotes
Klaus-Peter erzählt von seinem Leben unter ständiger Überwachung durch die Stasi und seinem mutigen Plan, der DDR zu entfliehen. Er erlebte hautnah, wie das System der DDR immer erdrückender wurde. Seine Freiheit war eingeschränkt und Reisen wurden ihm verwehrt.
Wie fühlt es sich an, in einem Staat zu leben, der jeden Schritt überwacht? Klaus-Peter beschreibt, wie es ist, wenn das eigene Leben bis ins kleinste Detail kontrolliert wird.
Klaus-Peters Website: https://pbinnova.de/
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0:00:00Stell dir vor, du kommst in einen Raum, vor dir sitzt ein Mensch und du hast keine Ahnung, wer das ist. Das passiert mir in jeder Folge bei unserem Podcast von Bohne zu Bohne. Mein Name ist Charlotte und ich weiß vorher nichts über unsere Gäste. Kein Name, keine Information, keine Themen. Also werden meine Fragen auch deine Fragen sein.
0:00:20Ich bin Sanja und ich suche die Gäste. Hier achte ich darauf, dass es Menschen mit spannenden Persönlichkeiten und faszinierenden Erlebnissen sind. Und genau die wollen wir mit euch teilen. Bist du bereit, gemeinsam mit Charlotte neue Geschichten kennenzulernen? Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge. Mein Name ist Charlotte.
0:00:39Mein Name ist Sanja. Mein Name ist Klaus-Peter und ich wurde jahrelang von der Stasi observiert. Ui, hallo. Hallo Klaus Peter. Darf ich Peter sagen? Ja, gerne. Okay, ich freue mich, dass du heute Gast bist. Habe ich nicht erwartet. Wir befinden uns in einer Werkstatt und ich dachte, es geht um etwas in diese Richtung.
0:01:06Aber nein, siehe da, wir gehen in eine andere Richtung. Wo würdest du denn sagen, Peter, beginnt deine Geschichte? Meine Geschichte beginnt eigentlich mit der Geburt. Okay, dann darfst du da gerne starten. Ja, ich bin typisch ein Kind der DDR, wurde dort geboren, ging in den Kindergarten, in die Schule, absolvierte eine Lehre, war Soldat dieses Staates und habe dann auch dort
0:01:32ein Studium abgelegt bis zu meiner genehmigten Ausreise. Was hast du denn studiert? Ich habe Sport und Deutsch studiert. Und deine genehmigte Ausreise bedeutet jetzt genau was? War die gezielt mit dem Sinne, dass du das, was du gelernt hast, auch anwenden kannst? Oder wo war die höhere Intention? Die Ausreise war eigentlich schon lange geplant. Nur habe ich nach Möglichkeiten gesucht, sie legal zu gestalten. Und das war war ein Prozess, der begann im Jahre 74. Okay, wie alt warst du da? 25. Was war deine genaue Intention, um legal sozusagen die Grenze zu überschreiten? Das ganze System wurde immer
0:02:15enger. In der Zeit, wo man sich entwickelt hat, waren die Dinge alle geordnet. Alles lief wie am Schnürchen. Es gab keinen Stillstand in der Entwicklung bis zu einem gewissen Punkt, wo ich gesagt habe, hoppla, jetzt fühle ich mich immer wieder eingeengt und eingemauert. Und diese Mauer, die lief ja bei uns in der DDR direkt vor der Haustür und ich wurde täglich mit diesem Tatbestand konfrontiert. War sie direkt in der Sichtweite von dir oder wie genau können wir das verstehen? Ja, die Mauer lief in Eisenach, die grüne Grenze, die Demarkationslinie.
0:03:04der dann im späteren gefolge meine ausreise betrieben hat du hast jetzt gesagt du wurdest immer mehr eingeengt was genau bedeutet das ja das bedeutet als ich das erste mal 1974 nach ungarn reisen wollte bekam keine Reisepapiere und durfte da bleiben, also in der DDR. Da dachte ich, naja gut, dann probierst du es das nächste Mal, das nächste Jahr. Und dann habe ich das im Jahre 75 wieder probiert, eine Genehmigung zu bekommen für Ungarn. Und die bekam ich auch nicht.
0:03:54Es sind ja recht viele nach Ungarn und nach Tschechien ausgereist, sag ich mal. Warum hat das bei dir nicht geklappt? Da war mir schon instinktiv klar, ich bin ins Fadenkreuz der Stasi geraten. Denn ich hatte mein Reiseziel nach Ungarn mit Schopron angegeben. Das liegt am Neusieder See und der Neusieder See liegt bekanntlich in der Nähe von Österreich. Und habe sinnigerweise schon ein Zelt nach Schopron geschickt, weil ich mit dem Motorrad dorthin fahren wollte. Und dieses Zelt sollte dann eben mein Nachtquartier sein, um das Gelände ausfindig zu machen.
0:04:35Die Papiere bekam ich nicht und sechs Wochen, acht Wochen später bekam ich mein Zelt aus Ungarn zurück. Paket ungeöffnet. Aber was wolltest du dort genau ausfindig machen? Ich wollte nach einer Möglichkeit suchen, durch den Neusiedersee zu schwimmen. Und das war für mich zum damaligen Zeitpunkt die für mich die schnellste und vielleicht auch einzigste Möglichkeit, da ich mich mit dieser Materie, die DDR so schnell wie möglich zu
0:05:05verlassen, eben noch nicht so beschäftigt hatte. Als was hast du zu dem Zeitpunkt gearbeitet? Genau, da war ich noch im Schuldienst, 74, 75 und bin dann in Unehren entlassen. Ach Moment mal, warum bist du in Unehren entlassen worden? Ja, weil ich, durch dass ich keine Ausreise bekam oder keine Besuchserlaubnis oder Reisepapiere, war ich der geächtet war. Aber woher weiß dann die Schulinstanz, dass du derjenige bist? Die Verknüpfung von Staatssicherheit zu staatlichen Einrichtungen und Institutionen war nahtlos. Also
0:05:50die Stasi war überall im Bilde. Die wusste, wer bei mir ein- und ausgeht. Die wusste, wie lange ich wo innerhalb der DDR verweilt bin, die wussten meine Wege zum Rechtsanwalt Vogel. Also die wussten in der Tat alles. Und ich hatte immer den Eindruck, von 24 Stunden bin ich 48 Stunden observiert worden. Mir fällt gerade noch so ein bisschen schwer, was die genaue Intention dahinter war, den See zu durchschwimmen. War die Idee dahinter, die Grenze damit zu überschreiten? Ja genau, die Grenze wollte ich damit überwinden,
0:06:30denn sie war ja in der DDR schier unüberwindlich durch Selbstschussanlagen, durch Sperrzeune, durch Wachposten. Aber in der Tat hoffte ich in Ungarn durch dieses Gewässer, Neusieder See, eine Lücke zu finden. Das war natürlich abenteuerlich. Heute bin ich froh, dass es nicht geklappt hat, denn ich habe den Weg dann anders begangen, dass ich auf dem legalen Weg die DDR verlassen konnte. Also ich kenne tatsächlich, habe ich mal von einer Geschichte gehört, bei dem ein Mann tatsächlich über den, ich nenne es mal Fluss- oder Seeweg,
0:07:06die Grenze überschritten hatte. Es gab wohl einen einzigen Mann, der das geschafft hat. Vielleicht wäre ich der Zweite. Wer weiß, also der Weg hatte funktioniert. Okay gut, das hatte nicht geklappt. Wie ging es dann für dich weiter? Dann war für mich klar im Jahr 75, als ich keine Reisepapiere bekam, jetzt ist Schluss mit lustig. Ich habe mich jetzt in der Tat so überführt gefühlt.
0:07:33Die haben was gegen mich. Und weil meine Perspektive in der DDR dann eigentlich aussichtslos war, habe ich mich entschieden, den legalen Weg zu gehen. Den legalen Weg der Ausreise. Und zu diesem Zeitpunkt gab es ja dann auch schon die Schlussakte von Helsinki, in der ganz explizit beschrieben worden ist,
0:07:55dass jeder Mensch das Recht hat, sein Land, in dem er wohnen, leben will, selber wählen kann. Und das war für mich die Legitimation, diese Ausreiseanträge zu begründen. Dann habe ich mir Hilfe geholt beim Rechtsanwalt Bernhard Vogel in Berlin-Friedrichsfelde-Ost, Reiler
0:08:34Straße 4. Und zudem bin ich dann in regelmäßigen Abständen gefahren und er hatte mich dann auf dieser Liste der Ausreiseanträge geschrieben, habe sie so gut wie möglich begründet, damit sie auch einsichtig sind und immer wieder gehofft, man bereift das endlich, jemand das nicht mehr will und man ihn ziehen lässt. Die Folge war, ich bekam viele IEMs, IEMs sind informelle Mitarbeiter der Stasi, die in Wechselschicht mich begleitet haben, aber für mich nicht immer einsehbar. Sechs IMs, das heißt 24 Stunden, alle vier Stunden ein Neuer.
0:09:25Und die mussten dann ihre Berichte an den Stasi-Verbindungsoffizier schreiben. Und dieser wieder musste diese Berichte an den Koordinationsoffizier geben. Also ich war durchleuchtet von den Füßen bis zum Kopf. Was ich tat, was ich machte, das war völlig schon bei denen bekannt. Die wussten, wer meine Freunde sind, die ich dann immer weniger hatte. Man hatte sich von mir abgewendet, weil ich war ja ein böser Mensch, in Anführungszeichen, weil ich mit dem Staat nichts mehr zu tun haben wollte. So und so lief dann die Ausreise mit in 36 Anträgen begründet weiter. Das muss ja recht teuer gewesen sein, also dich so lange zu beobachten in so einem
0:10:15fließenden Wechsel, da muss man ja wirklich gedacht haben, du bist ein ganz schön schwer krimineller. Die Stasi war ein unglaublich entwickelter Apparat. Die hatten über die DDR flächendeckend in jeder Stadt, in jedem Dorf hatten die ihre informellen Mitarbeiter. Also wenn jemand in Rostock eine Luftmatratze gekauft hat, dann sind die Alarmglocken an der Küste Ostsee DDR schon in der Grenzsicherung angegangen. Hier hat jemand eine Luftmatratze gekauft, weil man unterstellt hat, der kann mit der Luftmatratze über die Ostsee paddeln. Also das System war sehr, sehr, sehr durchorganisiert.
0:10:56Wenn du aus dem Schuldienst entlassen wurdest, was hast du dann beruflich gemacht? Dann habe ich erst mal nichts getan, weil keiner wollte mich haben, weil die volkseigenen Betriebe waren ja alle unter staatlicher Leitung. einen Abtrünnigen ein in seinen Betrieb, der möglicherweise die anderen aufwiegelt. Ich bekam dann eine Stelle als Industrie-Instandhaltungsmechaniker in einer Weberei und die habe ich dann ausgefüllt, so recht und schlecht. Ich habe sie halt gemacht, damit ich von der Straße
0:11:33um nicht Gefahr zu laufen, dass ich kriminalisiert werde, weil Leute, die nicht arbeiten, sind asozial. Und das war nicht mein Streben und ist auch nicht meine DNA. Und habe dann so weitergearbeitet und bekam dann ein Angebot als Umschüler. Umschüler in der Elektrobranche. Das habe ich angenommen und habe dann die Umschulung gemacht in Bad Langen-Salza und bin dann bis zur Facharbeiterprüfung gekommen, bis zur praktischen.
0:12:10Aber die theoretische hat man mich nicht machen lassen. Da durfte ich nicht nach Erfurt in die Berufsschule. Da war ich schon so weit auf der Ausreiseliste, dass man mir das nicht mehr genehmigt hat. In welchem Jahr sind wir gerade? Im Jahr 1978. Aber warum hat man dir das nicht genau genehmigt? Weil man weiß, du bist ein
0:12:27Abtrünniger in Anfangzeichen oder weil man weiß, man kann aus dir keinen klaren Nutzen mehr ziehen, weil du vorhast zu gehen? Meine Entscheidung wegzugehen war ungebrochen. Also es hätte kommen können, was ich wollte. Ich habe entschieden, ich gehe hier weg. Und das war die Motivation, die mich dazu befähigt hat, das auch durchzustehen. Dann habe ich eben auf diese theoretische Prüfung verzichtet und habe gesagt, so jetzt ist Schluss mit... also jetzt will ich das gar nicht. Also ich nehme
0:12:58keine Geschenke an, um mich zu kaufen. Ich bin nicht käuflich. Das war der Grund. Also mit Zuckerbrot und Peitsche geht da nichts. Das wollte ich nicht. Mich würde mal interessieren, wie du dich gefühlt hast, als sich deine Freunde alle nach und nach von dir abgewendet haben und du gar nicht die Möglichkeit hattest, deinen Job auszuüben. Was hat das mit dir gemacht? Das hat mit mir gemacht, dass ich mich auf meine eigenen Kräfte besonnen habe.
0:13:31Ich habe dann im Pferdestall meiner Schwiegereltern eine Werkstatt eingerichtet und habe dann Teile gebaut, Maschinen gebaut, die es in der DDR nicht gab. Also kleine Bandschränke, die konnte man nicht kaufen, außer im Indoor-Shop, da braucht man aber Westgeld. Und habe dann andere Teile gefertigt, sodass ich da gut gelebt habe. Ich bin nicht aus materiellen Kunden aus der DDR weg, es waren einzig und allein die Dinge, die mich umgeben haben, diese Zwänge, dieses Reglementieren, dieses Vorschreiben und die Individualität ist auf der Strecke geblieben, oder wäre auf der Strecke geblieben, wenn ich da länger geblieben wäre.
0:14:19Die Freunde, die sogenannten Freunde, haben sich sichtlich zurückgezogen, um auch für sich irgendwelche Nachteile zu vermeiden. Weil wer ist schon gerne mit einem aussätzigen, politisch aussätzigen Zusammen, der dieses System ablehnt? Und meine Freunde, in meinem Alter auch, waren ja auch schon in Führungsstellen. Sie haben studiert, waren Ingenieure, waren Ärzte. Und wer wollte sich mit dem System anlegen, ob seiner wirtschaftlichen Sicherheit. Das wollte niemand. Ich habe mich angelehnt, weil ich oder habe mich damit beschäftigt,
0:15:01weil ich wusste, das hier ist nicht die Zukunft. Hat deine Ehefrau ähnliches erfahren? dann geheiratet, die wollte ja auch die DDR verlassen und ist bei dem Versuch über die grüne Grenze zu flüchten erwischt worden, also gefasst worden und musste daraufhin nach Bautzen in Haft wieder entlassen und bekam eine Stelle in einer Näherei. So und da hatten wir, wir haben uns zufällig getroffen und wir fanden, dass wir die gleichen Interessen haben. Dann haben wir dann geheiratet.
0:15:51So war der Weg. Hat deine Ehefrau auch Verachtung erfahren, aufgrund dessen, dass du dich dafür entschieden hast, diesen Weg zu gehen? Nein, sie war ja schon gebranntmarkt, indem sie einen missglückten republikfluchtversuch unternommen hatte. Also sie hatte sich schon damit identifiziert, ich will sowieso weg und wenn der Peter weg geht, dann gehen wir doch zusammen. Und dann war der weg eigentlich vorbestimmt. Und sie
0:16:21war dann bis zum Schluss in der Näherei? Ja, sie hat dann die Näherei gekündigt, also dieses Arbeitsverhältnis gekündigt mit der Maßgabe, dass sie für diesen Staat nicht zu arbeiten weiter bereit ist. Und damit war das Thema erschöpft. Und dann haben wir eben die Ausreiseanträge miteinander geschrieben, als Familie. Und das war natürlich für die Obrigkeit der DDR ein, ich sag mal, einen Seitenschuss, weil sie jetzt eine Familie ausreisen lassen mussten. Also nicht mehr nur einen, sondern zwei.
0:16:59Das war für sie besonders unangenehm. Warum war das besonders unangenehm? Ja, weil das hatte jetzt schon etwas so wie Massencharakter. Aus einem Ausreisewilligen wurden zwei Ausreisewillige. Und wenn man dem nicht Einhalt gebietet, dann wären es vielleicht immer mehr. Und das konnten die sich oder wollten die sich nicht leisten. Du hast jetzt schon gesagt, dass du von Kopf bis Fuß durchleuchtet wurdest, verfolgt wurdest und quasi nie alleine irgendwo unterwegs war. Was hat das mit deinem Gefühl von Privatsphäre gemacht?
0:17:36Das war so, dass wenn ich frühmorgens aus dem Haus raus bin, ich hatte ja schon ein Auto für DDR-Verhältnisse, war das ein Privileg, ich konnte es mir leisten wirtschaftlich, bin ich schon drei Ehrenrunden ums Auto gelaufen, um zu sehen, ob irgendwo die Radmuttern gelöst waren oder Nägel drunter gelegt waren. Es hat mich zu größerer Vorsicht auch gemahnt, also nicht mehr so, ich bin einer, der sehr offen seine Meinung sagt, aber da habe ich begonnen, dieses, was ich tue, nicht zu kommentieren.
0:18:09Da hatte ich ausreichend eine Plattform in den Ausreiseanträgen. Da konnte ich mein Anliegen darlegen, wie ich meine Ausreise begründet habe. Aber in der Öffentlichkeit habe ich mich vornehm zurückgehalten. Das war auch der Grund oder das war auch das Ansinnen des Rechtsanwalts Vogel, der mir immer wieder sagte, gehen sie nicht auf die Barrikaden, verhalten sie sich ruhig, provozieren sie nicht, sonst wird man sie eines Tages abholen. Was das bedeutet,
0:18:43weiß ja jeder. Wenn du sagst, du warst vorsichtig oder du warst letztendlich bedacht in dem, was du tatst und wie du dich bewegst. Würdest du sagen, es hat dich nachhaltig beeinflusst, mit auch noch heute, wie du dich verhältst? Ne, heute muss ich sagen, ich bin dafür bekannt, so zu sein, wie ich immer war. Ich sage meine Meinung und Missstände, die ich erkenne, die sage ich auch und benenne sie und begründe sie. Aber das war eben in der DDR nicht möglich.
0:19:16Die DDR hat sich eigentlich selber ihr Grab geschaufelt, weil sie die Massen gleichgeschaltet hat und einer, sprich die Regierung, alles ältere Herren, die gesagt haben, wie man lebt und wie man nicht lebt. Und das hat natürlich viele, viele Menschen negativ gestimmt auch missmutig sie waren nicht so motiviert wie man es eigentlich von jungen Menschen erwartet und die Ausreisewelle mit Biermann ist ein signifikantes Beispiel dafür dass
0:19:51irgendwann mal das Fass zum überlaufen kam und die Ausreisewilligen wurden der dann auch immer mehr. Ich stelle mir die Frage, gerade wenn man das Gefühl hat, man bekommt einen Maulkorb vorgesetzt, man kann sich nicht kundtun, wie man es gerne machen würde und der Freundeskreis steht nicht hinter einem. Was hast du dafür getan, um dich überhaupt ausleben zu können in der Zeit? Genau. Ich habe in der Zeit, dann war ich ja arbeitslos, habe in der Zeit diese Werkstatt betrieben, in dem ich diese Bandsägen gebaut habe, ich habe Betonmischer gebaut, Kreissägen gebaut und dafür gab es einen
0:20:31unglaublichen Markt und hatte damit auch ein hohes wirtschaftliches Niveau. Ich konnte mir also ein Auto kaufen, für das ich 5000 Ostmark mehr bezahlt habe, als es neu gekostet hätte. Kurze Zwischenfrage, wie lange hat es gedauert, bis das Auto bei dir war? Das war ein gebrauchtes Auto. Und dieses gebrauchte Auto war schon sechs Jahre alt. Und ich habe 5000 Ostmark über den Neupreis bezahlt, um es überhaupt zu bekommen.
0:21:07Also der Automarkt war ungesättigt. Und das Trinkgeld hat entschieden, wenn du ein gebrauchtes Auto haben wolltest oder kaufen wolltest, wie hoch ist dein Schmiergeld. Und da waren es bei mir 5000, da habe ich dieses Fahrzeug bekommen, war ich der glücklichste Mensch der Welt. Das hat mir mehr mobile Freiheit gegeben. Ich konnte von einer Stadt in die andere, obgleich ich wusste, mein Kennzeichen ist überall im Fadenkreuz der Stasi, der Volkspolizei. Das ist ja kein Problem, Kennzeichen zu identifizieren. Und immer wenn ich nach Berlin
0:21:42gefahren bin zum Anwalt Vogel, bin ich auf der Autobahnzufahrt in Gotha Richtung Berlin von den Vobus, sprich Volkspolizei, kontrolliert worden. Wohin wollen sie und was machen sie dort und und. Das wurde zusätzlich noch unterstützt, weil ich keinen Personalausweis mehr hatte. Man hatte mir mit dem ersten Ausreise Antrag, den ich gestellt habe, meinen legitimen Personalausweis der DDR abgenommen und ich bekam eine Identitätskarte. Eine Identitätskarte, das war ein Faltblatt mit Passbild und einer PKZ, Kennzahl. Und da wusste jeder Volkspolizist oder jeder Verkehrspolizist bei einer Kontrolle,
0:22:29die PKZ XY hat die und die Identität in Sachen politischer Zuverlässigkeit. Und wer mit dem Auto nach Berlin fährt, das Teil übrigens heißt PM12, also diese Personenkennkarte, die war schon höchst gefährlich für die weitere Sicherheit. Da ist man bestrebt, immer aufzupassen, fährt jemand hinter dir von der Volkspolizei oder vor dir oder wird gefunkt und und und. Und dann konnte ich mit diesem Auto mehr Beweglichkeit erreichen. Also Berlin, Erfurt, ich bin ja auch nach Erfurt in die Bezirksstelle der Stasi eingeladen worden, aber nicht zu Kaffee und Kuchen, sondern zu einem Dienstgespräch,
0:23:27dringendem Dienstgespräch oder zum Amt, Rat des Kreises, aber auch nicht zu Kaffee und Kuchen. Und da wurde mir eröffnet, wer die Macht hat. Also wir entscheiden wer geht und das waren immer so Drohgebärden. Aber die wusste ich, dass sie man so verfehrt und wem die Argumente ausgehen, der fängt an und droht. Menschen mit Argumenten brauchen nicht drohen, die können argumentieren. Du hast gesagt, dass du im Prinzip einen extra Ausweis bekommen hast. Haben das nur Personen bekommen, die unter
0:23:59Beobachtung stehen, sodass letztendlich die Stasi und die Polizei direkt weiß, da müssen wir aufpassen? Die PM12, diese Personenkennkarte, haben Leute bekommen, die im Fadenkreuz der Stasi schon drin waren. Man konnte ihren Standort jederzeit ermitteln, wo war er, wann. Und diese sechs informellen Mitarbeiter der Stasi, die haben hier genau Protokoll geführt. Bei jedem EM-Mitarbeiter gibt es ein Protokoll. Ich wusste ja nicht, dass das EMs sind. Die haben ja nicht auf der Post geschrieben, ich bin informeller Mitarbeiter. Die gaben sich sehr jovial und sehr, Peter, wie geht's, was machst
0:24:46und und und ich war ja da nicht argwöhnisch, sondern habe eher überlegt, ne, netter Kerl. Heute, wenn ich meine Stasiakte sehe, sind über 300 Seiten, und sehe die geschwärzten Namen, die da herinnen stehen, konnte ich oder kann ich anhand der wörtlichen Rede ermitteln, wer war das. Und siehe da, es waren Ängste mit, also Ängstefreunde, frühere Freunde, damals auch noch Freunde oder Studienkollegen, die sich da bei der Stasi als Mitarbeiter eben angeboten haben. Wann hast du im Endeffekt erfahren, welche
0:25:25Personen das genau waren? Als ich meine Stasiakte bekam ich die geschickt auf Antrag natürlich in kopierter Form und mit geschwärzten Namen. Okay, aber hast du die mit einmal alle Unterlagen bekommen oder musstest du da auch ordentlich nachbohren? Die Unterlagen bekam ich in einem Paket zugestellt auf Antrag im Jahre 97. Okay und das war aber einmal alles gesammelt oder hast du immer nur stückchenweise häppchenweise irgendwas? Ein komplettes Paket bekam ich da. Man hatte alle Unterlagen, die personenbezogen über mich gesammelt oder dokumentiert waren, mir zugestanden. Du hattest ja zu diesem Zeitpunkt nicht genau
0:26:18gewusst, wer dich beobachtet und wer zur Stasi gehört. Jetzt ist die Frage, hast du auch nachdem du die Grenze übertreten, hattest du noch Kontakt mit der einen oder anderen Person gehabt? Nein, ich konnte ja 1979 zur DDR keinen Kontakt mehr herstellen. Ich bin ja mit Ministerbefehl vom Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke, des Landes verwiesen worden, per Fernschreiben. Das heißt, ich wurde zur persona non grata verurteilt und mir ist eine Frist gesetzt worden bis 10 Uhr das Territorium der DDR zu verlassen, da ich sonst in Haft genommen werde, weil ich mich widerrechtlich auf dem Gebiet der DDR aufhalte.
0:27:02Und da war für mich klar, ich habe jetzt einen neuen Wohn- und Lebensort gewählt und in den wollte ich mich natürlich auch integrieren und war dann bereits schon im Oktober 1979 an der PH Ludwigsburg immatrikuliert, weil mein Studium in der DDR insoweit nur anerkannt wurde, da ich da nur als Fachlehrer hätte arbeiten können und keinen vollen Lehrauftrag bekam. Und so habe ich das Fach Deutsch und Germanistik noch dazugenommen noch dazu genommen und bin somit dann nach erfolgten Zusatzstudium an der PH in Ludwigsburg voll in den Schuldienst der Bundesrepublik Deutschland übernommen
0:27:48worden. Da musst du uns jetzt einmal ganz kurz auf die Sprünge helfen. Du hattest gesagt, du hattest diese Werkstatt. Wie kam es dazu, dass du denn das Land verwiesen wurdest und wie schnell ging das? Du solltest bis 10 Uhr raus sein und wann hattest du aber den Bescheid bekommen? Den Bescheid hatte ich eine Woche vorher bekommen vom Volkspolizei-Kreisamt. Die waren dafür zuständig.
0:28:08Dann musste ich zum VPKA, Kurzform für Volkspolizei-Kreisamt, und bekam eröffnet, dass meine Ausreise genehmigt ist. Und ich habe noch einige Formalitäten zu erledigen. Das ging ja sehr gesittet. Ich hatte ja ein Auto, das wollte man mir nicht mitgeben. Ich sagte, wie soll ich denn da in die Bundesrepublik Deutschland? Ja, sie fahren mit dem Zug. Und dann habe ich gesagt, nein, ich fahre mit dem Auto. Nein, dann können sie nicht mit dem Auto. Da brauchen sie eine Ausfuhrgenehmigung geholt
0:28:55für dieses Auto. Somit war der Transport über die Grenze schon mal geregelt. Die anderen Formalitäten waren Bankkonto auflösen, Schuldenfreiheitserklärung abholen und all die Dinge, die musste ich in der Woche erledigen. Und dann eben am Tag X war es so, dass ich bis 10 Uhr das Gebiet der DDR verlassen musste. Ich bekam dann noch eine Urkunde.
0:29:23Ich bin dann aus der Staatsbürgerschaft der DDR entlassen worden. Die Urkunde hat 20 Ostmark gekostet. Und ich durfte 20 Liter Benzin tanken. Mehr durfte ich nicht tanken. Und bin dann über die Demarkationslinie Eisenach, Herleshausen, gefahren und damit war der Grenzübergang relativ unproblematisch, denn ich hatte ja alle Dokumente dabei, bin nochmal
0:29:53kontrolliert worden, auf den Kopf gestellt, Radkappen ab, Seitenverkleidung ab. Gott sei Dank haben sie nicht alles gefunden. Mein Staatsexamen hatte ich dabei, Facharbeiterprüfung, also meine ganzen persönlichen Dokumente, die man eben so hat im Leben, die konnte ich unbeschadet mitnehmen. Wie kam es denn dazu, dass du dann die Ausreisegenehmigung bekommen hast? Ja, natürlich hatte ich in der Zeit, in der ich meine Ausreise schrieb, auch immer unangemeldeten Besuch. Die kamen ins Grundstück und haben unter dem Vorwand zum Beispiel Brandschutzkontrolle,
0:30:33die Scheune und alles auf den Kopf gestellt, um irgendwo zu eruieren, vielleicht baut er sich ein Fluchtfahrzeug. Und da ich als junger Mensch schon mit dem Flugsport ein bisschen verbunden war und auch Soldat war an der Offiziersschule in der Luftstreitkräfte, Luftverteidigung in Kamenz, hat man schnell so eine Verbindung hergezogen, hey, der könnte abhauen mit dem Flugzeug. Und so gesehen haben die natürlich auch meine Werkstatt gesehen, was ich hier mache und so, ich bastel ein bisschen.
0:31:10Somit war das gut. Aber die Kontrolle, die erfolgte immer unangemeldet. Und dann manchmal war ich da, manchmal war ich nicht da. Es sind die trotzdem gekommen, wir haben hier die Aufgabe, Brandschutzkontrolle zu machen. Und dann kam der Zoll, noch zum Thema an dem Tag, an dem ich wegfuhr. Einen Abend kam der Zoll von Erfurt, ein Oberleutnant.
0:31:35Und der hat dann aufgepasst, was ich alles einlade. Also er hat es streng aufgeschrieben. Also ich hatte ja einen Anhänger, den habe ich auch gehabt für die DDR-Verhältnisse, ein Privileg. Er hatte schon einen Pkw-Anhänger, das war etwas Besonderes, mit Plane. Und da hat er alles aufgeschrieben, was hineinkam in den Anhänger, damit ich nichts mitnehme,
0:32:01was vielleicht DDR-Kulturgut ist. Und so habe ich dann den Hänger über Nacht bewacht wie ein Augapfel, damit ja niemand an der Zollschnur herum bastelt, die war ja verblombt. Und in Eisenach an der Grenzübergangstelle kam dann diese Mannschaft von Polizei und Zoll und und hat alles nachgeguckt, ob niemand an dem Hänger manipuliert hat. Aber mein Auto haben sie auseinandergenommen. Da konnte ich nichts machen. Man hatte aber die anderen Teile alle gut versteckt im Auto. Jetzt hast du gerade eben von dem Tag berichtet, an dem du letztendlich die
0:32:41Grenze überschritten hast. Wie war das Gefühl für dich? Das ging, wie sagt man, das ging plumps. Das war so wie, das kann doch nicht wahr sein, habe ich es wirklich geschafft. Also dieses von A nach B unbeschadet zu fahren, trotz aller Widrigkeiten. Aber jetzt hast du es gepackt. Jetzt kannst du einfach durchatmen. Zu allem Unglück, muss ich vielleicht sagen, kam da auch noch ein Gewitter auf. Da wurden plötzlich die ganzen Mannschaften, Polizei und Grenze, die wurden wach, die kamen mit Hunden überall,
0:33:21weil ein Gewitter, da kann man gute Möglichkeiten haben zu flüchten. Und an dem Schlagbaum, an dem ich dann stand, das war der letzte, es gab drei Schlagbaumkontrollen, am letzten rollte dann so ein Betonblock über den Weg. Das heißt, die Straße war so fünf, sechs Meter breit und da kam aus dem Hang ein Betonklotz auf Schienen gerollt. Da war die ganze Straße zu mit dem Betonklotz. Also ein Durchbrechen war da nicht mehr möglich. Aber dann musste ich nochmal stoppen
0:33:55und dann wurde der wieder zurückgefahren nach dem Gewitter. Das waren zwei, drei Stunden. Und Dann kam ich in Herleshausen an und bekamen dann auch Essen. Begrüßungsgeld gab es ja auch, das war so üblich. Hattet ihr direkt eine Anlaufstelle? Wusstet ihr, wo ihr hingeht? Richtig. Mein Vater kommt ja aus Ostpreußen und die waren im Westen gelandet nach dem Krieg. Und er hatte schon Kontakt zu dem wieder aufgenommen.
0:34:26Und da hatten wir dann dort für die ersten beiden erste Woche unser Bleibe. Wir mussten nicht ins Übergangs oder ins Notaufnahmelager. Wir sind dann recht schnell integriert worden und runter nach Baden-Württemberg. Hast du oder habt ihr ähnliches im Zuge von Ausgrenzung oder so erfahren, weil ihr aus dem Osten kamt? Eigentlich nicht. Ich wusste, wer ich bin. Ich habe eine solide Ausbildung. Ich habe ja vorher Werkzeugmacher gelernt, richtig wie sich das gehört und habe dann auch studiert und dachte,
0:35:02was soll mir passieren. Die kochen alle nur mit Wasser und war natürlich auch bereit, mich insoweit zu integrieren, dass ich nicht nur als Fachlehrer gehe und mit einem halben Lehrauftrag, sondern das Angebot vom Kultusministerium angenommen habe und noch das Ergänzungsstudium gemacht habe mit allen drum und dran, mit Unterseminarschein, Oberseminarschein, Sammelschein, die Unterrichtsprüfung, wissenschaftliche Hausarbeit,
0:35:31die musste ich alles noch mal schreiben und bin dann 83, sprich nach vier Jahren schon verbeamtet worden. Oh, das ist recht schnell. Ja, ich musste ja eine Leistungsziffer bringen. Und von den 80 Referendaren, die wir waren, waren sechs, die sind auf den direkten Wege reingekommen.
0:35:53Also nicht mit Dreiviertel-Lehrauftrag oder so etwas, sondern die sind direkt reingekommen. Und zu denen habe ich gehört und habe dann gleich einen vollen Lehrauftrag erhalten und das war in Ordnung. Also ich hatte nie einen Tag der Arbeitslosigkeit. Wie alt warst du denn genau, als du die Grenze überschritten hast? 33.
0:36:1233 und bist du dann fertig mit Studium und Co. warst, warst du dann ungefähr 36? Ja. Okay. Wie hast du dich gefühlt, als du dann endlich wieder Privatsphäre für dich hattest, wo du dir sicher warst, dass du nicht verfolgt wirst? Ja, ich konnte auch in der Schule mich einbringen mit meinen Ideen und Gedanken.
0:36:33Ich konnte dazu beitragen, dass das eine oder andere, was nicht in Ordnung war, kritisieren und musste nicht Angst haben, reglementiert zu werden. Es gab Ansprechpartner, Personalräte, Und die haben dann so in einer Art ausgleichend Gespräch nach Wegen und Möglichkeiten gesucht, den Missstand zu verändern. Und das kannten wir nicht.
0:37:03In der DDR, in der Spartakiadeschule, in der ich war, also eine Schule mit besonderem sportlichen Anspruch, da war es gegeben, sie fahren am Wochenende mit ihren Schülern zum Wettkampf und da hat niemand gefragt, ob ich das kann zeitlich. Sie fahren, sie haben die Aufgabe, unsere Schüler zu betreuen. In der Deutschland-West-Bundesrepublik könnten sie es einrichten. Man hat Möglichkeiten
0:37:34gesucht, um diesen Tatbestand so zu gestalten, dass er für alle Parteien verträglich ist. Es wurde also nichts von oben herunter delegiert und unten hat es gesagt, ja, mache ich oder mache ich nicht. Also ich erinnere mich an eine Sache, das war 1974, das war eigentlich so der entscheidende Es wurde gefeiert, 25 Jahre DDR. 74, 49, 25. Ich habe mich verweigert, an diesen Feierlichkeiten teilzunehmen.
0:38:12Aber nicht verweigert, dass ich gesagt habe, ich komme nicht, sondern ich habe mich ins Krankenhaus legen lassen und habe eine Manteloperation über mich ergehen lassen, sodass ich gar nicht im Ort war, sondern im Krankenhaus lag und bin nach 14 Tagen Mandel-OP wieder zurückgekommen und da waren die Feierlichkeiten vorbei. Und ich hatte eine Legitimation, schade, dass ich nicht teilnehmen konnte.
0:38:40Also ich habe dann aus der Notsituation eine Tugend gemacht und war also somit nicht greifbar. Aber das war schon die erste aktive Protesthaltung. Ich hatte mit dem Mandeln manchmal zu oft Angina und dachte, ach jetzt passt die Gelegenheit, jetzt lass dich operieren. Und dann hat man in Gotha, weiß ich noch, im Oktober die Mandeln operiert. Und als ich zurückkam, 7. Oktober war DDR-Geburtstag, drei Tage vorher rein, und da war ich weg vom Trubel und eine Woche später bin ich wiedergekommen.
0:39:16Etchebetsche. Schon habe ich das auch gemeistert. Das war schon eine aktive und natürlich die Schulleitung, der Rektor, ehemaliger Leutnant der Hitlerwehrmacht, der auf Russen geschossen hat und jetzt waren die Russen seine Freunde, der hat mich natürlich zum Rapport gebeten. Man hätte ja diese Mandel-OP auch verlegen können nach den Feierlichkeiten der DDR, sprich nachdem der ganze Festakt vorbei war. Und zu diesem
0:39:51Zeitpunkt bekam die Schule den Staatstitel hervorragendes Pädagogenkollektiv. Und ich Ich musste im Nachhinein diese Medaille auch annehmen, persönlich vom Rektor überreicht, weil ich ja dazu gehört habe, nominell noch, und musste selbst dann das annehmen. Das konnte ich nicht verweigern. Das war so, da wäre ich gleich rausgeflogen. Und so war eigentlich die Vorgeschichte.
0:40:20Also ich habe emotional immer probiert, wie kannst du dich entziehen? Also eine innere Kündigung habe ich ausgesprochen. Also wenn man innerlich kündigt, dann überlegt man sich nur noch nach den Modalitäten. Wie kann ich es machen, damit ich nicht in Ungnade falle. Ich wollte auch nicht anecken. Und zum Darmlegen-Zeitpunkt war das die einzige Legitimation für mich,
0:40:42zu sagen, Leute, ich konnte ja nicht, ich war ja krank. Und lag im Krankenhaus, bin operiert worden. Schade, dass ich nicht an den Feierlichkeiten teilnehmen konnte. Mir tut es leid. Würdest du sagen, das was du dir aus dem Westen erhofft hast, wie das Leben ist, ist dann auch eingetreten? Im Punkte Freizügigkeit ja, individueller Lebensgestaltung ja und manchmal wünschte ich mir, dass man mehr so auf die junge Generation hört, die ja ihr Leben noch vor sich hat und nicht die Fußstapfen der Alten treten muss,
0:41:20sondern eigene Fußspuren hinterlassen muss, eigene Lebensräume schaffen muss. Da könnten wir gut dran arbeiten, aber da hat die Schule, denke ich, guten Einfluss, dass man sagt, wir probieren Lebensformen, die für die junge Generation zukunftsträchtig sind. Das kann ich mir da gut vorstellen. Was machst du heute? Also heute bin ich ja im Ruhestand, im verdienten Unruhestand.
0:41:51Und weil es zu Hause möglicherweise manchmal auch langweilig werden kann, habe ich mir überlegt, zu meinen beruflichen Wurzeln zu gehen, nämlich Handwerk wieder zu leben und dieses Handwerk zu leben, indem man neue Dinge entwickelt. Entwickelt für Menschen, die Hilfe brauchen. Und zwar gerade die Menschen, die Hilfe brauchen, sind oft noch eine soziale Randgruppe und werden dann meistens von anderen Menschen betreut und das ist ja auch sehr kostenintensiv und sehr aufwendig und auch ein Stück weit eine Freiheitseinschränkung, aber mit Hilfsmitteln, die wir entwickeln, in dem Falle ich, schaffen wir die
0:42:36Möglichkeit, die Menschen wieder in eine gewisse Unabhängigkeit zu bringen. Sie können auf die fremde Hilfe verzichten und es ist auch eine Kostenfrage, eine Kostenfrage für den Steuerzahler, wenn man nicht Personen bezahlen muss, die für andere Leute Hilfe leisten, sondern die Betroffenen sich selber helfen können. Und diese Dinge sollen ja nicht Bastelcharakter tragen, sondern sie sind patentiert und zertifiziert. Das ist ganz wichtig, dass auch die Kassen Patienten diese verordnet bekommen können. Auf welches bist du denn besonders stolz, wenn du jetzt mal eins genauer beschreiben könntest?
0:43:21Eigentlich könnte man keins hervorheben mit den Teilen zum Beispiel einer Strumpfanziehhilfe. Da haben wir einen einen Markt bekommen, so muss ich es mal salopp formulieren, der von vielen Menschen angenommen wird, weil die Freiheit, wenn man sich die Strümpfe anziehen will, so gegeben ist, dass niemand jemand gerufen hat oder geschickt hat, sondern er kann sagen, ich mache das jetzt und kann dann weiter den Tagesablauf beginnen. Aber es gibt viele andere, wir haben da zehn Produkte entwickelt, die allesamt zertifiziert und geschützt sind. Also da geht es nicht nur um einen. Das ist so ein ganzes
0:44:08Paket, weil die Einschränkungen oder die Fremdhilfen werden dadurch immer mehr abnehmen und die Souveränität der Betroffenen wird zunehmen. Die sagen, ich kann das noch, ich brauche niemanden. für mich so eigentlich der beste Lohn. Worauf bist du bei deinem bisherigen Leben besonders stolz drauf? Ich bin stolz vielleicht nicht, aber ich bin mir auch in ernsthaften Situationen treu geblieben. Also ich bin nicht umgeknickt oder eingeknickt, sondern das was ich wollte
0:44:44habe ich durchgesetzt. Natürlich gegen den Widerstand vieler Menschen, ganzer Regierungen. Aber ich war deshalb erfolgreich, weil ich es haben wollte. Es war meine Entscheidung und ich muss mit der Entscheidung auch leben. Auch wenn es manchmal schwierig war. Wenn es Unwegsamkeiten gab. Wenn es Umwege waren.
0:45:11Also mit einem Flugzeug die DDR zu verlassen, wäre vielleicht möglich gewesen, aber das wäre der Weg, der schnellste Weg gewesen. Und ich bin den umständlichen, den komplizierten vier Jahre, habe ich gebraucht, 36 Ausreiseanträge geschrieben, unglaublich viele Observationen ertragen, sodass ich sage, und das hat mich stark gemacht, noch stärker. Also es hat mich bestärkt, wenn du von etwas überzeugt bist, dann setz es durch oder lass es.
0:45:45Und ich war überzeugt. Das mache ich und fertig. Und da war nicht die wirtschaftliche Seite im Vordergrund. Ich hatte so viel Geld durch meine Arbeiten in der Werkstatt, also nebenbei arbeiten. Ich konnte mir alles leisten. Ich habe alles kaufen können in der DDR.
0:46:05Ich habe alles gehabt, was ich wollte, aber das, was da drin schlägt, war nicht da. Das konnte man nicht kaufen. Und das war der Punkt. Und der hat über manche Schwierigkeit hinweg geholfen. Wenn du heute einen Satz an die Jugend von heute richten könntest, welcher wäre das? sich von seinem Ziel nicht abbringen lassen. Auch wenn es schwierig wird, durchzustehen, diesen Weg zu gehen, dann ist der Erfolg, mag er noch so klein
0:46:35sein, dann ist der Erfolg aber umso größer. Was wünschst du dir für deine Zukunft? Noch viele gute Ideen, die es möglicherweise gibt, wenn man dann aber auch gesund bleibt und die verwirklichen kann, ist das nochmal so etwas, wonach man streben kann, aber nicht unbedingt muss. Danke dir, danke dir, dass du deine wirklich bewegende Geschichte mit uns geteilt hast.
0:47:01Danke und wir wünschen dir alles Liebe und alles Gute für deine Zukunft und dein Unternehmen. Da ebenfalls danke an euch. Du willst selbst bei uns dabei sein? Dann melde dich auf unserer Website oder unser Social Media. dich auf unserer Website oder unser Social Media.
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