#13 Christine: Verschwundene Symmetrie
Shownotes
In dieser Podcast-Folge erzählt Christine von einem Schicksalsschlag, der ihr Leben für immer veränderte. Mit nur 19 Jahren musste sie sich dem Verlust ihres linken Beins und ihrer Hüfte stellen. Doch schnell nahm sie ihr Schicksal an und kämpfte sich zurück ins Leben.
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Transkript anzeigen
0: 00:00Triggerwarnung! Bevor wir beginnen, möchten wir dich auf etwas Wichtiges hinweisen. Uns sind deine Sicherheit und Gefühle wichtig. Wir möchten gewährleisten, dass du dich während des Hörens unseres Podcasts wohlfühlst und keine unerwarteten Auslöser erlebst. In dieser Episode werden wir Themen ansprechen, die für einige Hörende verstörend sein könnten. Zu Beginn der Folge stellen wir das Thema vor. Falls du denkst, dass das genannte Thema für dich persönlich belastend sein könnte, dann möchten wir dich bitten, die Folge direkt zu beenden. Stell dir vor, du kommst in einen Raum, vor dir sitzt ein Mensch und du hast keine Ahnung, wer das ist. Das passiert mir in jeder Folge bei
0: 00:38unserem Podcast von Bohne zu Bohne. Mein Name ist Charlotte und ich weiß vorher nichts über unsere Gäste. Kein Name, keine Information, keine Themen. Also werden meine Fragen auch deine Fragen sein. Ich bin Sanja und ich suche die Gäste. Hier achte ich darauf, dass es Menschen mit spannenden Persönlichkeiten und faszinierenden Erlebnissen sind. Und genau die wollen wir mit euch teilen. Bist du bereit, gemeinsam mit Charlotte neue Geschichten kennenzulernen? Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge. Mein Name ist Charlotte.
0: 01:09Mein Name ist Sanja. Mein Name ist Christine. Einen Tag vor meinem 19. Geburtstag wurde mein linkes Bein und die Hüfte amputiert. Wow, das ist vor deinem 19. Geburtstag hast du gesagt? Ja. Okay, also mir ist tatsächlich nicht aufgefallen, dass deine Hüfte fehlt oder sind es so Teile deiner Hüfte, die fehlen? Es ist das komplette linke Becken. Ah, okay.
0: 01:38Und musst du das dann ausgleichen? Ja. Ach so, okay. Also über meine Muskulatur und ja, muss eben versuchen, mich gut zu stabilisieren. Okay. Lass uns gerne mal vorne in der Geschichte anfangen. Fängt die Geschichte dann tatsächlich mit deinem 19. Lebensjahr an, wo das eben ja bei dir relevant war oder war das schon davor? Schon mit 13 wurde bei mir ein Tumor festgestellt, ursprünglich erst in der Kniekehle. Der wurde mehrfach operiert, aber das konnte gar nicht richtig beherrscht werden.
0: 02:12Ich wurde mit schnellen Neutronen in einem Versuchsreaktor bei Rossendorf bestrahlt. Dabei ist das auch zu ganz gravierenden Strahlenschäden gekommen. Der Tumor hat es überlebt, das Bein eigentlich nicht. Es ist dann eben mehr zu starken Gegrossen gekommen und dadurch musste auch komplett das ganze Feld ausgeräumt werden, wo die Bestrahlung hingekommen ist. Und deswegen wurde das sehr hoch gemacht, sodass auf der linken Seite praktisch auch komplett das Becken fehlt. Okay, wo genau saß der Thomas?
0: 02:50Ursprünglich in der Kniekehle, aber durch die vielen Operationen und auch durch die Bestrahlung hat sich dann immer wieder weiter nach oben, also keine Metastase, sondern es waren Rezidive, die sich immer weiter nach oben angesiedelt haben. Okay, das heißt also es ist hochgewachsen im Prinzip, kann man sich das so vorstellen? Ja, also zum Beispiel, ja, so könnte man das jetzt grob betrachten, aber das ist eben auch ein Krankheitsverlauf über mehr als sechs Jahre gewesen mit, ich weiß es nicht mehr genau, aber um die zehn Operationen und drei großen Bestrahlungszyklen. Wann wurde das entdeckt?
0: 03:31Das wäre dann 1974 gewesen. Und wie wurde das entdeckt? Also hattest du Schmerzen? Ja, ich habe das dann wirklich gemerkt. Und meine Schwester sagte eines Tages in der Küche, du hast ja zwei verschiedene dicke Knie. Ich habe das immer gemerkt, bei dem Hinhocken, habe es auch immer mal gesagt. Aber irgendwie hatte auch keiner so richtig damit gerechnet.
0: 04:03Und ich bin dann auch alleine zum Hausarzt. Irgendwie war alles noch so, wer weiß, was das ist. Und dann kam es aber ziemlich dick. Dann wurde ich zuerst in meiner Heimatstadt operiert. Und der Arzt kam dann nicht so richtig weiter. Und hat mich dann, das war ein bisschen schwierig zu DDR-Zeiten, ein bisschen mit Vitamin B, habe ich es doch geschafft an die Robert-Rössler-Klinik hier in Berlin, ein Berlin-Buch zu kommen. Allerdings, man könnte es fast sagen, es wurde eigentlich auch nur für
0: 04:36schlimm verbessert. Also wir konnten schon mehr machen, aber es hat in dem Moment dann gar nichts geholfen, sondern die Sache nur hinausgezögert. Das heißt, du hast gesagt, in der Summe waren es zehn Operationen. Ging es dann ab 13 direkt mit den Operationen los. Und das hat sich dann gezogen bis dann Worst Case mit 19. Dadurch habe ich natürlich auch immer mal wieder viel Schule verpasst, war viel im Krankenhaus, manchmal auch monatelang, jedenfalls vor der Amputation. Danach ging es dann schnell. Da musste ich auch in Schulplätze noch mal wiederholen und das hat natürlich meine schulische Sache ein bisschen ausgebremst. Nicht so krass, dass ich das nicht wieder einfangen konnte,
0: 05:21aber war natürlich nicht so einfach. Aber das Hauptproblem war eigentlich, dass ich ganz große Schmerzen hatte. Und damals gab es auch noch nicht diese Schmerzversorgung, wie das heute üblich ist. Also das war, glaube ich, mit das Schlimmste. Ich kann mir sehr vorstellen, dass es gerade als Jugendliche dann auch sehr, sehr schwierig ist, weil die Schüler natürlich auch bitterlich sind. Hattest du da Erfahrungen mitgemacht? Nein, aber keine schlechten. Wir hatten auch erst vor kurzem wieder Klassentreffen mit der Klasse,
0: 05:52die das auch miterlebt haben. Also ich habe mich da immer gar nicht wiedergefunden, wenn andere so erzählen, dass es irgendeine Art von Diskriminierung gab, kann ich so nicht sagen und wenn jemand mal was doofes gesagt hat, dann ist das auch ein bisschen bei mir abgeprallt. Hast du was zurück gesagt? Nö, ach das geht manchmal rein, raus und habe ich sofort auch wieder vergessen, selbst heute noch mal, wenn irgendwas ist. Kinder, oh guck mal die Frau hat noch ein Bein. Ja, das weiß ich, wenn ich zu Hause zur Tür reingehe, weiß ich das schon nicht mehr.
0: 06:28Aber du hast gesagt, die Schmerzbehandlung war damals eine andere. Was genau meinst du damit? Man hat einfach gar nicht diese Schmerzmittel zur Verfügung bekommen, wie man das heute machen würde. Und dadurch sind auch viele Schmerzprozesse chronisch. Das ist natürlich schon beeinträchtigend. Würdest du sagen, dass die Behandlung heute eine andere gewesen wäre, also wenn dir das heute passiert wäre? Wahrscheinlich nicht.
0: 06:52Also das ist ganz verrückt. Das ist zwar ein Tumor gewesen, der sehr nah dem Krebs anzuordnen ist, aber er hat keine Metastasen gestreut. Hat sich aber so nah um die Sehne in meinen Knie gewickelt, dass man das fast nicht abschälen konnte. nicht abschälen konnte und der ist unheimlich schnell gewachsen. Also kam er auch unheimlich schnell groß wieder und auch dafür gibt es heute keine Behandlungsmethode, weil Chemotherapie hätte bei mir auch nicht gewirkt, weil der Tumor
0: 07:29dafür wieder dem gutartigen zu ähnlich war und operieren konnte man, weiß ich nicht, also ich gehe mal davon aus, dass es das einzige, was mir vielleicht das etwas erleichtert hätte, wenn man recht früh weiter unten noch hätte amputieren können. Das wäre vielleicht eine etwas bessere Lösung für mein Leben gewesen. Aber ansonsten denke ich nicht, dass sich das groß geändert hätte. Es ist halt ein dummer, unglücklicher Zufall. Eine viel schwerwiegende Krebserkrankung kann man mitunter besser behandeln als diese spezielle Situation. Also wenn du darüber sprechen möchtest, wie kann ich mir das anatomisch genau
0: 08:09vorstellen an der Hüfte? Es fällt mir relativ schwer, mir bildlich vorzustellen, wo da der Teil der Hüfte fehlt. Also Sitzbein, Höcker, alles was hier ist, ist nicht als als Knochen vorhanden. Okay, das wurde dann aber rausgebrochen? Das wurde gesägt. Aber unter Narkose. Ja, im meisten Fall. Aber worauf sitzt du dann? Auf der anderen Po-Backe. Ich komme hier nicht auf mit meiner Seite.
0: 08:44Okay, das heißt die Endung hier wäre tatsächlich, aber wo gehen dann deine Wirbel hinten rein? Also die Wirbelsäule geht in, auf der einen Seite ist so eine Beckenschaufel und auf der anderen Seite ist nichts. Okay. Aber die Wirbelsäule ist bis zum Schleißbein natürlich vollständig. Okay, das heißt dein Schleißbein ist noch vollständig vorhanden. Ja. Okay, das heißt also du sitzt auf der einen Seite immer in der Luft. Ja. Wenn du es genau nimmst. Ja.
0: 09:17Okay. Hatte das Auswirkungen, dass du jetzt so weiters regelmäßige Physiotherapie oder Ähnliches machen musst, weil es eher verkrampft die eine Seite? Ja, das ist natürlich ein lebenslanges Dilemma. Ja. Muss man natürlich versuchen, so gut wie möglich. Also ich mache zum Beispiel Yoga oder auch Übungen, aber auch viel zu wenig. Also das ist immer wieder ein Moment, wo man auch an die Grenzen kommt mit dem, was man so tagsüber leisten kann
0: 09:43und was man auch gerne schaffen wollte. Das habe ich aber ziemlich gut für mich herausgefunden, dass ich so eine Abwechslung zwischen Anspannung, Entspannung, morgens mache ich mein Ding und nachmittags chille ich und dann gucke ich auch mal Serien, wenn sie mir selber schon wieder zum Hals rauskommen, aber ich muss das einfach machen, dass ich nicht den ganzen Tag voll durch power. Das ist einfach nicht möglich. Gehen wir mal an den Tag zurück, als die Operation war. War das eine Operation, die Armstücke?
0: 10:16Ja, ja. Also vorher waren es ja so sehr viele verschiedene in monatlichen Abständen, mehr monatlich oder zwei, drei im Jahr. Und mit dieser hohen Amputation, die im Fachbegriff Hemipelvektomie heißt, also halbe Hüfte entnommen, ist das so gewesen, dass das operiert worden ist. Und ich von da an absolut Ruhe hatte mit diesen wiederkehrenden Tumoren. Ich würde gerne zu dem Tag zurückgehen, wo dir gesagt wurde, wir würden gerne deine halbe Hüfte wegnehmen. Wie hast du dich da gefühlt? Du warst ja zu dem Zeitpunkt gerade kurz vor 19 Jahren alt.
0: 10:59Was war da dein erster Gedanke? Naja, ich habe das ja auf mich zukommen sehen. Nach sechs Jahren dieser Behandlung habe ich es eigentlich als eine Erleichterung empfunden. Ich wusste, dass das meine Chance ist, diese ganze Problematik, diese ganze Erkrankung abzuschütteln, ein für alle Mal, auch wenn das sehr radikal ist. Ich hatte da auch kaum Gehör gefunden. Mein Bein war ja wirklich stark verfault. Die Ärzte wollten das eigentlich nicht eingestehen, dass wir das nicht hätten machen können mit dieser Bestrahlung.
0: 11:35Und an dem Wochenende davor hatte ein Arzt, ein Orthopäde, Bereitschaftsdienst in der Klinik. Und ich glaube, er hat das wieder kaum ausgehalten vor Schmerzen. Und er hat dann auch diese Mikrosen gesehen und hat gesagt, das ist nur noch Jauche, das wird nie wieder was. Und ich habe gedacht, endlich sagt es mal einer. Ich denke auch, das wird jetzt nichts mehr. Und der war selber aber Orthopäde und würde solche Amputationen auch machen und hat sie schon oft gemacht.
0: 12:07Und da habe ich ihn gefragt, ob man mit dieser Haimeperfektomie noch Kinder kriegen kann. Und da hat er gesagt, eine Frau vor mir hätte schon mal Kinder oder ein Kind bekommen. Er hat sich da ganz vage ausgedrückt. Und damit war das, was ich noch hören wollte. Und dann habe ich gedacht, jetzt ist es so, und das muss jetzt eben auch passieren. Und das wurde dann auch schnell gemacht. Die Radiologen wollten ja nicht so gerne loslassen. Die haben das fast nicht vielleicht auch für sich verantworten wollen,
0: 12:43weil das war Irrsinn, was die mir da mit der Bestrahlung angetan haben. Nach der Amputation, als ich mich entschlossen hatte, war für mich die Sache auch klar. Das heißt, du hast dein Schicksal im Prinzip direkt angenommen? Ja, sofort. Dann war für dich klar, okay, das ist jetzt mein Weg und damit arbeite ich jetzt. Und ich habe das auch schon ein paar Mal so geäußert, weil das so ein Begriff ist, eine Träne hinterherweinen. Also ich bin der Meinung, ich weiß es nicht, ob ich vielleicht mal unter ein bisschen Weinchen vielleicht doch geheult habe. Aber ich kann mich so jetzt nicht direkt erinnern, dass ich deswegen jemals noch mal eine Träne vergossen hätte.
0: 13:24Also das war für mich klar. Und ich wollte es auch gerne dann schnell so voranrein, dass ich wieder in mein normales Leben gekommen bin. Ich war danach bereit mit S-Bahn, mit Zug von Berlin zu meiner Heimatstadt wieder nach Hause zu fahren. Und hatte echt keinen Bock mehr und habe gedacht, das ist jetzt für mich krankenhausmäßig gelaufen. Und jetzt beginnt mein neues Leben. Wie lang war dieser Prozess? Also, warte, gib mir nochmal einen Schritt zurück. Mich würde zuerst noch interessieren, der erste Moment, als es weg war, hast du es gefühlt? Also, dass dein Bein noch da ist? Das fühle ich ja heute noch. Ich fühle ja alles noch.
0: 14:05Ich kann ja sogar noch die Zehen bewegen und das ist immer als wenn das so angewinkelt wäre und ja das ist unangenehm. Also angenommen man sitzt auf der Toilette und das gefühlte Bein steht irgendwo da im Toilettenbecken so angewinkelt. So ist das aber heute noch. Also strecken kann ich es nicht, aber ich kann noch so ein bisschen die Zähne bewegen. Verrückt. Phantomerscheinungen, aber das verursacht mitunter auch Schmerzen. Also das ist wirklich, als wenn jemand mit einem Messer in die Ferse stechen würde. Also das kann sehr unangenehm sein.
0: 14:46Also in die nicht vorhandene Ferse im Prinzip verrückt. Das kriegt man auch nicht so schnell aus dem Kopf raus, aber irgendwie geht das dann manchmal doch. Das ist ja jetzt schon etwas länger her, dass dein Bein und dein Becken amputiert wurde. Ich kann mir gut vorstellen, dass da die Phantomschmerzen oder diese Phantomerscheinungen deutlich mehr waren als heute. Eigentlich nicht. Ich glaube nicht so sehr, vielleicht ein bisschen. Wie lange ging denn deine Reha oder hattest du überhaupt eine klassische Reha? War das damals schon so? Nein, hatte ich nicht.
0: 15:23Das heißt, man hat amputiert und dann hieß es und jetzt? Ja, ich hatte innerhalb der Klinik war so eine Woche lang so eine Art Gehtraining mit Krücken, dass man mit Krücken laufen kann, Treppen steigen kann, hinfallen kann, so was. Aber ich war da glaube ich auch gar nicht so die geeignete Kandidatin, weil das Leben, das auf mich gewartet hat, das hat mich ja viel schneller rehabilitiert. ist aber in dem Fall eine Beckenkorbprothese und ich habe ja keinen statischen Punkt, wo ich aufstehen stellen könnte. Also geht der Beckenkorb bis unter die Rippen oder man versucht auch unter dem anderen Sitzbein ein bisschen Hals zu schaffen. Aber das macht echt keinen Spaß.
0: 16:11Das muss man über die Klamotten tragen, man muss bei der Toilette alles abnehmen. Es ist ein 10 Kilo Teil. Man ist eingeschnürt bis hier hoch, man kann sich dann kaum noch mal so drehen. Ich hatte darauf keine Lust. Ich habe das zwar kurze Zeitig probiert, aber ich habe mich entschlossen, dass das nicht mein Weg sein wird. Bist du zu diesem Zeitpunkt noch zur Schule gegangen? Ja.
0: 16:35Also ich musste die 10. Klasse ja einmal wiederholen, weil ich so viel gefehlt habe. Und dann war ich doch, bevor ich dann amputiert wurde, sehr lange in der Klinik und war praktisch in der ersten Halbjahr der 11, als ich mit 19 wieder aus dem Krankenhaus zurückkam. Und das war für mich allerdings gefühlt zu alt. Das waren damals auch ein bisschen andere Zeiten, da mich noch mal zu 16-Jährigen in die Schule zu setzen. Dazu war für mich auch zu viel passiert und ich war ja dann angefangen zu arbeiten und habe mein Abitur dann an der Abendschule
0: 17:22zu Ende gemacht. Okay und du hattest nur diese eine Art von Training, die eineinhalb Wochen ging und dann bist du sozusagen ganz normal wieder in dein Leben zurück als Schülerin. Ich habe noch mal die Prothese angefertigt bekommen und da waren, weiß ich auch nicht, ein oder zwei Tage war schon irgendwas mit Laufdränen, kann ich mich aber kaum noch dran erinnern. Das war 1980. Und wo ich dann eine Behandlung hatte, da konnte man nicht, letztendlich nicht wirklich mit dieser Prothesen-Laufform was anfangen. Ach, das konnte ich eigentlich alles voll vergessen. Es ist im Grunde genommen heute noch so, dass es für das, was ich habe, keine... Es gibt zu
0: 18:10wenig fertige Modelle und es gibt vor allem ganz wenig Ärzte, die da irgendeinen Klassenschimmer haben, was jetzt... Ja, das ist ja auch individuell, was jetzt gemacht werden könnte. Es ist ja doch schon recht selten, dass man von einem Menschen hört oder von einer Frau hört, die Becken und Beine amputiert ist. Du hattest ja schon angedeutet, dass du gefragt hast, dass dir Kinder kriegen sehr wichtig ist. Ja. Und dann sagtest du, dass der Arzt gesagt hat, ja es hat wohl eine Frau geschafft. Wie viele Frauen kennst du oder von wie vielen Frauen weißt du, dass sie mit dieser Operation gelebt haben? Überleben, es kommt ja darauf an, ob es eine geplante Hemiperfektomie ist oder ob es über
0: 19:01einen Unfall passiert. Bei einem Unfall ist die Überlebenschance nicht so besonders groß. Aber wenn es geplant ist und es kommt jetzt nichts weiter dazwischen, überlebt man schon. Ich bin tun. Es gibt da aber, ja, ich bin in einem Verein und wir kämpfen da ja auch sehr dagegen an, dass sich das Leben dann nur noch zwischen Bett und Waschbecken abspielt. Wir tauschen uns viel aus und sagen, es geht einiges, aber es wäre jetzt auch Quatsch, das nun zu bagatellisieren. Aber in unserer Selbsthilfegruppe, die beiden amputiert, was geht, haben wir eine Umfrage gemacht und da haben insgesamt mit mir drei Frauen mit Hemiperfektomie berichtet, dass sie Kinder gekriegt haben.
0: 19:48Lass uns noch mal einen Schritt zurück gehen. Ich kann mir vorstellen, dass gerade wenn du zur Abendschule gegangen bist und Abitur zu machen, natürlich auch im Gedanken ist, wie geht es weiter, also was möchte ich mal werden. Wie war der Gedanke für dich und welchen Weg hast du eingeschlagen? Also ich muss, auch wenn ich, das habe ich auch schon mal so gelegentlich gesagt, ich war jetzt keine DDR-Sympathisantin, aber ich hatte in dem Jahr 1980 und 1981 unheimlich Glück, da war auch gerade internationales Jahr der Behinderten. Ich bin unheimlich getragen worden. Also Abitur war schon mal klar, gewisse Studienplätze wären möglich
0: 20:30gewesen, Berufsausbildung. Ich habe ja sofort einen Arbeitsplatz bekommen, ich habe sofort eine Neubauwohnung bekommen, ich habe sofort ein Trabant Hyggeum hat bekommen. Das sind ja alles so Sachen, das war ja auch nicht so selbstverständlich, aber ich bin eben so durchmarschiert durch die ganze Geschichte. Und was beruflich wurde, ja, also ich bin berendet worden gleich dann mit 18 rückwirkend. Dadurch war ich auf jeden Fall schon mal finanziell ein bisschen abgesichert und ja, ich würde gerne was machen wollen. Aber was ich genau studieren wollte, was mit Sprachen, Fremdsprachen, das hat sich nicht so angeboten. Das wurde mir sehr stark überlegt, ob der Mensch, der jetzt dieses Studium machen darf, geeignet dafür ist, das dann auch voll auszufüllen kann.
0: 21:23Stolmetscher und Ganztagsarbeiten. Und da hatte ich keine guten Chancen. Aber ich habe mich dann entschlossen, ein Ökonomiestudium anzufangen, neben meiner Arbeit. Das war ja so eine Art Abendstudium. Und dann bin ich schwanger geworden. Und da habe ich, bin ich aber krank geschrieben worden, dann ab dem fünften Monat. Und da habe ich dann mich entschlossen, nach der Geburt eine Berufsausbildung als Wirtschaftskauffrau zu machen und habe diese Sprachseite, die mich immer interessiert hat, auch über Erwachsenenqualifizierung gemacht, habe dann Sprachkundienprüfungen, Spanisch.
0: 22:04Ich habe das immer irgendwie gefunden, einen Weg gefunden. Oder auch Volkshochschule, da habe ich auch mehrere Sachen gemacht. Dass ich das nicht ganz begraben musste. Das heißt ja nicht, dass man unbedingt daran arbeiten muss. Es ist ja manchmal auch schöner, wenn man es einfach in sein Leben holen kann, auch wenn der Umfang nicht so intensiv ist. Ja natürlich, wenn ich gar nicht krank geworden wäre, hätte ich vielleicht eine andere berufliche Entwicklung einschlagen können, aber es kam immer wieder irgendein guter Schicksalsmove um die Ecke und dann habe
0: 22:42ich immer wieder die Chance genutzt, die dann da kam. Du hast gesagt, du bist dann schwanger geworden. Wie kann ich mir das vorstellen? Also ich war noch nie schwanger, aber ich kann mir vorstellen, also das Gewicht zieht einen ja tendenziell nach vorne und wenn du dann noch Rücken hast und wie geht das im Alltag? Also du kannst ja nicht lange sitzen, wenn du schwanger bist. Also schwierig. Kannst du mich da ein bisschen aufklären? War ein bisschen schwierig. Also ich hatte damals einen kubanischen Freund und ich wusste, dass der auch gar nicht in der DDR bleiben darf. Das war so ein Programm Berufsausbildung und vier Jahre und dann wieder zurück nach Kuba geht. Aber ich hatte gedacht, ich möchte
0: 23:22ziemlich jung ein Kind haben, weil ich dann noch belastbarer bin und habe mir das eben wirklich gewünscht und habe das eben auch mit meiner Familie mal kurz besprochen. Aber ich war ja auch wirklich getragen in diesen DDR-Kinder-Erziehungs-Unterstützungs-Modus und habe einfach mal gedacht, ich werde das wohl schaffen. Und ja, ich habe dann immer mal liegen müssen, weil das natürlich zieht. Also der Bauch ging dann auch ein bisschen stark nach links, weil das Becken ja auch nicht so gefasst hat. Aber ja, es gab ja keine großen Erfahrungswerte. Ein Bekannter von uns aus der Familie, der ist Frauenarzt, der hat dann gesagt, kommst
0: 24:07du noch die letzten Wochen zu uns in die Klinik und dann gucken wir mal. Aber zwei Tage bevor dieser Termin war und ich in die Klinik sollte oder wollte oder durfte, haben sie schon Wehen eingesetzt. Und ich wusste aber gar nicht, ich war 21 oder 22, wusste ja auch noch nicht so alles so genau einzuordnen und setzte mich in mein Auto und wollte mal zu meiner Mutter fahren und fragen, wie könnte ich jetzt diese Anzeichen deuten? Und da ging das im Auto schon voll Kanone los, dass ich dann Wehen bekommen habe. Aber die Geburt ging gut. Meine Tochter war zwar fünf Wochen zu früh, aber war alles in Ordnung. Und danach habe ich sie, also ich hatte so einen Stubenwagen,
0: 24:54den ich durch die Wohnung fahren konnte und ich hatte ein Tragestell, was sich so vorm Bauch hatte und da saß sie dann eben drin. Aber so bin ich mit Krücken und auch Treppen hoch und runter und so zum Auto und hab dann mein, die Sache so gut wie möglich hingekriegt. Hatte auch Unterstützung durch meine Mutter oder was dann eben war. Und der Vater, Oma, mit dem wir heute auch noch wirklich noch einen guten Kontakt haben, meine Tochter ist ja jetzt schon fast 40, der musste dann natürlich wieder nach Hause. Dann war ich auch alleine mit dem Kind. Aber war jetzt so nicht ihr. War jetzt auch nicht so ungewöhnlich. Ist das tatsächlich dann deine einzige Tochter oder hast du dann noch mal ein Kind
0: 25:38bekommen? Ja also das war ja mein ganz großes Projekt wo ich gedacht habe Hauptsache ein Kind und ich war dann neun Jahre mit ihr auch alleine. Also ich hatte immer einen Freund aber jetzt niemand mit dem ich zusammen gelebt hätte und dann wollte ich eigentlich noch mal die Sache ein bisschen forcieren und noch mal in Richtung Familiengründung gehen und mir einen Partner suchen, mit dem ich auch nochmal eine Familie gründen kann. Ich habe dann 1993 meinen Mann in Köln kennengelernt und wir haben dann noch vier weitere Kinder bekommen.
0: 26:17Das heißt, du hast fünf Kinder in der Summe bekommen? Ja. Und meine älteste Tochter ist schon fast 40 und mein jüngster Sohn ist 20. Und wie war jetzt der Unterschied in den Schwangerschaften? Ich meine, die Wissenschaft ist ja weitergegangen, die Pflege ist weitergegangen. Gab es da nochmal Unterschiede in der Art und Weise, wie man dir empfohlen hat, das zweite Kind auszutragen? Nein, also da gibt es keine Unterstützung. Es gibt niemanden, der was weiß. Deswegen bin ich auch immer so sehr motiviert, darüber zu erzählen. Ich habe wirklich fünf natürliche Geburten gehabt. Es ist immer ein
0: 26:54Mordsthema, wenn man irgendwo aufschlägt und dann fragen die sich und dann passiert aber gar nichts. Es wird auch nicht publiziert, ich habe auch angeboten, dass man darüber mal publizieren kann, ich kann auch weitere Infos geben, weil das einfach nicht bekannt ist, dass Frauen mit mir Kinder kriegen können. Warum auch eigentlich nicht? Also der Geburtsvorgang selber ist ja nicht mal behindert, dadurch, dass das ja nicht so durch das Becken durch muss. Die Schwangerschaft, das ist natürlich problematisch, da muss man sich gar nichts vormachen, dass das nicht mal so einfach läuft. Aber das passiert ja anderen auch. Hast du dich in der Regel dann immer alleine in der Zeit um die Kinder gekümmert oder
0: 27:42hattest du Unterstützung im Alltag? Also bei dem ersten Kind kam meine Mutter zwei, drei Mal in der Woche so nachmittags. Sie war ja auch noch berufstätig. Und ich hatte eine Haushaltshilfe. Und mit einem Jahr ist meine Tochter dann auch in die Kinderkrippe gegangen. Bis nachmittags um drei oder so. Ja, das hat sich immer mal ergeben. Da eine Freundin, da eine Nachbarin muss schon auch ein Netzwerk haben. Und die Kinder, die in meiner Ehe entstanden sind, die vier, da war das so,
0: 28:18dass ich fast sagen konnte, mein damaliger Mann und ich, wir waren wie zwei Mütter. Also wir haben uns, einmal hat sich einer um die Kinder gekümmert, weil die kamen ja auch ganz dicht hintereinander, in zehn Jahren vier Kinder. Die waren manchmal nur anderthalb oder ein und ein Vierteljahr auseinander. Da war immer einer da, der mehr so gerade nach den Kindern geguckt hat und der andere hat gearbeitet. Wir haben zusammen eine Zeitschrift ausgegeben, Tanz und Kultur, die hat sich an Frauen vorwiegend gerichtet, die Bauchtanz machen. Und das haben wir auch 20 Jahre zusammen gemacht und haben den Zeitschritt wirklich sehr erfolgreich
0: 29:03auch mit großen Kulturfestivals und später hatte ich dann auch eine eigene Tanzschule. Darum auch als Existenz für uns als Familie aufbauen können. Wir haben in einem großen Haus gelebt und haben aber auch dort unseren Verlag gehabt. Haben praktisch Leben, Familie, Kinder, Arbeit alles unter einem Dach gehabt. Im Westerwald. Da ist es natürlich auch mal Berg und Tal gegeben. Also das ist nicht so ebenerdig. Ja ich bin eben viel mit dem Auto angefahren.
0: 29:42Bist du der Typ Mensch der sagt, ich versuche so wenig wie es geht den Rollstuhl zu nutzen oder bist du dann tatsächlich eher auf den Krücken unterwegs? Also ich habe erst vor kurzem überhaupt angefangen den Rollstuhl zu benutzen. Naja zwischen auch schon wieder zehn Jahre. Aber ich benutze den nur zu Hause, weil sich das für den Haushalt absolut anbietet. Ich hätte es mal früher auch mit den Kindern machen müssen, aber da bin ich einfach nicht drauf gekommen oder war ich innerlich nicht bereit. Aber wenn ich draußen bin, benutze ich ausschließlich die Krücken und da mache ich aber auch eine
0: 30:17ganze Menge. Also ich kann auch ein bisschen Rucksack und Krücken, auch ausgefallenere Sachen. Ich habe mal ganz kleine erzählt, weil das immer so wirkt. Vor sechs Jahren bin ich in Pakistan gewesen und habe eine meiner tollsten Reisen erlebt. Aber ich war schon ein paar mal auch wieder in Kuba, auch bei der Familie von meiner Tochter. Dann bin ich mit Nab auch durch Ägypten gereist. Beruflich hatte ich ohnehin viel im Ausland zu tun. Türkei war ich ein paar Mal. Brasilien war ich als letztes vor fünf Jahren. Das finde ich eben wichtig, dass ich so Sachen alleine mache. Aber es gibt ja
0: 31:11auch immer etwas, wie man das managt. Also den Flug kann man sich ja begleiten lassen, da wird man sogar zum Sitz gebracht oder zum Flugzeug und vor Ort habe ich viel, zum Beispiel in Sao Paulo, mit Uber Taxi gemacht. Da kann man sich halt ein Taxi und erkundet so die Stadt. Es gibt ja immer einen Weg bis jetzt für mich. Also solange ich meine Zuversicht und meine Ideen nicht verliere, werde ich mich immer der Situation anpassen. Würde auch nicht bis ans Ende meiner Tage gehen. Aber ja, das sind jetzt mal so die, vielleicht eher die nächsten Hürden, die dann kommen. Aber bis jetzt habe ich das Gefühl, dass ich das noch ganz gut lenken kann. Du hattest vorhin angedeutet, dass du ganz gerne andere Menschen informieren wollen würdest. Wie hast du das bisher gemacht? Ich habe auf YouTube einen Kanal, wo ich jetzt aber nicht mehr so viel
0: 32:11Sendungsbewusstsein gerade habe, weil ich auch familiär einiges auch umgestaltet habe, jetzt auch durch meinen Umzug. Ich habe eine Website unterhalten, ich habe schon Vorträge gehalten. Ich hätte Material wirklich für ein Buch. Also wenn man das mal ausweiten würde, was alles sich auch darum gesponnen hat, ist es wahnsinnig viel Stoff. Also ich denke manchmal, ich habe schon drei Leben geführt, weil das so viel auch immer passiert ist. Und dein YouTube-Kanal, wie hat das funktioniert? Wie hast du da andere Menschen informiert? Also ich habe nicht mehr alle Videos öffentlich. Ich denke, da gibt es auch inzwischen teilweise dann einfach bessere Sachen,
0: 33:01weil sich das ja auch weiterentwickelt. Und ich habe zum Beispiel Nähanleitungen, wie nähe ich das Bein von der Hose so ab, dass das alles gut ist. Ich habe ein Video zum Krückenlaufen, also auch mit bestimmten Techniken, wie man zum Beispiel Yoga oder Alexander-Technik einsetzen kann, um seine körperliche Stabilität, ich will das jetzt nicht mal Fitness nennen, aber doch eben das rauszuholen, was möglich ist. Und bei Hemi-Perfektomie habe ich auch ein recht ausführliches Video und über meine Pakistanreise. Da gibt es auch mehrere, wo ich richtig nah an der afghanischen Grenze und durch sehr abenteuerliche Gegenden fahre.
0: 33:49Warum hast du jetzt ein paar Videos offline genommen? Ein paar Videos würde ich sagen, sind mir jetzt einfach auch ein bisschen zu privat. oder unter dem Yoga, da denke ich, da bin ich vielleicht, gibt es vielleicht andere Leute, die das jetzt besser machen können, dass ich das weiterentwickele. Und dann habe ich natürlich auch eine Zeit lang, war ich dann mal so, also erst hatte ich auch die Idee, das wirtschaftlich so benutzen. Ich hatte mit einer Freundin vor, Mode, also nach der Bauchtanzzeit und nach der Scheidung, nach der Trennung, Mode rund um Rücken und Rollstuhl zu machen.
0: 34:32Und da hatte ich mit meinen Videos versucht, so Publicity herzustellen. Und diese Sache ist dann aber gar nicht so zustande gekommen. Und die Publicity war mir teilweise dann auch ein bisschen zu viel, weil ich gemerkt habe, ich treffe gar nicht so sehr andere amputierte Frauen, obwohl mir war ja auch ein bisschen klar, sondern mehr so Verehrer, die Frauen mit Amputation besonders anziehend finden. Und das hat mich dann irgendwann auch nicht so massiv gestört, aber es hat mich irgendwie gelangweilt.
0: 35:08Es war einfach auch nicht ganz das, was ich erreichen wollte. Das war dann irgendwie auch mal bearbeitet, das Thema. Was meinst du mit Frauen verehrt, die Amputation haben? Dafür gibt es auch einen Fachbegriff und auch Fachliteratur, auch der Diplomarbeit und auch Umfragen. Ja, das kann man sich praktisch wie eine Neigung vorstellen, die wahrscheinlich angeboren ist oder vielleicht im frühkindlichen Stadium irgendwie besteht. Es ist jedenfalls eine Prägung, die schon ziemlich konstant das ganze Leben beeinflusst. Das betrifft meistens Männer, aber eben auch manche Frauen. Für sie ist das eben das Schönheitsideal.
0: 35:56ungewöhnlich attraktiv und für eine ganze Reihe dieser Männer ist es aber, sagen wir mal, wie eine Art Fetisch und die sehen nicht unbedingt die Frau, die dahinter steht, aber das ist, vielleicht gibt es auch genauso die gleiche Anzahl von Männern, die auch eine sehr erfüllte Partnerschaft suchen und finden und Das ist vollkommen wertungsfrei als allgemeines Bild. Aber wenn man natürlich so im Fokus steht, war mir das manchmal dann auch ein bisschen zu viel. Also erst hat mich das Thema schon auch interessiert. Und ich finde, jede Art von Diskriminierung – nein, das wäre auch ein bisschen zu plakativ,
0: 36:39aber ich frage mich manchmal, ob das nicht schon eine Diskriminierung wäre, wenn man diese Leute prinzipiell ablehnt und deswegen habe ich mich damit auch beschäftigt. Es sind ja auch potenziell durchaus interessante Menschen für mich, aber nach einer gewissen Zeit hat es mich dann einfach auch nicht mehr so interessiert und da war mir die Aufmerksamkeit zu viel. Wenn du jetzt so darüber nachdenkst und die mediale Aufmerksamkeit, die du damit erwirkt hast, würdest du sagen, es war der richtige Weg oder würdest du sagen, du hättest das vielleicht heute anders gemacht? Nee, das war schon für die Zeit und für meine
0: 37:21Entwicklung stand, war das super, okay. Also ich kann dann auch sagen, gut, muss ich jetzt nicht bis ans Ende meiner Tage machen, aber war ja auch erstmal ganz gut. Ich denke sogar, ja, ich denke, dass das eher was Gutes gebracht hat. Also im Sinne von, du konntest dadurch eine gewisse Aufklärung schaffen und eine Sichtbarkeit für die Grundthematik, die dahinter steht. Ja. Und als es mir dann auch ein bisschen zu viel war, konnte ich mich auch wieder rausnehmen. Du sagst, du bist jetzt im Verein tätig.
0: 37:55Wie genau ist da deine Vereinstätigkeit? Wie kann ich das einordnen? Also wir sind eine Selbsthilfegruppe inzwischen wieder, weil Vereinsrecht halt ein Archen, was ganz schlimm anstrengend und nervig ist. Ich habe schon verschiedene Veranstaltungen ausgerichtet. Vor allem als ich noch im Westerwaldmeer Platz und das Studio, Tanzstudio hatte, habe ich Tanzprojekte gemacht für fein amputierte Frauen. Ich habe den Veranstaltungsort für Kommunikationsseminare gemacht, gemeinsames Kochen.
0: 38:32Ich habe Yoga für Anfänger als Schnupperkurs gegeben. Das würde mir schon gar nicht mal alles einfallen. Ich mag Projekte, aber ich bin nicht so die Fleißige, die das dann jeden Monat machen möchte. Du sagst, du hast dann die unterschiedlichsten Projekte gemacht und das war jetzt im Westerwald. Jetzt bist du ja nach Berlin gezogen. Würdest du sagen, du würdest hier gerne noch mal oder machst du das vielleicht sogar schon in einem Verein oder ähnlichem Hilfsorganisation? Also unser Verein ist ja ohnehin deutschlandfrei tätig. Wir sind ja nur 170
0: 39:10Mitglieder. Also das ist ein spezieller Verein für Hochamputierte. Und ich bin jetzt so was wie ein Patenstützpunkt. Also ich wäre, wenn man zum Beispiel auf unsere Website geht, von bei einem Amputierten, was geht, auf einer Deutschlandkarte als Ansprechpartnerin zu finden, wo man sich dann zum Beispiel melden kann, wenn man frisch in diese Situation kommt oder wenn man sich eben mehr informieren möchte
0: 39:40oder sich einer Gruppe wie uns anschließen möchte. Ja doch, würde ich schon. Also wenn es mich, was mich selber reizt, das ist dann auch immer gut. Das würde ich auch immer mal wieder neu überlegen. Im Moment bin ich halt sehr familiär eingebunden durch meine Mutter, die jetzt eben in meiner Nachbarschaft mitlebt. Und ja, und dann bin ich ja glückliche Oma von inzwischen schon zwei Enkeln und das mache ich auch alles. Also ich bin ein bisschen privater geworden.
0: 40:17Was würdest du denn einer Person empfehlen, die gerade frisch in diese Situation kommt? Also es kommt jetzt darauf an, welche Art von Amputation und auch, also ob, wenn es eine Hochamputation ist, wie Hüft-Ex oder Hemiperfektomie oder eine schwer zu versorgende prothetische Amputation, dann kann ich wirklich jedem sehr empfehlen, sich mit unserer Selbsthilfegruppe in Verbindung zu zu setzen, weil es gibt keine Lobby oder es gibt ja kaum Erfahrungswerte über das, was uns speziell betrifft. Ansonsten sind ja Amputationen Olympia-tauglich und es gibt ja die tollsten Prothesen auf dem Gebiet. Aber wir sind schon ein spezieller Fall und wir unterscheiden uns auch in dem, was uns beschäftigt. Und wir können sehr gut dadurch auch so füreinander da sein und
0: 41:19uns mit Ratschlägen helfen. Im Grunde genommen kann ich nur jedem raten, sich überhaupt nicht von äußeren Normen schon mal so das Wasser abgraben zu lassen. Es gibt so vieles, was auf irgendeine Art doch möglich ist. dass sie, ja, es ist eben schön, wenn man immer so von Geburt an am besten so ein Urvertrauen hat. Ansonsten sich eben abgucken, was die anderen machen. Und das motiviert unfassbar. Eine Freundin von mir, die läuft Einbein-Ski oder reitet und dernächst macht irgendwas anderes. Man kann natürlich nicht alles machen, aber es motiviert einen ja schon.
0: 41:59Und bei mir ist es eben so ein bisschen, dass ich das dann auch weiter trage. Mit dem Kinderkriegen, was andere vielleicht sagen, das traue ich mir jetzt wirklich nicht zu. Also ich würde anderen Betroffenen wirklich empfehlen, ganz den individuellen Weg zu suchen und durchaus sich vielleicht einer Selbsthilfegruppe wie uns anzuschließen. Das heißt ja auch nicht, wir treffen uns vielleicht zwei, dreimal im Jahr. Wir sitzen ja nicht am Stammtisch und erzählen uns ständig die schlimmsten Geschichten, sondern wir verbinden das ja auch mit sehr schönen Projekten. Das kann ich schon empfehlen.
0: 42:38Aber das ist auch die erste Gruppe, bei der ich mich wirklich aufgehoben fühle. Also mich hätte man noch vor 20 Jahren nicht begeistern können, jetzt in einen Verein für Amputierte einzutreten, hätte ich gedacht, wir sind zwar alle amputiert, aber wir haben ja jetzt nicht per se so viel Verbindendes, aber in dieser Selbsthilfegruppe ist es was anderes. Durch diese Spezialisierung und weil wir wirklich auch eine gute, niveauvolle Arbeit machen. Was würdest du sagen, wenn du jetzt junge Frauen in deiner Situation, wie du es damals warst, wie würdest du sagen, wie sollte man sich da im besten Fall aufs Leben einrichten?
0: 43:18Ja, alles geht. Man kann alles in sein Leben holen, was man möchte. Das heißt im Prinzip? Ja, beruflich und privat und im Liebesleben, Kinder kriegen, da gibt es keine Grenze. die höchstens dann mitunter Nein selber. Da kann ich nur sehr davon abraten, sich da irgendwelche Sachen einzureden, dass die nicht gehen. Es wird sich mal praktisch nicht alles umsetzen lassen. Das wäre ja auch übertrieben, aber es geht ja bei anderen auch nicht immer alles.
0: 43:55Also Zuversicht ist eine gute. Was wünschst du dir für deine Zukunft? Ich möchte natürlich möglichst gerne noch länger halbwegs gesund bleiben. Das ist schon etwas, was mir auch oft durch den Kopf geht. Jetzt blicke ich da noch durch alles durch und ich bin auch körperlich noch so weit gut drauf. Aber ich habe ja noch gut 20 Jahre vor mir.
0: 44:26Und ich glaube, der letzte Rest, der wird ein bisschen schwieriger. Und da habe ich ehrlich gesagt keine Vorstellung, wie das laufen kann. Das ist ja auch nicht so, man kann ja nicht sagen, ich habe fünf Kinder, ich ziehe jetzt mit denen zusammen. Das geht so nicht. Das kann sich ergeben, aber das ist sehr offen. Und deswegen habe ich ja auch dieses Einfamilienhaus aufgegeben, habe mich jetzt erst mal hier in einer Wohnung positioniert, wo ich das ja noch viel besser schaffe und so denke, auch zehn Jahre noch mal ganz gut weiter zu machen, so wie bisher. Und wie es dann nochmal kommt, das weiß ich nicht.
0: 45:08Also am liebsten würde ich gesund bleiben, wenn es geht. Das wünschen wir dir auch. Hast du bereits Personen kennengelernt, die älter sind als du, die damit leben? Ja, aber es gibt nicht so viele. Aber es ist nicht per se mit geringerer Lebenserwartung verbunden. Nur die Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie Bluthochdruck oder sowas, vermuten wir. Wir haben ja intern jetzt eine Lebensqualitätserfassungsumfrage Umfrage gemacht, weil das ja medizinisch gar nicht so abgedeckt ist und das deutet schon darauf hin, dass so Bluthochdruck und sowas ein bisschen häufiger ist. Mir ging es tatsächlich eher um die Mobilität, die da mit einhergeht. Also ich habe keine Ahnung, ich kann mir vorstellen,
0: 45:53dass die Muskulatur wird ja weniger und du, ich nehme an, dass du sehr viel Muskulatur brauchst. Ja. Da habe ich mir jetzt im Kopf die Frage gestellt, gibt es wen, den du kennst, der eben schon etwas älter ist als du und damit eben auch super fit? Es wird nach oben hin ein bisschen dünner, wird es vielleicht schon geben. Also ich bin jetzt 62, die nächste ältere, aber die laufen jetzt nicht mehr so an Krücken bis sonst wohin. Ich laufe ja noch relativ gut und ja nach oben hin habe ich jetzt nicht so viele, an denen ich mich jetzt orientieren kann. Aber die, die ungefähr so gleichaltrig oder ein bisschen jünger sind als ich, die sind eigentlich mehr oder weniger alle noch gut drauf, machen echt ihr Ding. Wir müssen das ja auch neu beackern, dieses Felder.
0: 46:45Manche, die weichen dann ganz auf Rollstuhl aus, dann geht ja ohnehin wieder viel. Vielen Dank, Christine, dass du hier warst. Ja, ich wünsche dir alles Gute. Und gut auch. Schön, dass ihr da wart. Immer. Ich wünsche dir alles Gute und viel, viel, viel Gesundheit. Dankeschön. Danke, dass du deine Geschichte mit uns geteilt hast.
0: 47:06Gerne. Hier noch eine Anmerkung. Wenn du von den besprochenen Themen betroffen bist oder Unterstützung benötigst, bitte zögere nicht, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Hole dir Unterstützung bei professionellen Hilfeeinrichtungen oder dir vertrauten Personen. Bis zum nächsten Mal bei Von Bohne zu Bohne. Du wirst selbst bei uns dabei sein? Dann melde dich auf unserer Website oder unserer Social Media.
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