#31 Willie Buntz: Wo Gefühle verstummen

Shownotes

In dieser Podcast-Folge erzählt Willie seine packende und tragische Lebensgeschichte, die wie ein Krimi beginnt, jedoch tiefe Einblicke in das Schicksal eines Jungen gewährt, der von Anfang an keine Chance hatte. Bis zu seinem 21. Lebensjahr hat Willie 148 Straftaten begangen – doch wie kommt man so weit? Willie erzählt uns von seiner Kindheit, die von Vernachlässigung, Verlassenheit und Verzweiflung geprägt ist.

Hört zu, wenn Willie offen und ehrlich seine Vergangenheit offenbart – eine Geschichte, die fesselt, schockiert und zum Nachdenken anregt.


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Transkript anzeigen

0:00:00Triggerwarnung! Bevor wir beginnen, möchten wir dich auf etwas Wichtiges hinweisen. Uns sind deine Sicherheit und Gefühle wichtig. Wir möchten gewährleisten, dass du dich während des Hörens unseres Podcasts wohlfühlst und keine unerwarteten Auslöser erlebst. In dieser Episode werden wir Themen ansprechen, die für einige Hörende verstörend sein könnten. Zu Beginn der Folge stellen wir das Thema vor. Falls du denkst, dass das genannte Thema für dich persönlich belastend sein könnte, dann möchten wir dich bitten, die Folge direkt zu beenden. Stell dir vor, du kommst in einen Raum, vor dir sitzt ein Mensch

0:00:34und du hast keine Ahnung, wer das ist. Das passiert mir in jeder Folge bei unserem Podcast von Bohne zu Bohne. Mein Name ist Charlotte und ich weiß vorher nichts über unsere Gäste. Kein Name, keine Information, keine Themen. Also werden meine Fragen auch deine Fragen sein. Ich bin Sanja und ich suche die Gäste. Hier achte ich darauf, dass es Menschen mit spannenden Persönlichkeiten und faszinierenden Erlebnissen sind. Und genau die wollen wir mit euch teilen.

0:01:01Bist du bereit, gemeinsam mit Charlotte neue Geschichten kennenzulernen? Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge. Mein Name ist Charlotte. Mein Name ist Sanja. Mein Name ist Willi und bis zu meinem 21. Lebensjahr hatte ich schon 148 Straftaten hinter mir. 148 Straftaten bis zu deinem 21. Lebensjahr? Ja.

0:01:31Eieiei, da ist ja eine lange Karriere dahinter, sagen wir es mal so. Stimmt, stimmt, stimmt. Wie hat das angefangen bei dir? Weißt du, wenn jemand kriminell wird, keiner wird freiwillig kriminell. Oftmals ist es so, dass manche Dinge, die in der Kindheit passieren, die prägen einen Menschen. Man sagt doch, die ersten drei Jahre eines Menschen, die sind die Jahre, wo den Menschen prägend fürs ganze Leben. Und bei mir war es so, schon als meine Mutter schwanger

0:02:06war, hat sie immer gesagt, nee, das Kind will ich nicht haben. Ihr könnt machen mit dem Kind, was ihr wollt. Ich fass dich füttern, ich fass dich entwickeln, ich mach nichts mit dem Kind. Meine älteste Schwester, damals so drei, vier Jahre alt, die hat nicht so versorgt, wie es es gewohnt war, ihre Puppen zu versorgen. Aber sie hat es falsch gemacht. Mit drei Jahren. Ja klar. Ich war unterernährt, ich hatte überall Ausschlagen im Körper und ich muss furchtbar geschrien haben und es geschrieben wurde meiner Mutter zu viel und sie setzte mich in so einen Kinderwagen

0:02:41rein und fuhr raus aus unserem Dorf bei Ulm und wir haben zu früh so ganz große Felder gehabt und hat mich einfach in so einen Feldgraben gelegt und fuhr mit dem leeren Kinderwagen weiter. Sie hat mich ausgesetzt. Warum aber dich? Es gab ja noch die ältere Schwester. Hat sie sich denn um sie gekümmert? Sie war für meine beiden Schwestern, die älter sind als ich, war sie eine geniale Mutter. Und ich habe herausgekriegt, nach mir, nachdem mein Vater sich getrennt hat von ihr, hatte nochmal fünf Kinder gekriegt. Und sie war eine geniale Mutter.

0:03:19Was bei mir war, wissen wir alle nicht. Weißt du, dass mein Leben so kriminell geworden ist, hat eine Vorgeschichte. Definitiv. Und ich persönlich glaube, dass meine Mutter mich ausgesetzt hat. Hatte auch eine Vorgeschichte. Wir kennen sie zwar nicht, aber es macht keine Mutter freiwillig. Ich wurde gefunden, ich kam ins Krankenhaus, ich war sieben Monate im Krankenhaus und ich schwebte so zwischen Leben und Tod.

0:03:47Ich war vor einiger Zeit mal wieder in Ulm und habe einen Abend gehalten über die kriminelle Sache von mir und ganz vorne saß eine alte Diakonissenschwester. So wie es bei den Katholen gibt es doch diese Nonnen, so gibt es bei den Evangelischen diese Diakonissen. Und es sitzt vorne und die ist nur am weinen. Ich denke, was hat sie denn? Ist das ein armer Satz, warum weint die so? Hinterher komme ich mit ihr ins Gespräch und dann sage ich, was ist los mit dir? Du weinst den ganzen Abend. Kann ich irgendwas für dich tun? zu mir rum und nimmt meine Hände in ihre Hände und die Tränen laufen runter, weißt du, da sagt sie ah, my Helmele, my Helmele. Und es stellt sich heraus, diese alte Diakonissenschwester

0:04:55war damals im Pedestalkrankenhaus in Ulm auf der Kinderabteilung und hat mich sieben Monate gepflegt. Jetzt weiß ich warum sie geweint hat, weil sie war so gerührt. Ihr Helmle hat überlebt. Die Ärzte, die sagten meinem Vater, ihr Kind ist nicht normal. Ihr Kind hat abgeflachtes Normverhalten. Was es bedeutet, keine Ahnung. Ihr Kind wird wahrscheinlich nie richtig zur Schule gehen können. Ihr Kind wird nie lebenssüchtig sein, irgendwie, dass er mal einen Beruf lernt oder dass er mal

0:05:32heiratet. Das Beste wird sein, dieses Kind kommt irgendwo in ein Kinderheim für gestörte Kinder. Mein Vater hat es nicht geglaubt. Mein Vater hat mich nach Hause genommen, hat sich von meiner Mutter getrennt und hat dann 1956 wieder geheiratet. Ich wurde sogar eingeschult, weißt du, und schon allein die Einschulung war was Besonderes. Die Lehrerin, die frägt die Kinder und habt ja schon eine Idee, was wollt ihr später mal werden? Ah, und die Buben, die sagten, ja, ich werd Feuerwehrmann oder Polizist oder, oder Bauer oder sowas. Die Mädchen, Krankenschwester, Kindergärtnerin oder Stewardess oder Model.

0:06:19Will ein was will ich denn du mal werden? Und ich schau die Lehrerin an und sage, Frau, ich werde eines Tages Gangster. Warum ich Gangster werden wollte, keine Ahnung. Aber irgendwie war das mein Berufswunsch. Ich habe schon mit acht Jahren mein erstes Tattoo gehabt, weil ich habe gehört, jeder Gangster ist tätowiert. Ich habe gerne Indiane gespielt zum Beispiel und was ist die größte Beute eines Indianers? Das Kalb. Und wenn ich Mädchen gesehen habe mit Zöpfen, dann habe ich den Mädchen die Zöpfe abgeschnitten.

0:07:03Und dann merkte mein Vater, mit meinem Kind stimmt wirklich was nicht. Und er ging zu Psychologen, zu Psychotherapeuten. Es wurden Tests gemacht und dann sagten die einstimmig, das Kind ist so kaputt. Das Beste wird sein, das Kind kommt irgendwo in eine Einrichtung. Es ist in eine Einrichtung, so in ein Heim oder so. Von einem Heim ins andere.

0:07:34Immer wieder hat es geheißen, weg mit dem. Aber wurdest du dann auch ins Heim gebracht? Hat dein Vater das gemacht? Ja, ja, ja. Ich war in Patitzenbach, ich war in Feigenenz, ich war in Landau. Ich war in vielen, vielen, vielen Kinderheimen. Aber immer wieder, weg mit dem. Der ist für uns nicht tragbar, der ist für uns zu wild.

0:07:51Hat man dir nicht in einer Sekunde mal darüber nachgedacht, therapeutische Unterstützung anzumieten? Ich gehör von da gewesen. Das war, früher war es so, das war ja in den 60er Jahren, das war mehr Verwahrung wie therapeutisch. Ich glaube, heute würde man das ganz anders machen. Und dann ruft ein Heim an aus Fallingen-Ens, das ist ganz hier in der Nähe.

0:08:15Da gibt es ein Schloss, Schloss Kaltenstein nennt sich das. Und der Heimleiter, der ruft an, meinen Vater und sagt, Herr Bunz, ich weiß von ihrem Sohn, sie dürfen uns ihren Sohn bringen, wir werden mit ihm fertig. Wurde er nicht. Aber durch was passiert, weißt du, was mich geprägt hat dann für die nächsten 20, 25 Jahre. Ich habe eine Zwischenfrage, Willi. Warum kamen die Heime oder die Institution nicht mit dir zurecht. Ich hatte einen Spitznamen der Blutbadvillee. Ich habe immer Schlägereien gemacht und wenn die nicht genug geblutet haben, dann habe ich die Gesichter der Kinder am Raubwurz an der Wand so lange

0:09:04entlang gerieben, wie sie wirklich geblutet haben. Total verhaltensgestört. Und das war ein heimlich tragbar. Und jetzt komme ich nach Falkenhainz und da habe ich was erlebt, zunächst einmal, was sehr weh tut. Weißt du, wir waren die ganze Woche im Heim und dann siehst du am Freitagnachmittag, wie die Autos vorfahren. Und die Eltern kommen und nehmen ihre Kinder am Wochenende mit nach Hause. Und du bleibst alleine zurück, weil dich niemand mehr abholt. Das hat weh getan. Weißt du, mein Vater hat mich nie besucht. Von der Familie kam null Besuch. Wenn Besuch

0:09:50kam, entweder Psychologen, Psychotherapeuten oder Jugendamt und auf einmal heißt es, Willem, du hast Besuch. Und ich bin im Suchraum runtergegangen, da war eine jüngere Frau da. Ich denke noch, ach, schön, das ist eine vom Jugendamt. Und dann macht die den Mund auf. Hallo, Helme. Ich denke, wie spricht denn die?

0:10:18Hallo, Helme. Grüß dich. Weißt du, wer ich bin? Sag ich, ne. Ich bin deine leibliche Mutter. Ich habe keine Sau.

0:10:30Ich weiß nicht, ich weiß nicht, oh, will ich mich erzählen? Ja. Meine Mutter ist da. Was weiß ich von meiner Mutter? Ich weiß nur das, was mein Vater, wie man meine Mutter sagt.

0:10:50Wenn ich gefragt habe, Baba, wie ist denn meine Mutter? Ach, die kannst du vergessen. Deine Mutter ist eine Hure. Deine Mutter ist eine Schlampe. Und Helmut, es wäre besser gewesen,

0:11:05du wärst damals auf dem Feld verreckt. Tut das einem Kind gut? Ne. Wie alt warst denn du, als du deine Mama gesehen hast? Zehn Jahre alt. Aber an der Zeit dachte ich mir, Mensch, meine Mama ist da.

0:11:24Ich habe immer gesehen, wie am Wochenende die Eltern kamen und die haben ihre Kinder in den Arm genommen. Haben sich auf die Wange geküsst. Ihr kennt ja das auch, dass links und rechts Papa, Mama und Engel fliegen. Für euch ist das was völlig Normales. Mit mir hat noch keiner das gemacht. Weißt du, was eigentlich normal ist?

0:11:54Das kann der nicht. Dass der Vater dich in den Arm nimmt, dass die Mutter sagt, ich hab dich lieb, dass der Vater sagt, Willem, das was du gemacht hast, darauf bin ich stolz. Aber jetzt ist meine Mama da. Meine Mama holt mich ab. Ich habe nicht mehr dran gedacht, was mein Vater über meine Mutter sagt. Ich habe gedacht, boah, die ist gekommen, die holt mich ab. Endlich habe ich eine

0:12:19Mama. Endlich habe ich auch eine Familie. Da habe ich so gesehnt nach Familie. Und er sagt, wie soll ich jetzt gehen. Aber hat sie sich erklärt, hat sie erklärt, warum sie da ist und wieso sie dich zurückgelassen hat? Gar nicht, gar nicht. Was hat sie dir dann gesagt? Nur, hallo Helmi, ich bin da. Ich bin deine Mutter. Die wollte nur sehen, bis mir geht wahrscheinlich. Und dann, fünf Minuten später, wollte sie wieder gehen? Es waren zehn Minuten, und schon ging sie wieder.

0:12:47Sie war gerade in der Gegend wahrscheinlich und hat gesagt, komm da gucke ich mal. Und da geht sie wieder. Weil schon Feigenenz hatte früher den Bahnhof außerhalb von Feigenenz. Und ich habe mir vom Schloss aus ihr nachgeschaut. Und sie wurde immer kleiner, gell? Weil sie immer...

0:13:11Und ich habe mir gesagt, und das wird mir nie wieder passieren. Nie wieder. Mir tut niemand mehr weh. Und an diesem Tag habe ich mir befohlen, ich mir befohlen, ich will nie wieder etwas fühlen. Nie wieder. Und von diesem Tag an, bis ich 35 Jahre alt war, habe ich nichts mehr gefühlt. Nichts mehr. Weißt du, auf meinen Touren, auf meinen Touren, ich bin ja viel viel viel unterwegs, auf meinen Touren werde ich immer wieder gefragt, sag mal,

0:13:50aber wie ist es, als du zehn Jahre alt warst, kam der oder der in den Rollstuhl wegen dir. Hat dir das Ich muss ehrlich sagen, nein. Warum? Ich habe nichts mehr gefühlt. Weißt du, ich hatte noch ein Handicap. Ich hatte noch ein Handicap, wo alle gelacht haben über mich. Kennt ihr Menschen, die extrem stottern? Extrem stottern? Ich habe extrem gestottert, bis ich 35 Jahre alt war. Ich konnte nicht fließend sprechen. An dem Tag habe ich gesagt, ich will nichts mehr fühlen.

0:14:28Aber an dem Tag habe ich nicht nur nichts mehr fühlen wollen, sondern ich habe auch alle Freundschaften gekündigt. Ich wollte keine Freunde mehr haben, denn Freunde können wehtun. Ich wollte keine Freundschaft mehr haben, ich wollte nur noch gefürchtet sein. Und da begann meine kriminelle Karriere. Als du gesehen hast, dass deine Mutter gegangen ist, du hast jetzt gesagt, du hast für dich

0:14:54beschlossen, du willst nie wieder was fühlen. Kannst du das Gefühl beschreiben, was es damals in dir ausgelöst hat, als du sie gesehen hast und auch als du sie direkt wieder verloren hast? Wenn ich jetzt heute drüber nachdenke, glaube ich, sie hat mich das zweite Mal weggeworfen. Ich habe sie nämlich nie wieder gesehen. Ich habe mich wieder weggestoßen gefühlt. Weißt du, mein Vater zum Beispiel, mein Vater gut bevor er Christ war, okay, war er ein sehr, sehr gewalttätiger Vater. Mein Vater war jähzornig. Weißt du, wenn mein Vater mich strafen wollte,

0:15:37dann hat er mich nicht zu Hause gestraft, dann hat er mich in den Wald genommen, dass er die Schreie nicht so hört. Ich kannte meinen Vater nur als gewalttätigen Vater. Weißt du, und schon allein bin ich nicht, wenn er irgendwas gesagt hat und ich sollte antworten, und ich habe nicht gleich geantwortet, weil ich gestottert habe, da gab es eine rein. Nachdem deine Mutter sich verlassen hat, warst du ja noch immer im Heim. Wie ging es danach weiter? Wie ging es danach weiter? Ich habe angefangen meine Mitzügliche zu bestehlen zum

0:16:18Beispiel. Ich habe die Gruppenkasse geklaut und ich hatte immer einen Freiheitsdrang und bin so oft wie möglich aus dem Heim abgeflohen. Und immer wenn ich geflohen bin, dann bin ich nach Stuttgart gegangen. Ins Milieu. Mit 10. Es gibt jetzt momentan ein Hoffnungshaus in Stuttgart und die kümmern sich um Frauen, die im Milieu arbeiten müssen.

0:16:49Dass sie zur Ruhe kommen. Und da habe ich auch mal in dem Hoffnungshaus gesprochen und hinterher kommt eine ehemalige Dirne zu mir und legt einfach ihren Kopf an meine Schulter. Ach, Samson, du bist immer noch mein Wille, du bist immer noch mein Wille. Und ich stelle sich heraus, diese Dirne, die ich jetzt wieder getroffen habe, immer wenn ich vom Erziehungsheim abgehauen bin, hat sie mich versteckt vor der Polizei.

0:17:27Ich habe hier gewohnt. So begann meine kriminelle Karriere. Aber das Heim konnte mich nicht lange halten. Und sie hat mich in ein neues Heim gebracht, ein geschlossenes Heim. Da hatten wir so Ziergitter an den Fenstern, die Türe konntest du nur noch von außen aufmachen, eine eigene Heimschule.

0:17:52Da dachte ich, da kommst du jetzt schwer raus. Zur Heimschule gehe ich nicht, da habe ich keinen Bock gehabt. Du musst denken, ich habe nur fünf Schuljahre hinter mir. Damals habe ich nur fünf Schuljahre hinter mir. Im letzten Zeugnis stand drin, der Schüler Wilhelm Bunz konnte nicht benodet werden, weil er nicht mehr in der Schule war. Und dann sagt auf einmal ein Erzieher, wir probieren mal was. Wir fahren mit unserer Wohngruppe Camping machen. So einen Campingplatz mit Baggersee.

0:18:28Zum zelten. Mal schauen, wie ihr euch benehmt. Es dürfen alle mit. Außer der Willi. Es sei denn, er ist in der Lage,

0:18:40sich einigermaßen normal zu benehmen in der nächsten Zeit. Was bedeutet das? Ich darf keine Schlägereien mehr machen. Ich darf keine Zöpfe mehr abschneiden. Ich muss höflich und freundlich sein. Ich weiß nicht einmal, wie man so etwas buchstabiert. Und ich muss zur Schule gehen. Aber ich muss

0:19:00was machen, denn wenn ich dann nicht gehe, bin ich weg. Und bei der nächsten Gruppensitzung sagt der Erzieher noch, Willi, ich habe gesehen, du hast dich bemüht. Du hast kaum eine Schlägerei gehabt. Du hast sogar den Mädchen keine Zöpfe abgeschnitten. Du warst einigermaßen höflich und freundlich und du hast dich wenigstens im Eingangsbereich der Schule ab und zu sehen lassen. Wir nehmen dich mit und ich dachte, du bist so blöd. Wenn du mich jetzt mitnimmst, siehst du mich nie wieder.

0:19:29Und soll ich dir was sagen? Wenn er mich das nächste Mal gesehen hat, das war 1993. Wir sind nach Österreich gefahren, nach Heiterwang, weißt du? Immer so Camping gemacht. Da gab es noch einen Heim, der Max, der wollte auch gehen, der wollte auch abhauen und wir haben so geplant. Wie machen wir es denn? Wann hauen wir ab? Wie machen wir es? Ja gut, hier ist Österreich, nebendran ist Ungarn, wir gehen nach Ungarn zu den Zigeunern, da finden sie uns nicht mehr. Das war so die Planung. Komischerweise. Und wir laufen

0:20:08über den Campingplatz, über den Parkplatz, kommen am Erzieher seinem Auto vorbei, da steckt der Schlüssel. Der ist aber auch doof. So doof war der gar nicht, weil der hat den Kick, der hat immer den Schlüssel verlegt. Und er hat sich gedacht, wenn ich das Schlüssel stecken lasse, dann verliere ich ihn nicht. Gut, auf jeden Fall ist das Schlüssel steckt und ich fragte Mats, Mats kannst du Auto fahren? Da waren wir vielleicht 16, 16 Jahre oder so. Kannst du Auto fahren?

0:20:42Sagt er, ne will ich du? Sag ich, ne, auch nicht. Aber ich habe gesehen, wie es mein Vater macht. Heute Nacht ist unsere Nacht. Weißt du, und wir waren besonders clever und haben das Auto aus dem Parkplatz raus geschoben, dass uns keiner hört und irgendwie habe ich den Wagen zum Laufen gebracht. Ich sitze in so einem Stoll, kann gerade über das Lenkrad gucken, weißt, aber endlich frei.

0:21:08So lange bist du Max, oh wie, guck mal ganz da vorne kommt Blaulicht. Ich habe gedacht, die wollten was von uns. Die wollten von uns gar nichts, gar nichts. Die waren irgendwo zum Einsatz, aber ich komme in Panik. Und jetzt sitze ich so am Steuer, weißt du, und suche die Bremse und die Bremse war weg. Ich habe die Bremse nicht mehr gefunden. Anstatt ich vom Gas runter gehe, weißt du, in der Panik, drehe ich mehr als Gas drauf und der Wagen wird immer schneller. Polizei kommt immer näher, Polizei biegt in die Vorfahrtstraße ein und ich fahre den Polizeiwagen frontal in die Fahrerseite rein.

0:21:52Der Polizist am Steuer war sofort tot, der hat sich das Handy gebrochen, der andere Beifahrer, der saß hinterher sein Leben lang im Rollstuhl. Ich wäre schon jetzt gelähmt. Du, ich hatte nicht einmal einen Kratzer. Ich hatte keinen blauen Fleck, nichts. Aber der Max nicht. Aber ich sage dir ganz ehrlich, mit 16 bist du noch ein Kind, wo wollen Kinder hingehen?

0:22:17Wir sind irgendwann in einem Wäldchen in der Nähe sind, in ein Wäldchen gegangen. Die Polizei hat uns geschnappt. Und dann brachten wir uns in ein Haus, und so etwas habe ich im Leben noch nicht gesehen. Das waren so ganz dicke Quartersteine, weißt du. Ganz hohe Mauer, weißt du. Und die Mauer, die ging ganz ums Karree rum. Auf der Mauer, da war so ein gerollter Stacheldraht.

0:22:40Auch ganz, weißt du, ganz außenrum. Und in dem Stacheldraht drin, da waren so kleine, feine Plättchen reingelötet, rasierklingend scharf. Und wenn jetzt jemand über die Mauer will und er greift in den Trag rein, ich sage das echt, der hackt sich selber die Finger ab. Und als ich das sah, fiel mir mein Vater ein. Ich war wenig zu Hause, aber ab und zu hat er mich doch mal am Wochenende geholt. Und mein Vater hat sein Leben verändert. Mein Vater wurde durch seine zweite Frau, wurde er Christ. Und immer wenn ich zu Hause war, hat mein Vater immer gesagt, Helme, du kannst auf Dauer nicht so leben, wie du jetzt lebst, das geht nicht. Helme, du musst dein Leben ändern. Weißt du,

0:23:27und die einzige Chance für dich ist, und er hatte recht, die einzige Chance für dich ist, dass du schon als Kind dein Leben Gott übergibst, dass er dich führt. Denn wenn du so lebst wie du jetzt lebst und da ändert sich nichts, dann kommt der Tag und du kommst ins Zuchthaus. Ich dachte das Zuchthaus ist geil, wow. Als Kind, weißt du, da wurden Hasen gezüchtet oder Vögel gezüchtet. Als wir da reingefahren sind, wusste ich, was mein Vater meinte.

0:24:07Ich bekam damals fünf Jahre verschärften Kerker. Verschärfter Kerker in Österreich ist ein bisschen anders wie hier in Deutschland. Verschärfter Kerker bedeutet zu deinen fünf Jahren bekommst du noch Zusatzstrafe. das heißt ein Fasttag im Monat, ein hartes Lager im Monat und einen B-Tag im Monat. Hartes Lager ist, dir wird die Matratze aus der Zelle rausgenommen und du musst eine Nacht auf dem Fußboden schlafen. Ein Fasttag ist, du bekommst eine halbe Scheibe Brot, ein Glas Wasser und das musst du reichen 24 Stunden, einmal im Monat. Und der B-Tag ist der

0:24:54sogenannte Prügeltag. Und zwar kommen dann zwei Beamtinnen, die zählen und die schlagen dich wie ein Hund, mit einem Gummifnüppel, damit du nicht vergisst, warum du im Gefängnis bist. Und immer jeden Monat an dem Tag, wo du deine Straftat begangen hast, bei mir war es der 16. April 1971. Also jeden Monat am 16. kamen die Beamten rein und haben mich geschlagen. Das war das verschärfste Kerker. War das aber ein Jugendgefängnis oder war das schon ein Erwachsenengefängnis? Ich war bei den Erwachsenen. Warum? In Österreich war das so, keine Ahnung.

0:25:34Das war aber deine erste offizielle Straftat? Das war die erste Straftat, wo sie mich erwischt hatten. Okay. War das die einzige Person, für dessen Tod du verantwortlich bist? Nein, nein, jetzt muss ich doch weiter erzählen. Siehst du, ich wurde nach zweieinhalb Jahren abgeschoben nach Deutschland. Das macht man in Deutschland auch so, da waren die Ausländer abgeschoben. Mein Vater ist ja Christ inzwischen. Der hatte entweder war es eine Reihenhaushaltung oder auf jeden Fall hat er sich eine Wohnung oder ein Haus gekauft. Und er sagte mir, Helme, wenn du versprichst, dass du nicht mehr kriminell bist, aber wenn du versprichst,

0:26:17dass du arbeiten gehst, dann darfst du zur Miete bei uns wohnen. Ich habe mir einen Job gesucht in Langenau als Hilfsarbeiter, bin morgens zur Arbeit, bin abends nach Hause. Ich habe nichts mehr gestohlen, kein Einbruch mehr gemacht, keinen Raub mehr gemacht, keine Zöpfe mehr abgeschnitten, keine Schlägereien mehr gemacht. Endlich habe ich es geschafft. Ich habe eine Zwischenfrage. Musstest du da nicht mehr ins deutsche Gefängnis, sondern du konntest direkt nach Hause zu deinem Vater?

0:26:46Ich musste noch ein halbes Jahr nach Rottenburg, weil ich damals gab es das gesetz noch, weil ich dem ansehen des deutschen staates geschädigt habe durch meine straftat. okay das heißt du warst in der summe drei jahre dafür im gefängnis. ja ja ja. okay und das mit 16 passiert das heißt du warst ungefähr 19. ja schon 19, 20. als du bei deinem vater warst. okay. jetzt pass auf, wo waren wir jetzt gerade? du hast gesagt du hast keine zöpfe abgeschnitten, du hast dir einen Job gesucht. Genau, endlich habe ich es geschafft. Ich war nicht mehr Krimineller.

0:27:19Und irgendwie war ich voll stolz auf mich. Und es hat genau gehalten. 14 Tage. Oftmals denk ich, wie kann das sein? Ich habe doch alles gehabt. Ich habe schon einen Job gehabt. Ich hatte eine kleine Wohnung oder ein kleines Zimmer oder egal was. Eigentlich habe ich keinen Grund mehr kriminell zu sein und trotzdem bin ich wieder kriminell geworden.

0:27:42Du weißt, dass es Albträume sind. Und wenn ein Mensch Albträume hat und er wacht nachts auf, der kann nicht mehr einschlafen. Warum? Weil der Traum beschäftigt ihn. Und ich habe immer wieder den gleichen Traum gehabt. Ich träume, wie ich den Unfall mache in Österreich. Ich sehe, wie ich in den Polizeiwagen reintunnere. Ich sehe im Traum, wie sich der das Genick bricht. Ich konnte nicht mehr schlafen.

0:28:10Weißt du, jetzt habe ich das einmal Arbeitskollegen erzählt. Sag ich, du, manchmal habe ich so komische Träume, du, und da kann ich nicht mehr einschlafen. Sag du, Willi, der hat dann Willi zu mir schon gesagt, Willi, das kenne ich, das hatte ich auch mal. Sag ich, was machst du da dagegen? Er sagt, weißt du, wenn ich abends nach Hause komme, ich trinke meine acht bis zehn Bier,

0:28:36und dann schlafe ich wunderbar. Ja, ich hab das sofort getestet. Und ich hab wirklich besser geschlafen. Aber die Träume kamen zurück. Weißt du, und dann hab ich halt mehr getrunken. Und es kam die Zeit, da bin ich schon betrunken in die Firma, betrunken in der Firma, betrunken nach Hause, betrunken ins Bett, betrunken in die Firma. Mein Chef hat mich entlassen und mein Vater

0:28:57setzt mich auf die Straße. Jetzt war ich ein Penner. Und da fiel mir ein, ich wollte doch Gangster werden, als Kind. Weißt du, und in Österreich, jetzt komme ich ganz normal zurück nach Österreich, da habe ich die Zelle geteilt mit einem der besten Taschendieben von ganz Frankreich. Und da habe ich meine Ausbildung gemacht als Taschendieb in Österreich. Weißt du, im Gefängnis lernst du immer noch das, was du noch nicht kannst. Das lernst du im Gefängnis. Und früher gab es die langen Samstage. Kennt ihr die noch? Nein.

0:29:40Einmal im Monat waren Samstage immer den ganzen Tag die Geschäfte offen. Und da waren die Menschen auf den Straßen. Da habe ich dann angefangen Brieftaschen zu ziehen und Ringe und Uhren und so weiter. Als es gut geklappt hat, da kamen die normalen Diebstähle, da kam ein Einbruch, da kam Raub, da kam Bankraub dazu. Es kommen die vielen, vielen, vielen, vielen Delikte. Der in Österreich, das war nur der einzige Mann, der gestorben ist.

0:30:06Da gab es einen anderen Mann und mit dem hatte ich eine Auseinandersetzung und eine Schlägerei und der ist auf den Boden gefallen und dann habe ich seinen Kopf genommen und habe ihn auf dem Randstein zertrümmert. Einen anderen habe ich auch eine Schlägerei gehabt und der ist dumm gefallen in der Kneipe mit der Schläfe an die Ecke vom Bad drehen und war auch tot. Weißt du, jetzt musst du denken, mein Vater ist gläubig, der wohnt in Ulm. In ganz Ulm wusste kein Mensch, dass ich wieder da bin. Die haben alle gedacht, ach der arme Herr, der kommt irgendwo immer heim

0:30:45für behinderte Kinder oder behinderte Erwachsene. Kein Mensch wusste, kein Mensch wusste, dass ich wieder da bin. Einmal bin ich am Juweliergeschäft vorbeigelaufen, in so einer Neustraße. Du, da hat es geglitzert dort drin. Ich habe gedacht, das ist alles für mich. Normalerweise, wenn ich einbrechen will, brauche ich eine Minute, dann bin ich drin.

0:31:10Aber ich war so was von betrunken, ich habe die Tür nicht aufgekriegt. Da bin ich zum Nachbarn, habe seinen Müllcontainer geholt, bin mit dem Müllcontainer reingefahren in den Juweliergeschäft. Am nächsten Tag stand groß in der Zeitung, ein Mülleimer von Thomas zugeschlagen. Weißt du, in Ulm, mein Vater hat die Predigt, mein Vater hat viele viele Dinge in der Kirche gemacht, wo er war. Und interessant ist, früher war es so, die Väter haben ihren erstgeborenen Kindern immer ihren Vornamen gegeben. Ich weiß nicht, ob man das heute noch so macht, weiß ich nicht. Also meine Söhne heißen nicht wie ich, aber mein Vater hat seinen erstgeborenen Sohn Wilhelm Bunz.

0:31:56Von mir wusste keiner in Ulm, dass ich da bin und es kommt in der Zeitung gesucht, Wilhelm Bunz. Und alle dachten, das war mein Vater. Da hat er gepredigt am Sonntag über die zehn Gebote und dann machte er am Montag einen Bankraub. Als er gelesen hat, wurde in der Zeitung gesucht und wieder an uns, wurde mein Vater von allen Ämtern enthoben, von allen Ämtern enthoben. Mit einem Mal konnte er sich nicht rechtfertigen und sagen, hör mal das ist mein Kind. Er wusste genau, dass es ich war, aber der hat nichts erwähnt.

0:32:29Der Kind hat damals die Kirche verlassen, ging in eine andere Kirche dann. Mir wurde der Boden zu heiß und ich bin nach Hamburg St. Pauli geflohen. Wie alt warst du denn, als du nach St. Pauli bist? Wie alt war ich? Jetzt muss ich rechnen. Zwischen 20 und 21 schätze ich so was. Und du hast jetzt aber das so beiläufig erwähnt, dass zwei weitere Männer gestorben sind. Musstest du dafür nicht ins Gefängnis? Das kommt alles nach.

0:32:53Ach so. Ah, okay. Aber wann hast du sie denn getötet? Das war in der Zeit, wo ich in Ulm war. Okay, aber konnte man das dir schon nachweisen zu diesem Zeitpunkt? Weiß ich nicht. Auf jeden Fall kam es dann bei der Verhandlung zur Sprache. Okay, das heißt aber bis dato warst du nie, wurdest du dafür nicht belangt. Du warst auch nicht wirklich auf der Flucht, sondern du hast einfach in den Tag gelebt und hast noch mehr Straftaten begangen?

0:33:19Ja, ja. Ich war auf der Flucht wegen Bankrauts und so weiter. Okay, alles klar. Genau, genau. Okay. Und jetzt bin ich in St. Pauli. Ich muss denken, in jeder Polizeiwache hängt ein Steckbrief von mir. Gesucht für den Bund, wegen dem, wegen dem, wegen dem, wegen dem, wegen dem.

0:33:345000 Mark Belohnung. Damals waren wir noch dem alt. kann man es wahrnach dem halten. Nach drei Monaten die Bartdame hat mich erkannt, hat Polizei gerufen, es gab eine Schießerei, ich wurde ins Bein getroffen, ich konnte nicht mehr fliehen, ich wurde verhaftet und sie brachten mich dann sofort mit Einkeltransport von Hamburg nach Stuttgart Stammheim. Stuttgart Stammheim sagt man ist das sicherste Gefängnis von ganz Baden-Württemberg. Ist es nicht. Aber sicherer wie andere

0:34:05Gefängnisse und da warte ich jetzt auf meinen Prozess. Und bevor ein Prozess losgeht bekommst du erst mal die Anklageschrift und dann bekam ich so ein Parfum. Und ich wurde angeklagt für 148 verschiedene Straftaten. War dir das bewusst? Nein, ich habe nicht gewusst, dass so viele waren. Keine Ahnung. Warst du schockiert von der Anzahl? Ja gut, als ich es gelesen hatte, wusste ich, dass ich es war. Aber es war schon viel. Aber jetzt habe ich mir gedacht, ich bin ein besonders cleverer Junge. Dachte ich, ja, wenn jetzt Verhandlung ist. Nehmen wir Beispiel, du bist jetzt Richter, okay? Du bist jetzt Richter und ich sage keinen Ton.

0:34:56So war meine Logik. Wenn ich nichts sage, kann der andere mir nichts nachweisen. Und jetzt begann dann der Prozess, das waren 18 Tage. Ich sagte keinen Ton und dann ein Zeuge nach dem anderen kommt rein. Es sind Rollstühle reingefahren, es sind Menschen und Krücken sind reingekommen, Banddirektoren, die einen Trauma erlebt haben und jeder erzählte das, was er mit mir erlebt hat. Ich sagte keinen Ton. Und auf einmal geht die Türe auf und es kommt ein Mann rein mit weißem Haar. Das war mein Vater. Ich dachte, was will mein Vater hier? Der kennt doch nicht meine Straftaten,

0:35:46der weiß doch nichts von mir. Aber der Richter, der wollte was ganz anderes wissen. Der sagt zu meinem Vater, Herr Bunz, wir haben so viele schreckliche Dinge über Ihren Sohn gehört. möchte ich was anderes wissen und es betrifft das Leben ihres Sohnes. Gibt es in diesen Jahren seit ihr Kind lebt nur eine Episode, nur eine Episode im ganzen Leben jetzt von Geburt bis heute, gibt es eine Episode im Leben ihres Sohnes wo sie sagen würden, das hat mein Sohn gut gemacht.

0:36:29Mein Vater sagt, nein, gibt es nicht. Sagt der Richter, das kann nicht sein. Es muss doch eine Sache geben im Leben Ihres Sohnes, wo Sie sagen, doch darauf bin ich stolz. Mein Vater sagt, nein, gibt es nicht. Wissen Sie, Herr Richter, seit der Junge lebt, gehen wir als Familie von Hölle zu Hölle zu Hölle zu Hölle. Tut mir leid, Herr Richter, das geht nicht. Der Staatsanwalt steht auf und hat sein Plädoyer gehalten, weil er drei Menschen ums Leben kam insgesamt, hat er lebenslänglich beantragt, weil es aber kein Mord war.

0:37:17Du bekommst nur für Mord lebenslänglich. Aber weil es Durchschlägerei war, lief es unter Totschlag. Da gibt es kein lebenslängliches. Da wurde eine Zeitstrafe geschaffen und da wurde Österreich mit hineingenommen, diese fünf Jahre Österreich. Und es wurde eine Gesamtstrafe gebildet von 14 Jahren und anschließend die Sicherheitsverwahrung. Das heißt, wenn die 14 Jahre rum sind, dann komme ich in ein anderes Gefängnis und dann beginnt die Sicherheitsverwahrung. Und das geht auch 10, 20, 30, 40 Jahre. Das ist ja fast lebensständig.

0:37:55Bruchsal war damals in Baden-Württemberg die sicherste Anstalt für Langstrafen. Es gibt auch eine Langstrafenanstalt in Mannheim zum Beispiel, da gibt es auch ein Gefängnis. Aber Bruchsal, da waren ja auch von der RAF Terroristen drin. Günter Sonnebald zum Beispiel, Holger Mainz und von daher die Beamten, die laufen auf so Mauer mit scharfen Gewehren. Über Bruchsal kreisen ständig die Hubschrauber. Also das war ein Gefängnis, wo ich wirklich nicht mehr rauskam. Ich war in der Sicherheitsabteilung, 1. Flüge unten. Ich habe sieben Jahre lang jeden Tag mit

0:39:04Günther Sonnenberg Schach gespielt. Einer der Top Terroristen von der FAS. Unsere Zelle wurde jeden dritten Tag, mussten wir die Zelle wechseln. Da wurde die Zelle untersucht, ob wir einen Tunnel graben, ob wir eine Gitter gesägt haben oder ob da irgendwas ist. Aber außer diesen Zellen, außer diesen Zellen gibt es jetzt noch Spezialzellen im Keller, im Bruchsal. Die sind die sogenannten Arrestzellen. Wir nennen es der Bunker. Und da komme ich rein, wenn ich irgendwas innerhalb der Anstalt anstelle. Beispielsweise ein Beamter bringt mir das Essen und ich schmeiße dem Beamten das Essen hinterher. Da komme ich in den Bunker. Das blöde ist im Bunker, du darfst nichts mitnehmen. Du darfst kein Buch mitnehmen,

0:40:06kein Roman, keine Zeitung, keine Zeitschrift, nicht mal deine Briefe. Das einzige was du mitnehmen darfst ist, wenn du Moslem bist, darfst du den Koran mitnehmen und wenn du christlich bist, dann darfst du die Bibel mitnehmen. Aber ich sage das ganz ehrlich, zum Christentum hatte ich kein gutes verhältnis weil ich habe immer meinen vater als vorbild genommen und habe immer gesagt wenn alle christen so sind wie mein vater werde ich nicht christ. ich war sowieso vertreten ich habe gedacht christ sein ist nichts für männer. christ sein ist

0:40:44was für alte frauen. 90, 95 jahre alt. hallelujah knötchen, weiß, schwarzes Kopftuch, schon scheintot, nur noch zu voll zum Umfallen. Das war mein Bild von Christen. Dann bin ich zum Pfarrer. Dann sage ich, Herr Pfarrer, ich will eine Bibel. Hat der sich gefreut. Der will, will eine Bibel haben. Der will sich vielleicht verändern, aber ich hatte gar nichts vor, mich zu verändern. Ich wollte erst eine Bibel haben und dann will der mir, da gibt es von so einer Organisation, Gideon Bund nennt sich das, so kleine Testamentchen, will der mir so Dinger drehen und nebendran liegt so eine dicke Bibel, weißt du,

0:41:27da will ich die Bibel haben. Kaum war ich in der Zelle drin, habe ich die Bibel genommen, habe den Umschlag weg gemacht, habe Tabak reingestopft, Streichhölzer reingestopft, wieder schön zugeklebt und nächste Erreichtselle bin ich mit der Bibel unter meinem Riesen-Erreichtselle gelaufen. Und dann sag ich so kurz und jetzt zeig ich dir mal wer der Wille ist. Hab die erste Seite rausgerissen, erste Mose 1. Hab sie voller Hohn und Spott gelesen. Beide Seiten. Habe aus dem Teil, aus der Seite vier Teile gemacht und habe vier Zigaretten aus der Bibel gedreht und geraucht. Und im Laufe von sieben, acht, neun Jahren habe

0:42:19ich das komplett alte Testament erst gelesen und dann geraucht. Ist es denn nicht aufgefallen den Beamten? Rauchen war erlaubt. Aber auch im Bunker? Wir durften überall rauchen. Ich weiß nicht wie es heute ist, wir haben früher rauchen dürfen. Das ist das persönliche Recht. Das waren unsere Aschenbächer. Die haben wir dann leer gegessen, ausgeschwenkt und das war unser Aschenbächer. Ich kam auch zum Rauchen ins neue Testament. Geschmacklich hat sich nichts verändert. Hat genauso geschmeckt wie das alte Testament. Kam aber nur noch bis zu Matthäus 5. Und da lese ich, also rausgerissen,

0:43:18und habe es gelesen, ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt. Das war so. Und das erste Mal in meinem ganzen Leben habe ich mal über etwas nachgedacht.

0:43:29Wozu braucht man Salz? Ich wusste noch, ich wusste noch, mein Vater, wo ich noch ein ganz kleines Städte war und es war Winter und es war draußen glatt hat er Salz genommen dass es getaut hat

0:43:42das heißt, dass er Salz hat genommen, dass der andere sicheren Trittes gehen kann oder meine Stiefmutter, wenn die irgendwie was gekocht hat und es hat noch Farb geschmeckt, dann hat sie eine Prise Salz dran gemacht. Und ich hab mir gedacht, wenn da steht, ihr seid das Salz der Erde, dann bedeutet doch das nichts

0:44:04anderes. Ich soll für den anderen ein guter Geschmack sein. Ihr seid das Licht der Welt, Passt nicht in unsere heutige Zeit. Wenn ich heute die Leute höre, dann sagt die Leute immer wieder, Willi, es wird immer dunkler in der Welt. Aber da stimmt was nicht, oder? Wie kann es immer dunkler werden, wenn da steht, ihr seid das Licht der Welt. Da stimmt doch was nicht. Seit dem Tag habe ich jetzt keine Bibel mehr geraucht. Und habe da so in den restlichen Zeiten ein bisschen rumgeblättert. Aber irgendwie war was seltsam. Ich habe nichts verstanden, aber immer habe ich Irgendwie war ich innerlich ruhiger wie vorher.

0:45:12Bin ich zum Pfarrer und sage, Pfarrer will die Bibel. Er sagt, Moment Willi, ich gab dir doch vor langer Zeit so eine ganz dicke Bibel. Was ist aus der geworden? Ja, sei wissen Sie, im Laufe der Jahre ist sie immer dünner geworden, er gab mir eine neue. Und jetzt habe ich mir einfach gedacht, ich komme, Arrestzelle, dann lese ich halt ein bisschen drin. Aber ich habe nichts verstanden.

0:45:43Und dann gab es einen Tag in meinem Leben, wo ich vor einer Entscheidung stand. Ich habe mir immer wieder Gedanken darüber gemacht, weißt du. So zwei Tage nach meinem Geburtstag, der 12. September 1983. Und da stand ich jetzt vor einer Entscheidung. Will ich so weiterleben wie bisher, also mit Hass erfüllt, Schlägereien, Messerstössereien, Mord und Totschlag und Betrug, will ich so weiterleben, dann lebe ich so weiter, klar.

0:46:17Wenn entlasten warte ich sowieso nie mehr. Oder will ich vielleicht die Hauptschule machen, ich hatte ja noch zum Schuljahre, weißt du, will ich die Hauptschule machen. Will ich vielleicht eine Ausbildung machen oder irgendwas anderes machen. Will ich in der Form mein Leben verändern, da war mir in dem Moment klar, wenn ich mein Leben verändern will, komme ich an Gott nicht vorbei. Und am 12. September 1983 um 11 Uhr 6 habe ich eine klare Entscheidung getroffen, ab heute will ich leben so wie du das haben willst.

0:47:10Der Anstaltsdirektor bekommt mit, dass sich bei Willi irgendwas verändert hat und er hat noch seine Beamte gewarnt, die müssen auf den Willi aufpassen, der plant was. Jetzt macht er einen auf Ersatzmose, weißt du, es plant er was. Aber dann hat er gemerkt, dass ich mich wirklich verändert habe und er ging selber nach Karlsruhe zur Strafungsschreckungskammer und erzählte von mir. Da gibt es einen Gefangenen bei mir im Haus und der hat sein Leben wirklich verändert.

0:47:47Und wir müssen gucken, dass wir den entlassen. Ja wie heißt er? Ja, Wilhelm Bunz. Da lachen sie alle. Den können wir nicht entlassen. Der hat Sicherheitsverwahrung. Einer der

0:48:00extremsten Sicherheitsverwahrungen, die es gibt. Da sagt der Ansteiger direkt, aber das kann doch nicht sein. Wir reden immer von der Resozialisierung. Jetzt hat sich jemand verändert, weißt du? Jetzt hat sich jemand verändert. Wir müssen eine Lösung finden.

0:48:15Und die einzige Lösung war, dass ich die Sicherheitsverwahrung auf lebenslängliche Bewährung bekomme. Das nennt sich aber nicht Bewährung, das nennt sich Führungsaufsicht. Also ich stehe immer noch unter Führungsaufsicht. Und tatsächlich, dann wurde ich entlassen am 15.02.85. Ist doch der Hammer, oder? Wie lange saßt du dann in der Summe im Gefängnis? Es sind 14 Jahre, alles zusammen. Von 71 bis 85.

0:48:48Mit einem halben Jahr Unterbrechung, wo ich meine Straftaten begangen habe. Und was bedeutet, dass du noch unter Aufsicht stehst? Das heißt, Sicherheitsverwahrung bedeutet nichts anderes. Wenn jetzt du zur Polizei gehst, als Beispiel, und sagst, ja, ich war jetzt gerade beim Willi beim Videodreh, und der hat mir 10 Euro geklaut. komme ich ohne verhandlung sofort ins gefängnis für die nächsten zehn jahre mindestens. das heißt sicherheitsverwahrung bekommen

0:49:24nur die leute die eine gefahr für die gesellschaft darstellen. also man darf diese menschen nicht mehr auf die gesellschaft loslassen. die sind zu gefährlich oder zu bösartig. macht dich das auch nicht vorsichtig gegenüber anderen menschen die du in dein leben lässt? ja, 100 prozentig. ich sag dir wirklich, ich sag dir wirklich, meine freunde kann schon fünffig abzählen. weil ich bin, ich würde nicht sagen ständig unter Alarm, würde ich nicht sagen. Aber du bist vorsichtiger.

0:50:06Zum Beispiel, weißt du, wenn ich jetzt unterwegs bin, wenn ich jetzt unterwegs bin, ich telefoniere mit meiner Frau mindestens zehnmal pro Tag. Ich sage ihr, du, ich bin gerade da und da. Ich bin gerade da und da. irgendwas sein sollte, dass man immer nachvollziehen kann, wo ich gerade war. Ich habe hier im Hotel eine sehr gute Stellung. Die Leute vertrauen mir.

0:50:39Und trotzdem ruft mich meine Frau dann auch oft auf dem Zimmer an. Nicht, weil sie mir nicht traut, sondern wenn was sein sollte, kann man nachvollziehen, von der Telefonabrechnung her, dass um diese Uhrzeit da und da hier eintelefoniert wurde. Willi, du hattest jetzt vorher davon erzählt, dass du innerlich kalt warst, dass du keine Gefühle zulassen konntest und auch keine Gefühle letztendlich gespürt hast. Wann kam dieses Gefühl dann tatsächlich auf?

0:51:12Ja, das ist ein heißes Ding. Eine heiße Giste. Ich habe euch doch erzählt von diesem Polizisten, der gestorben ist. Und ich sage mir, ich bin ein Mann der Disziplin, sagen wir es so. Das heißt, wenn ich jetzt dir 100 Euro stehe und mir wird bewusst, nach 20 Jahren, das war falsch, dann komme ich zu dir und entschuldige mich und gebe dir die 100 Euro zurück. Wenn ich, weißt du, dass man sein Leben in Ordnung bringt und auch wenn man wieder Gutmachung machen kann, wieder Gutmachung. Du, ich habe wirklich mir niemand bewusst in meinem ganzen Leben jetzt, wo ich nicht war, um mich zu entschuldigen. Aber eins hat mir auf der Seele gebrannt. Weißt du, wenn jemand tot ist, wie willst du es wieder gut machen?

0:52:07Und diese Polizistenwitwe, immer wieder kam sie mir in den Kopf und dann habe ich auch gebetet, sage ich, wenn es dein Wille ist, ich bin bereit dazu, mich zu entschuldigen, aber ich weiß nicht wie, dann schaffst du die Plattform. Und dann hatte ich die Möglichkeit nach Innsbruck zu gehen. Und sofort fiel mir die Polizistenwitwe ein, sofort falsch, und habe dann im Urteil geguckt, habe das Urteil mitgenommen und das erste

0:52:40was ich gemacht habe, ich habe eine Telefonzelle gesucht und habe geguckt, ob die Adresse noch stimmt und tatsächlich die Adresse stimmt. Die wohnt dort. Ich habe angerufen, ich komme aus Deutschland, ich habe mit ihnen was zu besprechen, am besten mit ihren Kindern zusammen. Ist es in Ordnung, wenn ich um 8 Uhr komme? Ja, ja, klar kommen Sie, meine Kinder sind auch da. Wusste sie, dass du doof bist? Sie wusste gar nichts von mir. Dann bin ich hingegangen und die Frau sagt noch, ich weiß es gar nicht, warum Sie da sind.

0:53:20Wir kennen Sie nicht, aber Sie sagen, Sie haben mit uns was zu besprechen. Ja, was haben Sie mit uns zu besprechen? Sie kommen aus Deutschland, Sie sind aus Österreich. sollen, aber sie sind doch die Familie, wo am 16. April 1971 sie ihren Mann verloren haben und ihr euren Vater. Die Frau, die guckt mich mit tellergroßen Augen an, sagte, das stimmt. Woher wissen sie das? Woher wissen sie das? Mein Mann war Polizist. Mein Mann war zum Einsatz unterwegs irgendwo und ich war hochschwanger, mit dem fünften Kind.

0:54:07Und bei mir setzen die Wehen ein und sie bringen mich ins Krankenhaus in Innsbruck, in den Arm. Und dann kommt die Nachricht, mein Mann ist bei einem schweren Verkehrsunfall und Pflegen bekommen. Sie sagt, mir hat es den Boden unter den Füßen weggezogen. kleine Baby wird nie erfahren wie kostbar es ist geborgen zu sein in den Händen des Vaters. Meine anderen Kinder, wie soll es weitergehen? Ich selber, ich selber, mein Mann war meine Stütze. Aber wissen sie,

0:55:01andererseits ist es so, wir sind eine gläubige Familie. Auch mein Mann war gläubig und wir haben den Glauben, wenn wir eines Tages von der Erde gehen, wir sehen uns wieder in der Ewigkeit. Und seit dem 16. April 1971 bis zum heutigen Tag, immer wenn wir gegessen haben, nehmen wir uns an den Händen und wir beten für den Jungen von damals, der uns den Vater genommen hat, dass Gott seine Seele rettet. Und da war es so, als hätte jemand in dem Moment mit einem Vorschlag haben in meinen Eisenpanzer gedonnert und ich habe das erste mal geweint aber ich

0:56:05habe sowas von geweint ich habe nicht gewusst dass so viel Wasser in einem Menschen sein kann. Und deshalb wissen sie ich bin der junge von damals und ich bin gekommen ich ich weiß nicht wie ich es gut machen soll ich kann ihnen ihren Mann nie nie mehr geben und ich kann euch den Vater auch nicht geben, aber was ich machen kann, ich bin gekommen, ich will mich entschuldigen. Bitte, bitte vergeb mir, es tut mir so leid, was da passiert ist. Bitte, bitte vergeb mir und noch was und Gott hat meine Seele gerettet und dann kommt die Witwe um den Tisch rum, die Witwe nimmt

0:56:43mich in den Arm, sie küsst mich auf beide Wangen und sagt Bruder, du bist die größte Gebetserhöhung. Die Frau ist auch schon lang gestorben. Zu ihren fünf Kindern pflege ich heute noch eine enge, enge Freundschaft. Und sowas kann der Mensch nicht fabrizieren. Da muss ein Gott hinterher sein. Und seither kann ich wieder fühlen. Du hattest jetzt schon mehrfach von Touren gesprochen. Magst du uns erzählen, was du heute machst? Gut, es ist so, ich habe viele Jahre lang in einem Blindenheim gearbeitet unter blinden Menschen und immer wieder hat man mir gesagt Mensch du musst du musst ein Buch schreiben. Aber ich habe nie ein Buch geschrieben, weil ich sage mir einfach, ist nichts für mein Ding. Und dann wurde ich wieder angefragt und dann Fragezeichen und ich habe mir gedacht,

0:57:43also wenn ich jetzt das in meinem Laden sehe, das interessiert mich nicht, dann laufe ich weiter. Das Buch muss ein Reiser sein, das muss vom Titel her ein Reiser sein und dann habe ich gesagt, Mensch nennen wir doch das Buch der Bibelraucher und das Buch ist rausgekommen im September 18. Und was jetzt das Neuste ist, die wollen jetzt einen Film darüber drehen. Das heißt ja nicht der Bibelraucher, sondern der Mann, der die Bibel rauchte.

0:58:15Und da bin ich unterwegs und wurde ich eingeladen zu fortwägen, zu erzählen aus meiner Vergangenheit und was sich bei mir getan hat. Kommen viel viele viele Schulen, jetzt sind meine Gefühle da seit 93 und dann merke ich, da merke ich alle Prognosen damals von den Psychologen, von den Psychotherapeuten, von den Ärzten. All diese Prognosen wurden ins Gegenteil verkehrt. Heute bin ich lebenszüchtig. Ich hatte meinen Beruf. Ich habe meine Schulausbildung. Ich bin verheiratet.

0:58:55Habe eine sensationelle Frau. Alles das, was gesagt haben, das wir denn nie haben, das habe ich heute. Ist das nicht schön? Wie ist denn deine Bindung zu deinen Kindern? Wie ist die Bindung zu meinen Kindern? Pass auf. Ich wohne in Hochpark Herkunft. Meine Kinder, also der eine wohnt ja ein paar Kilometer weiter weg. Und jetzt kommt er mich zu besuchen und läuft vom Bus Richtung meine Wohnung und sieht mich auf dem Hochbalkon sitzen und ruft 50 Meter weiter schon, Papa ich hab dich so lieb. Weißt du und das alles, das hatte ich früher nicht. Ich habe meine Kinder noch nie geschlagen,

0:59:44aber die leben beide ein Leben, wo wirklich mit Disziplin zu tun hat. Weißt du, ein Vater und eine Mutter, die ihr Kind schlägt, sind Schrecklinge. Es liegt an unserer, wir müssen für unsere Kinder Vorbilder sein. Weißt du, ein Kind nimmt Papa und Mama zum Vorbild und wenn Papa und Mama kein Vorbild sind, dann suchen sie sich Ersatzvorbilder und nachher kommt Alice Cooper raus, Elvis Presleff oder wie sie alle so heißen oder oder oder Michele Jackson oder wie sie alle heißen. Weißt du, ich sage immer wieder, würden wir nicht in einer besseren Welt leben, wenn

1:00:28unsere Kinder sagen, mein Vater und meine Mutter sind die besten Eltern auf der ganzen Welt, weil die sind meine Vorbilder. Und wenn die so glücklich sind, will ich auch so glücklich sein. Ich sage dann, meine Kinder waren noch nie bei der Polizei, wegen irgendetwas. Wie hast du deinen Kindern von deiner Vergangenheit erzählt? Denen habe ich gar nichts erzählt, das haben die automatisch mit gekriegt. Die konnten noch nicht mal laufen, da sind sie bei mir schon auf die Schulter gekocht,

1:00:58wenn ich Vorfälle gehalten habe. Sie haben das von klein auf mitgekriegt. Gut, natürlich, klar, meine Kinder versuchten das natürlich für sich auszuflachten. Zumal das Auto in die Schule kam, die Lehrerin hat es auch gut gemeint und hat eine Gitarre genommen, weißt du, da haben die Kinder so gesungen und es hat ihm so gefallen. Und dann fängt er an zu stänkern, weißt du. Ewe, mein Papa singt besser wie sie, ewe. Die Lehrerin, die schaut sie nur an, sagt keinen Ton und dann singt die weiter. Ewe, mein Papa spielt fünf mal besser wie sie Gitarre. Und da sagt sie nur, sei endlich mal still.

1:01:42Was haben sie gerade gemacht? Sie liest nicht mit der F***. Des eine sage ich ihnen, wenn ich heimkomme, erzähle ich meinem Vater, dass sie mich angeschrien haben. Und mein Vater kommt. Und da sie bloß Bescheid wissen, mein Vater war ein gefährlicher Gangster. Du, Gott weiß, vielleicht war es für meine Kinder auch ein Schutz, dass ihr Vater so war, dass sie nie kriminell geworden sind. Was wünschst du dir für deine Zukunft? Was ich mir wünsche für meine Zukunft, gut, dass ich weiterhin fit genug bin, um auf den Schulen zu gehen, um die Schüler darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig das ist auch, dass sie als Kinder, als Jugendliche zusammenhalten,

1:02:44dass ich die Kraft habe weiterhin den Menschen das mitzuteilen, was sie gerade brauchen. Weißt du, nicht das was ich will, sondern was sie brauchen. Und das sage ich mir, da wundern sich viele, dass ich immer, egal wo ich hinkomme, ich habe nie einen Zettel mehr, dann weiß ich, was du brauchst. Das sieht man, weißt du. Wenn ich irgendwo hinkomme, ich begrüße die Leute persönlich mit Handschlag. Es gibt sofort eine Verbindung.

1:03:25Ich wünsche mir natürlich Gesundheit, klar. Aber was ich mir wünsche ist, dass einfach durch meinen Lebenserfahrungsbericht, dass Menschen bewahrt wurden vor vielen, vielen Dingen, die sie vielleicht tun wollen. Ich war jetzt in der Schule und hinterher kommt ein Schüler zu mir und sagt, Willi, danke, dass du da warst. Am Wochenende wollten wir einen Jungen niedermachen. oftmals auch im Gefängnis. Im Gefängnis gibt es kaum jemand der sagt, okay ich bin schuldig. Das hat

1:03:56aber nichts damit zu tun, dass sie nicht zu ihren Straftaten stehen, sondern es hat damit zu tun, in dem Moment wenn ich um Vergebung bitte, gebe ich mich einer Blöße gleich. Und dazu ist kein Gefangener bereit. Ich bin gerade dabei ein neues Büchle zu schreiben, das heißt hinter Gitter und Freiheit finden. Mal schauen was los wird. Danke dir, danke dir, dass du deine wirklich inspirierende Geschichte mit uns geteilt hast. Dankeschön und wir wünschen dir alles Liebe und alles Gute für dich in deiner Zukunft. Dankeschön, auch danke an euch zwei, dass ihr den Mut hattet, hierher zu kommen.

1:04:51Dankeschön für die Gemeinschaft. Ich wusste ja von nichts. Du willst selbst bei uns dabei sein? Dann melde dich auf unserer Website oder unser Social Media. SWR 2021

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