#1 Tim: Bei der Niere meines Vaters

Shownotes

Heute erzählt uns Tim seine unglaubliche Geschichte. Mit gerade mal 15 Jahren erfuhr er, dass seine Nieren fast vollständig versagt hatten. Was sich zuerst wie Schlappheit und Müdigkeit äußerte, entwickelte sich zu einem dramatischen Kampf ums Überleben…


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0: 00:00Hallo und herzlich willkommen. Mein Name ist Charlotte. Mein Name ist Sanja. Mein Name ist Tim. Ich bin 27 Jahre alt und ich habe mit 15 eine Spenderniere bekommen. Wow, spannend. Ja, das war eine ganz unscheinbare Geschichte eigentlich. Ich habe sehr viel Sport gemacht und habe irgendwann gemerkt, dass ich gar nicht mehr hinterher kam. In welchem Alter? Ja, ich war 15 dann. Mit 15? Ja, genau, richtig.

0: 00:23Das war so, dass ich mit meinen Kollegen nicht mehr hinterherkam. Da hat mein Vater irgendwann gesagt, ich glaube, wir müssen mal zum Arzt gehen und das mal so ein bisschen überprüfen lassen. Und dann waren meine Blutwerte so drastisch, dass ich am gleichen Nachmittag dann noch ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Woran hast du das genau gemerkt, dass du nicht hinterherkommst? Was war der Punkt? Ich war sehr schlapp, habe sehr viel geschlafen, war sehr bleich tatsächlich, was ich für mich selber gar nicht so wahrgenommen habe, aber meine Mitmenschen sehr viel mitgenommen haben und mich auch sehr viel darauf aufmerksam gemacht haben. Irgendwann habe ich mich klein machen lassen. Ich dachte einfach nur, dass ich vielleicht zu wenig mache oder zu wenig schlafe. Meine Eltern dachten, ich hänge zu viel vom Bildschirm rum, wie das bei Eltern dann so ist. Ja, aber es war tatsächlich sehr niedrige und fast kaum noch funktionierende Nieren, die die Ursache dafür waren. Und du hast gesagt, die Blutwerte waren schlecht. Wie hat sich das da ausgedrückt? Hat man das dann direkt an den Nierenwerken gesehen oder noch an anderen? Ja, also einer der wichtigen Werte ist dabei der Hämoglobinspiegel. Das ist der Farbstoff des Blutes und für den Sauerstofftransport sehr wichtig. Ein Grund dafür, der war unglaublich niedrig. Also der war wirklich kurz vorm Umkippen, sage ich mal so. Es war eine sehr kritische Situation, die aber dadurch, dass sie so schleichend war, für mich nicht so extrem wahrgenommen wurde. Und das war einer der Hauptgründe, tatsächlich, um dann mal zu checken, was denn los ist. Es war zu dem Zeitpunkt, wo mein Hausarzt mich ins Krankenhaus eingewiesen hatte, noch gar nicht genau klar, was ist überhaupt los. Aber irgendwas Gewaltiges stimmt in dem Moment nicht.

0: 01:56Das war so die Prämisse hinter der ganzen Geschichte eigentlich. Und bevor wir damit anfangen, was hast du alles für Sport gemacht? Warst du ein Extremsportler oder wie kann man sich das vorstellen? Also extrem ist vielleicht extrem übertrieben, aber ich habe sehr viel Handball gemacht. Drei bis vier Mal die Woche war Laufen, Fahrradfahren, also sehr regelmäßig würde ich es jetzt sagen. Ja, genau. Und hauptsächlich Handball zu dem Zeitpunkt. Im Verein hast du dann gespielt? Ja, genau, richtig. Und dann zwei bis dreimal die Woche Training plus am Wochenende noch Punktspiel. Das war so die Regel. Und dann noch Schulsport.

0: 02:32Und Schulsport natürlich, genau. Kam auch noch mit dazu. Also in welcher Klasse warst du da? Mit 15? Ich müsste in der 9. Klasse gewesen sein. Gerade im Wechsel von 9. zu 10. Klasse. Ich war kurz davor, meinen Realschulabschluss zu dem Zeitpunkt zu machen. Und dann seid ihr ins Krankenhaus gefahren und was ist dann passiert? Also meine Eltern waren erstmal total auch kreidebleich erstmal Sachen gepackt ins Krankenhaus hier in Lübeck in der Notaufnahme gewesen. Da wurde dann nochmal Blut abgenommen, das Ganze zu checken mit irgendwie einem schnellen Check erstmal, um zu gucken, wo sind wir ungefähr. Und dann, glaube ich, hat das keine zwei Stunden gedauert, dann war ich auf der Kinderintensivstation und dann wurde erstmal geguckt, was passiert denn hier überhaupt?

0: 03:16Und dann kamen so langsam die genaueren Werte, um zu gucken, welche Werte stimmen denn nicht, wo hapert es denn überhaupt? Und dann ging es gleich los, dass ich an diverse Geräte angeschlossen wurde, tatsächlich um mich so schnell wie möglich vor dem Tod zu bewahren. Hört sich in meinen Augen so schlimm an, aber es war in dem Moment tatsächlich so, weil es doch eine sehr, sehr kritische und rastische Situation war. Wie hast du dich dabei gefühlt? Für mich war das sehr unwirklich, tatsächlich. Ich hab mich ja, dadurch, dass das so ein schleichender Prozess auch über Monate hinweg war, war es für mich so unwirklich.

0: 03:51Ich wurde in den Rollstuhl gesetzt, ich durfte nicht mehr alleine von Zimmer zu Zimmer gehen. Ich hab das alles sehr nur noch schwammig in Erinnerung, aber ich weiß, dass es für mich etwas surreal, das so wahrzunehmen. Hättest du die Kraft gehabt, von Zimmer zu Zimmer zu gehen? Ja, ich war ja auch weiterhin unglaublich fertig, selbst nach der Schule. Ich bin meistens zu Fuß oder mit dem Fahrrad gegangen. Das waren 10-15 Minuten. Danach habe ich mich hingelegt. Nachmittags kam dann irgendwann das Training dazu und dann war ich ja völlig platt. Und war ich auch nichts mehr fähig, noch was gegessen und ab ins Bett.

0: 04:32Aber es war dann schon wieder normal. Und dann war es halt so, dass ich, ja, ich habe alles normal weitergemacht. Deswegen war es für mich auch so komisch, dass ich dann einfach im Rollstuhl da rumschuffiert wurde. Wie hatte sich das in deinem Schulleben ausgedrückt? Also hattest du das vorher auch schon gemerkt, dass du da einfach nicht mehr mit deinen Freunden mitgehalten hast, im Sinne von ihr habt zusammen gespielt oder wie war das? Ja, also teilweise hat der Arzt dann auch gesagt, dass das Leistungstechnik eigentlich gar nicht hätte so gut laufen können. Also ich habe jetzt keinen super Realschulabschluss. Ich glaube 2-0 um den Dreh, was so gut ist. Das ist jetzt nicht schlecht. Also ich war immer im oberen Mittelfeld, wenn ich sogar mit immer, war nur eine kleine Dorfschule, deswegen fiel es sich auch so auf. Aber ich würde jetzt auf jeden Fall nicht sagen, dass ich schlecht in der Schule war. Und die Ärzte hat das sehr verglüfft, weil meine Konzentrationsfähigkeit nicht so hoch hätte sein dürfen aufgrund meiner schlechten Blutwerte.

0: 05:27Was haben die Ärzte gesagt? Wie lange hättest du noch durchgehalten? Inwiefern war die Ampel auf rot. Es wurde nie genaue Zahlen genannt. Das kennt man ja aus Filmen und Fernsehen. In zwei Monaten wären sie tot gewesen. Kann ich mich zumindest nicht daran erinnern. Oder ob es meinen Eltern gesagt wurde, während ich nicht anwesend war oder gerade nicht mitgehört habe. Aber es wäre nicht mehr gut gearbeitet haben.

0: 06:05Die Werte hätten sich nur noch weiter verschlechtert. Das war nicht ein Level, was gleich geblieben wäre, sondern ich habe einfach so einen kritischen Punkt erreicht, dass es einfach nicht mehr ging. Als du ins Krankenhaus eingeliefert wurdest und du dann sozusagen dein Zimmer hattest, wie ging es dann weiter? Ich wurde an die Dialyse angeschlossen. Dialyse ist ein Verfahren, um das Blut aufzubessern, aufzureinigen, das Ersetzen reinzuwaschen. Das ist praktisch die mechanische Niere, würde ich das jetzt einfach mal nennen. Man bekommt einen Zugang gelegt zum Herzen direkt und dort wird das Blut dann in Schläuchen durch diese Filtersysteme, dieses Gerät dann geleitet und wieder zurück in den Körper. Wie oft macht man das am Tag? Also zu dem Zeitpunkt, wo ich eingeliefert wurde oder eingewiesen wurde ins Krankenhaus, war es dauerhaft. Ich war 24-7 an diesem Gerät und ich glaube mindestens drei bis vier Tage lang.

0: 06:54So kritisch war der Wert, dass ich dauerhaft an dieser Maschinerie sitzen musste, damit meine Blutwerte und mein Blut allgemein wieder reingewaschen wurden. Normalerweise, wenn das jetzt eine Sache ist, die regelmäßig erfolgt für Leute, die keine Spenderniere haben und noch auf eine warten, eine brauchen, ist es in der Regel drei bis vier Mal die Woche und dann meistens vier bis sechs Stunden, je nachdem, wie die Werte sind. Wie ging es dann weiter für dich? Du warst dann an dem Gerät drei, vier Tage am Stück. Wie ging es dann weiter? Ich war auf jeden Fall immer noch weiterhin auf der Intensivstation. Dann ging es weiter, zu überlegen, was sind denn jetzt überhaupt für uns die nächsten Schritte. Wir haben uns das genauso gefragt. Was macht man denn jetzt überhaupt? Was wären die ersten Schritte? Meine Eltern waren natürlich total aufopferungsvoll, wie sie waren, gleich gefragt, wie sieht das mit Spenden aus, was können wir machen, sind wir irgendwie gleich, können wir uns testen lassen.

0: 07:44Das sind alles Fragen, die in den Raum gestellt wurden zu dem Zeitpunkt. Ich war ja auch noch so jung. Das war für mich auch total schwierig zu begreifen. Ich war in diese Situation innerhalb von keinen 24 Stunden reingeworfen worden und habe dann es einfach über mich ergehen lassen, wenn man das so sagen kann. Meine Eltern haben sich unglaublich gesorgt. Und ich habe einfach mein Leben in die Hände der Ärzte gelegt, wenn man das jetzt mal so sprichwörtlich sagen möchte. Dann war tatsächlich die Frage, ja, Spenderniere ist nötig. Die Nieren werden nie wieder funktionieren.

0: 08:18Die waren so unglaublich klein, dass sie praktisch nur noch einen Hauch eines Prozentes praktisch an Arbeit geleistet haben von dem, was normal wäre. Dann ging der ganze Prozess der Spendersuchung los. Das heißt, bei deinen Eltern hat es nicht funktioniert, dass sie hätten spenden können? Doch, tatsächlich. Es hat funktioniert. Es wird immer so gemacht, dass das gleiche Geschlecht des Organsuchenden bei den Eltern auch erst einmal getestet wird, weil aus biologisch-chemischen Gründen dort die Kompatibilität meistens höher ist. Das ist nicht zwingend notwendig, aber dort wird als erstes praktisch gesucht. Und das war bei dem Fall dann meinem Vater so und das hat tatsächlich gleich funktioniert. Was nicht heißt, dass ich gleich in der nächsten Woche dann auf dem OP-Tisch lag. Wie das in Deutschland meistens so ist, ist ein riesiger Bürokratiestress, der da einherkommt. Da gibt es verschiedene Tagungen, die nur mehrmals im Jahr tagen und diese Entscheidungen treffen und diese Ergebnisse besprechen. Ich glaube, es hat ein Dreivierteljahr gedauert, bis ich mit meinem Vater zusammen im OP war.

0: 09:25Das war ein relativ langer Prozess. Dann kommen noch verschiedene andere Prüfungen, Prüfungen hört sich so blöd an, aber Hürden, die man überspringen muss, um das Ganze dann auch wirklich starten zu können. Da gehören psychologische Gespräche hinzu, auch bei Lebensspenden der eigenen Familie, weil auch dort schon wohl in Vergangenheit diverse Sachen passiert sind, die nicht hätte passieren dürfen. Da kann ich jetzt aber auch nichts Genaues zu sagen. Es waren eher einfach Formalitäten, die erfüllt werden mussten, um das irgendwie in Gang zu bringen. Es war irgendwann relativ früh klar, dass mein Vater spenden darf. Der musste zwei, drei Tage im Krankenhaus sein und diverse Tests unterlaufen, ob er überhaupt fit genug ist, ob das Organ passt, was auch nicht immer zwingend heißt, dass die gleiche Blutgruppe erforderlich ist. Tatsächlich, das denken immer sehr viele, das ist zwar vorteilhaft, aber nicht notwendig, wenn das Organ selber vom Aufbau praktisch passt.

0: 10:18Die inneren, sowohl die äußeren Werte, ist das auch so gut möglich. Und das stand dann zum Glück relativ früh fest. Dann hat man auch gar nicht weiter getestet. Man hat nur eine Person zur Zeit getestet. Meine Mutter hat das unglaublich getroffen, weil sie natürlich genauso gerne helfen wollte wie mein Vater. Aber der ist es tatsächlich geworden. Im März, April ist das Ganze festgestellt worden. Das war der erste Kontakt mit dem Krankenhaus gewesen. Anfang Oktober ist dann erst die Transplantation gewesen. Was war denn in dem Zeitraum dazwischen?

0: 10:50Also warst du dann immer diese drei Mal in der Woche bei der Dialyse? Genau. Und warst du dann zu Hause? Oder bist du nur dafür dann ins Krankenhaus oder hast du im Krankenhaus gewohnt? Ja, also man hat da verschiedene Möglichkeiten tatsächlich. Also ich war während dieser Zeit in der Dialyse dann. Und das drei Mal die Woche immer vier Stunden lang. Was so der Mindestsatz meistens ist. Und ich hätte mir aussuchen können, ob ich weiterhin im Krankenhaus bin oder ob ich mir eine Dialysepraxis in der Nähe von mir suche.

0: 11:15Das war eine Praxis, die außerhalb liegt. Das waren 15 Minuten mit dem Auto. Von der Schule aus, Montag, Mittwoch, Freitag war das immer. Und dann direkt nach der Schule, direkt in der Praxis, angeschlossen bis abends. Meistens war ich bis 19, 20 Uhr vor Ort. Wie hat das mit der Schule geklappt? Du musstest zur Schule gehen, du musstest wahrscheinlich Klausuren schreiben. Wie hat sich das auf deine Leistungen ausgewirkt und wie war das für deine Lehrer vor allem? Es ist ja jetzt keine alltägliche Situation, dass man einen Schüler hat, der zur Dialyse geht. Ja, auf jeden Fall so. Es ist auch sehr ungewöhnlich, dass überhaupt einer in meinem Alter zur Dialyse geht. Also das Klientel ist eigentlich eher so 60 plus. Da habe ich den Laden schon sehr durcheinander gebracht mit meinen 15 Jahren. Ich habe das gar nicht so richtig wahrgenommen. Wir haben uns eher auf die Familie beruht. Wir haben da nicht viel nach außen geguckt. Natürlich wussten alle Bescheid, die damit involviert sein mussten.

0: 12:17Schule. Ich habe in dem Jahr meinen Realschulabschluss gemacht, das Jahr darauf. Alle wussten Bescheid. Meinen Realschulabschluss konnte ich noch relativ gut machen. Dann ging es weiter für mich, weil ich auf eine weiterführende Schule mein Abi nachholen wollte. Ich kann es nicht so gut sagen. Die meisten Leute waren natürlich sehr betroffen, vor allen Dingen mit den Leuten, mit denen ich den Arschlohabschluss gemacht habe, weil ich mit denen schon sechs Jahre zusammen zur Schule gegangen bin. Die kannten das von mir nicht anders. Auf einmal stehe ich dann nach diesem langen Kremsaufenthalt in der Klasse mit diversen Anschlüssen und kann höchstens zwei, drei Mal die Woche überhaupt mir Zeit nehmen für meine normalen Freizeitaktivitäten, weil ich sonst immer nur auf dem Krankenbett lag und in dieser Dialyse war. Ich habe versucht, so gut wie möglich das nach hinten zu schieben, was einem vor allem in meinem Alter so auffällt, Sachen zu unternehmen, soziale Kontakte zu knüpfen.

0: 13:10Also was in dem Alter, in so einem jungen Teenage-Alter dann halt so gang und gäbe ist. Hattest du eine Freundin zu dem Zeitpunkt? Ne. Der Sport war zu dem Zeitpunkt meine Freundin. Also eine der ersten Sachen, die ich tatsächlich im Krankenhaus, als ich dann in der Intensiv lag, gemacht habe, war tatsächlich, dass ich meinen Trainer angerufen habe. Er hat gesagt, dass ich höchstwahrscheinlich für ein paar Wochen ausfallen werde. Da war uns zu dem Zeitpunkt noch gar nicht bewusst, was für ein Ausmaß das alles haben wird. Mit einem Zugang, mit so einem Katheter, der eingelegt wird, da kannst du keinen Sport oder zumindest keinen Kontaktsport wie Handball machen. Das ist nicht möglich. Du kannst dich richtig schwer verletzen, wenn da irgendwie was an diesem Katheter ankommt. Geschweige denn, wenn dir da irgendjemand ranpackt oder weiß ich nicht was. Wo war der denn genau? Oben in der Brust. Also tatsächlich über dem Herzen wird ein Zugang gelegt und dann geht halt dieser Zugang bis zum Herzen. Also das ist dann nicht nur einfach ein normaler Blutzugang mit einer Nadel, sondern einen richtigen Schlauch, der mit zu deinem Herzen geht, in den Blutbahnen.

0: 14:07Ach, verrückt. Den hat man regelmäßig ausgetauscht? Es war ein Verweilkatheter, der ist dann das ganze Dreivierteljahr tatsächlich in der Brust geblieben. Es gibt noch andere Möglichkeiten, wie Vene und Arterium unterarm zusammenzulegen und das als Zugang zu verwenden. Das wird dann meistens für Leute gemacht, die wirklich lange auf Spenderorgane warten, weil es einfach deutlich einfacher und hygienischer ist und kein Fremdkörper in dir ist, der noch irgendwelche Infektionen auslösen könnte oder ähnliches. Was zum Glück bei mir vollkommen problemlos verlaufen ist, sowohl das Einsetzen als auch das Rausnehmen als auch währenddessen bei der Dialyse. Das erschränkt dann natürlich auch sehr ein. Jetzt mal ganz zurückspulen, gab es einen Grund, warum deine Niere nicht mehr funktioniert haben? Das ist eine saugute Frage eigentlich. Ja, die haben wir uns gar nicht gestellt. Meine Eltern haben sich das sofort gestellt. Was ist die Ursache? Woran hat das gelegen? Im Endeffekt kann man nur sagen, wir haben diverse Tests machen lassen anhand meiner Es wurden Gewebeproben genommen von dem, was von der Niere noch übrig ist.

0: 15:15Es wurden Gentests gemacht für Erbkrankheiten und es ist nichts rausgekommen. Tatsächlich weiß ich bis heute nicht, wieso das Ganze passiert ist. Einige Ärzte haben gesagt, wenn ich früher zum Arzt gegangen wäre, das ist so ein Hätte-Wenn-Aber-Gelaber, aber wenn ich das Ganze früher erkannt hätte oder mich früher hätte testen lassen können und die Nieren vielleicht noch ein größeres Ausmaß gehabt hätten. Dann hätte man vielleicht das Ganze noch irgendwie rückwirkend zurückverfolgen können oder noch Restwerte der Niere irgendwie erhalten können. Aber das war einfach zu spät, um das so plump zu sagen.

0: 16:08Du hattest ja gesagt, dass in dem Moment, wo du ins Krankenhaus eingeliefert wurdest, hast du einfach den Ärzten vertraut und den machen lassen, dass du das gar nicht so richtig wahrgenommen hast und das über dich hast ergehen lassen. Wie hat sich das denn geändert in diesem halben, dreiviertel Jahr, bis du dann die Niere bekommen hast? Also hast du dann langsam realisiert, ich bin gerade knapp dem Tode entkommen? Also wir haben eigentlich immer, vor allem mein Vater und ich, immer sehr viel nach vorne geschaut eigentlich. Alles wird gut, war damals unser Spruch, sag ich mal. Wir haben den Ersten vollstes Vertrauen geschenkt und gesagt, das kümmert uns jetzt nicht weiter, wieso, weshalb, warum das alles passiert ist, was man hätte anders machen können, das macht im Endeffekt auch nur unglücklich, würde ich jetzt einfach behaupten, wenn man sich jetzt darüber Gedanken macht, was man hätte anders machen können.

0: 16:41Und sowohl nach dem ersten Krankenhausaufenthalt als auch dann während, nach der Transplantation hat, haben wir vollstes Vertrauen einfach in uns selber und in das positive Denken gesteckt. Und das hat uns sehr weitergeholfen, um da einfach einigermaßen gut durchzukommen. Wie hast du das dann gemacht mit der Schule? Also, Sanja ist jetzt vorhin schon drauf eingegangen, hat gefragt, das war ja alles ziemlich stressig. Aber deine sozialen Kontakte, die mussten darunter ja bestimmt auch leiden. Und dann hast du ja noch Mannschaftssport gehabt, das ging auch nicht mehr. Hast du deine Freunde noch regelmäßig sehen können? Also vom Sport fast gar nicht mehr eigentlich. Ab und zu ging man mal vielleicht am Wochenende noch zu einem Spiel von den alten Teamkameraden. Es war aber auch nach dem ersten Krankenhausaufenthalt sehr sicher, dass ich erst mal mindestens das ganze Jahr, was gerade läuft, schon nicht Sport machen kann. Und wenn das alles mit der Transplantation verläuft, auch noch ein weiteres Jahr nicht. Da verliert man schnell den Kontakt und auch den Hang zu den Leuten, weil das, was einen verbunden hat, einfach nicht mehr da ist. Die Schule hat einem noch diese Regelmäßigkeit mit sozialen Kontakten gegeben. Ich konnte zum Glück regelmäßig zur Schule gehen und das Ganze immer nur nachmittags machen mit der Dialyse, was sowohl in der Realschule als auch auf der weiterführenden Schule gut getan hat. Das hat mir immer noch das Gefühl gegeben, dass ich da nicht viel vermisse. Es war so, dass ich von der Schule direkt in das Auto gestiegen bin und dann direkt in die Praxis gefahren bin. Dreimal die Woche. Alles, was dazwischen war, hat man versucht, entweder am Wochenende zu organisieren oder an den Tagen, an denen man nicht belegt war.

0: 18:18Das hat eigentlich ganz gut funktioniert. Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass mir da viel fehlt. Die Schule, wenn man zurückblickt, hat so viel... Man hat einfach mit so vielen Leuten zu tun. Das tat total gut. Hast du Geschwister? Ja, eine kleine Schwester habe ich. Zwei Jahre jünger ist sie als ich. Das kennen wir. Würdest du sagen, das hat einen Einfluss auch auf ihr Leben? Ja, also ich glaube, alle, die mir sehr nahe stehen, haben das sehr beeinflusst. Weil es dann auch so ein bisschen wieder zurück in die Realität geholt hat. Man kennt das, alles ist Friede, Freude, Eierkuchen.

0: 19:03Wenn dann so ein Schicksalsschlag passiert, der rüttelt erstmal an allen Leben, die irgendwie damit in Verbindung stehen. Habe ich nicht so stark mitbekommen tatsächlich, aber für mich, ich kann das schwer sagen. Ich weiß, dass es viele sehr mitgenommen hat, sowohl meine Eltern als auch meine Schwester, die im direkten Kreis um mich rum waren, als auch Familie mit Oma, Opa, Cousin, Cousine. Heute lacht man darüber, weil alles normal wirkt. Aber damals hat es an vielen Leuten gezehrt, was ich nicht so gut beurteilen kann, weil ich eher so ein Tunnelblick war und ich habe mich einfach auf mich fokussiert und auf das, was vor mir liegt. Aber ich hatte immer das Gefühl, meine Familie da im Rücken zu haben und dass wir uns eher gegenseitig gestärkt haben, anstatt uns daran aufzuhängen.

0: 19:55Richtig schön. Wie sieht es aus mit deinem Vater jetzt, wo ihm eine Niere fehlt, die er dir Gott sei Dank gegeben hat? Wie verläuft sein Leben? Wie hat das sein Leben eingeschränkt? Das ist eigentlich eine ganz witzige Sache, weil alle auch gleich nach dem Spender fragen und nicht nach dem Gespendeten. Ganz normal tatsächlich. Also es kann sein, dass tatsächlich die Niere, die dann übrig bleibt, versucht dann normalerweise 50-50, so schön in der Waage das Ganze mit den beiden Nieren. Und der Körper ist so smart, dass die eine Niere dann einfach die volle Power übernimmt. Anstatt auf 50 Prozent läuft sie auf 100 Prozent. Das heißt auch nicht, dass das irgendwie schneller verschlissen wird oder ähnliches. Da ist kein Verschleiß da. Je nach Körper ist das natürlich unterschiedlich. Bei meinem Vater lief das wunderbar. Es war kurz die Rede, dass eventuell Blutdruckmedikationen eingenommen werden, um die Niere zu entlasten. Das war aber im Endeffekt gar nicht nötig. Heute lebt er ohne Einschränkungen ein ganz normales Leben, ohne Medikamente, ohne alles.

0: 20:52Ja, also es ist wunderbar verlaufen. Also kann man wirklich glücklich sein drüber. Ja, auf jeden Fall. Lass uns mal zu dem Moment kommen vom Krankenhaus, wo es dann hieß, okay, gut, jetzt können wir im Endeffekt die OP stattfinden lassen. Wie war das? Wie war der Tag? Was ist da passiert? Also der Tag der OP dann? Ja, genau.

0: 21:11Boah, das war ganz schön aufregend. Man wird schon zwei, drei Tage vorher ins Krankenhaus gebeten, einfach nur, um noch mal alle Vitalwerte zu checken, die Blutwerte zu checken, die Niere zu checken. Ich kann mich nicht daran erinnern, wie viele Ultraschalls von meiner Niere und von den Nieren meines Vaters gemacht wurden. Es war einfach nur, um komplett auf Nummer sicher zu gehen. Es war wie so eine Leere im Kopf. Niemand wusste, was jetzt passiert. Natürlich waren alle aufgeregt und jetzt geht es endlich los. Wir haben ein Dreivierteljahr darauf gewartet. Und im Endeffekt war es eine Riesen-Nervosität, wie vor der Abi-Klausur. Es hätte ja alles passieren können. Man unterschreibt trotzdem seinen Brief, wenn irgendwas schiefgeht und die Narkose falsch eingestellt ist oder man irgendwie nicht mehr aufwacht. Das sind alles Eventualitäten, die damit eine Rolle spielen. Deswegen blieb diese Ernsthaftigkeit der Situation trotzdem bestehen. Trotz einer sehr positiven Sache, die da eigentlich passiert.

0: 22:12Aber diese Hürde der Operation selber, die musste erstmal genommen werden. Das war sehr aufregend sehr Nerven, also sehr Kräfte zehren zugleich. Also einfach nur weil man nicht wusste, was kommt. Das war für alle eine sehr große Zerreißprobe. Das war schwierig. Schwierig und aufregend zugleich. Und wie war das für dich, als du dann in den OP-Saal kamst? Dir wurde die Narkose gegeben und dann bist du wach geworden. Kannst du dich noch an den ersten Gedanken da erinnern? Und wie sah es aus? Warst du da auch weiterhin an Schläuchen oder bist du in einem Aufwachraum wach geworden? Also ich kann mich an die ersten drei Tage nach der OP nicht erinnern. Ich wurde so vollgepumpt mit Schmerzmitteln und Schlafmitteln und weiß ich nicht was. Ich habe Geschichten gehört von den ersten drei Tagen. Ich bin anscheinend kein guter Patient, wenn es um Narkosen geht.

0: 23:16Also ich habe wirklich versucht, mir Schläuche rauszureißen und ich habe wirklich ganze Bullshit erzählt. Also es war wirklich sehr nervenaufreibend für sowohl alle Schwestern und Ärzte als auch für meine Familie. Mein Vater, wir hatten ein Doppelzimmer, mein Vater lag neben mir und es war für alle total nervenaufreibend und ich habe davon nichts mitbekommen. Ich habe so eine leichte Beruhigungstablette bekommen vor der OP und ich kann mich nur noch daran erinnern, wie ich aus dem Raum geschoben wurde in meinem Bett. Der Rest ist eine Geschichte von den Göttern. Keine Ahnung, ich weiß es nicht. Ich kann mich wirklich erst, ich glaube, ich wurde Montag operiert und die ersten Gedanken kamen so Mittwoch, Donnerstag. Das sind die ersten Dinge, an die ich mich erinnern kann. Und was war das? Schmerzen. Es ist wirklich, es wird in deinem Körper rumgewühlt. Das klingt so blöd, aber es ist halt wirklich eine schmerzhafte Sache, weil dein ganzer Unterleib schmerzt. Es ist auch nicht so, dass irgendwelche Nieren rausgenommen werden oder ähnliches. Es wird alles da gelassen, wo es ist. Es wird nur zusätzlich eine Niere eingesetzt, die dann an die nötigen Kreisläufe des Körpers dann angeschlossen werden.

0: 24:20Das heißt, Moment, du hast jetzt theoretisch zwei. Drei. Also zwei plus die eine und die sitzt dann nebendran? Nicht nebendran. Also die normalen Nieren sitzen ja hinten im Beckenbereich, im oberen Beckenbereich. Die dritte wird meistens ins Becken reingesetzt, also vorne. Also die ist praktisch über der Hüfte. Ja, also wenn man es so sehen will, habe ich drei Nieren. Zwei meiner eigenen und eine von meinem Vater. Und arbeiten die auch noch? Also wie gesagt, die sind kaum noch zu erkennen auf Ultraschallbildern. Man kann sie erahnen und eine gewisse Restfunktion war ja auch schon zum Zeitpunkt meiner Diagnose noch da. Das heißt, man kann es schlecht sagen. Mein letzter Kontrolltermin ist jetzt ein paar Wochen her. Da hat auch noch mal der Arzt versucht, mal zu gucken, was da noch vorhanden ist. Es heißt dann immer nur, hier irgendwo könnte ihre Niere sein. Also es war, wenn man es rein medizinisch sieht, habe ich eigentlich eine funktionierende Niere und zwei kleine Weinträubchen, die noch irgendwo im Körper wandeln.

0: 25:22Also es ist, ja genau, medizinisch oder rein körperlich gesehen drei, funktionierend eine. Wie lange warst du dann im Krankenhaus, nachdem du sozusagen den ersten Tag wieder... Vier Wochen. Also es wird alles unglaublich stark kontrolliert. Muss es auch. Das ist in dem Sinne, wenn man das so sehen möchte, ein Fremdkörper, der im eigenen Körper eingesetzt wird. Selbst wenn die DNA fast identisch ist zu meinem Vater, der Körper ist so smart und denkt, nee, das ist nicht meins. Und dieses Gefühl des Körpers muss unterdrückt werden. Und das wird mit sogenannten Immun-Suppressivern gemacht, die im Endeffekt die Reaktionen deines Immunsystems runterfahren. Und diese Dosierung ist vor allen Dingen am Anfang, weil dort die höchste Wahrscheinlichkeit ist, dass das Organ abgestoßen wird, sind die Dosierungen unglaublich hoch. Und die werden fast stündlich kontrolliert nach dieser OP. Und man sagt, wenn man die ersten ein bis zwei Wochen überstanden hat, ohne dass irgendwelche Abwehrreaktionen vorherrschen, dass man relativ mit einem positiven Gefühl in die Zukunft blicken kann.

0: 26:28Es war bei mir tatsächlich auch noch so, dass die Durchblutung der Niere meines Vaters, nachdem sie transplantiert wurde, nicht so war, wie die Ärzte sich das vorgestellt haben. Das war dann innerhalb der ersten Woche nach der OP. Man hat natürlich immer abgewartet, weil auch der Körper muss sich erst einmal daran gewöhnen, das muss an den Blutkreislauf angeschlossen werden, wie sieht das mit der Filterung des Urins aus, was auch eine große Aufgabe der Niere ist, dann musste ich tatsächlich noch ein zweites Mal nachher in die OP. Da musste nochmal, weil die Durchblutung wohl die Zufuhr des Blutes in diesen Kanälen, in diesen Blutbahnen irgendwie verwoben war oder leicht eingeschränkt wurde, weil da ein Knick drin war oder ähnliches. Man wusste es nicht genau. Man hat es auf den Ultraschallbildern auch nur erahnen können, aber das ist so eine penible Geschichte, da muss man tatsächlich nochmal reinschauen. Das war ein kleinerer Eingriff, dass man keine vier, fünf Stunden im OP sei. Das war eine halbe Stunde. Ich kann mich zwar auch nicht mehr an den Eingriff erinnern, aber das war eine Sache, die nachher dazu geführt hat, dass die Durchblutung so war, wie die Ärzte sich das vorgestellt haben. War das innerhalb des einen Monats? Das war innerhalb der ersten Woche nach der OP. Da so genau geguckt wurde, wollte man sicherstellen, dass die Durchblutung der Niere so ist, wie man das auch möchte. Das waren zwei OPs innerhalb von einer Woche. Man muss da reagieren, weil das Organ muss versorgt werden, weil sonst wirkt es auch ohne diese Immunreaktion des eigenen Körpers ab.

0: 27:53Das wollte man verhindern. Das hat dann reibungslos geklappt? Ja. Danach waren die Werte wirklich immer nur gut. Das war der erste Stolperstein, wenn man das so nennen möchte, in dieser Transplantationsgeschichte. Und dann musstest du wahrscheinlich zu dem Zeitpunkt sehr viele Medikamente nehmen. Und wie hat sich das entwickelt? Ist das heute noch so? Ja, also man wird erstmal vollgepumpt mit allen möglichen Sachen. Man muss den Körper so gut wie möglich entlasten, damit er sich auf den Heilungsprozess konzentrieren kann, gewisse Dinge unterstützt werden können, Entzündungsprozesse müssen reguliert werden im Körper, weil halt da drin auch so viel rumgewurscht wurde. Also von Kortison zu Cholesterin, Blutdruckmittel natürlich ganz viel und hauptsächlich auch diesen Immun-Suppressiver. Und das ist nachher so, wenn man dann entlassen wurde, bei mir war es ja nach vier Wochen, ist man erst wöchentlich, also ein bis zweimal wöchentlich dann zur Kontrolle, dann wird es einmal wöchentlich, dann wird es alle zwei Wochen, dann alle drei Wochen und so staffelt sich das dann nach oben. Je nachdem wie gut die Werte sind, kann sich das mal ändern, kann sich das verlängern, verkürzen, wie auch immer.

0: 29:00Und das sind so die, sag ich mal, je nachdem wie gut das Ganze verläuft, kann dann die Gabe von verschiedenen Medikamenten entweder komplett abgesetzt werden oder erhöht werden, dazugegeben werden. Das ist eine rein medizinische Geschichte, um zu gucken, dass es der Niere so gut wie möglich geht und dem Körper drumherum natürlich auch. Und wie lang ist dein Abstand jetzt in den Untersuchungen? Alle drei Monate ist es jetzt. Ist es das Maximum? Kann ich nicht genau sagen. Da habe ich mich tatsächlich nicht viel mit auseinander gesetzt. Ich gebe den Ärzten weiterhin vollstes Vertrauen und sage, wann wollt ihr mich sehen, was ist der Zeitraum. Aber ich gehe mal davon aus, dass es sehr standardmäßig ist. Man kann die Abstände nicht zu groß lassen, weil in dieser Zeit auch viel passieren kann. Wenn man jetzt davon ausgeht, dass die Niere langsam ihren Geist aufgeben würde, dann könnte man das rechtzeitig erkennen und dann Schritte dagegen einleiten. Drei Monate finde ich super. Das ist praktisch non-existent. Wenn ich viermal, fünfmal im Jahr zum Arzt gehe, den Aufwand kann ich mir dann noch leisten.

0: 30:05Gehst du da zu einem Spezialisten oder gehst du zu deinem Hausarzt? Ja, das ist tatsächlich der gleiche Arzt, den ich auch damals schon in der Dialyse hatte. Das sind Nierenfachärzte. Die kennen mich jetzt seit 12, 13 Jahren. Also die begleiten mich praktisch jetzt schon mein halbes Leben. Und dieser Termin, wie lange dauert der in der Regel? Ganz kurzer Prozess tatsächlich. Mir wird einmal morgens Blut abgenommen, dann wird ein Ultraschall von der Niere gemacht, ein kurzes Gespräch, Vitalwerte, Blutdruck messen, einmal Gewicht checken, Wasserablagerung, alles was so die Niere betreffen könnte, die rein äußerlich zu erkennen sind oder halt sehr einfach nachzuweisen sind, werden geprüft. Und roundabout, jetzt mal ohne Wartezeit, dauern die Eingriffe maximal eine halbe Stunde. Also da ist man nicht viel unterwegs. Deswegen ist dieser Zeitaufwand, wenn man das vergleicht mit dem, was dahinter steckt und was man damit erreichen kann, minimal.

0: 30:55Das ist keine Hürde, das ist einfach eine Routineaufgabe. Merkst du das heute noch im Alltag? Nö. Der einzige Einschnitt, der in meinem Leben noch besteht, ist die Einnahme von den Immunsuppressivern. Die müssen ein Leben lang genommen werden, das Immunsystem muss dauerhaft befeuert werden mit diesen Medikamenten, damit es nicht gegen die eigene Niere oder gegen die Niere meines Vaters vorgeht. Einmal täglich? Zweimal täglich. Morgens und abends? Genau, richtig. Immer an regelmäßigen Abständen.

0: 31:22Das heißt, du kannst jetzt auch weiter Sport machen oder wieder Sport machen? Ja, also Körperbetonter Sport ist weiterhin eher ein Tabuthema, weil die Niere sehr dicht unter der Haut liegt. Das ist nicht geschützt durch die eigenen Knochen. Es liegt einfach nicht so geschützt, wie der Körper das in der Natur vorgesehen hat. Deswegen sowas wie Handball oder andere Kontaktsportarten sollte ich eher vermeiden. Das kann ich natürlich auf mein eigenes Risiko machen. Wäre aber schön blöd, wenn ich das mache. Was ist da am besten Fall? Ich habe mich viel mit Volleyball und Badminton auseinandergesetzt. Damals schon in der Oberstufe viel gemacht und immer noch weiter verfolgt. Radfahren habe ich für mich eigentlich immer nur als Sport gesehen bzw. einfach nur als körperliche Betätigung. Ich mache heute bei weitem nicht mehr so viel Sport wie früher. Das habe ich tatsächlich richtig verlernt. Einfach nur in diesen zwei Jahren, in denen Sport absolut tabu war, geht das ganz fix. Also von zehn Jahren, in denen ich praktisch dauerhaft mehrfach die Woche Sport gemacht habe, ging das recht fix zu, jetzt mache ich eigentlich kaum noch Sport. Also aktiv Sport bewusst zu machen.

0: 32:33Und wie schaut das aus mit dem Berufsleben? Ich weiß nicht, ob ich fragen darf, was du beruflich machst. Ja, doch. Ich arbeite in der Apotheke. Jetzt habe ich auch einen sehr großen Bezug zu meiner eigenen Medikation natürlich bekommen. Ich weiß jetzt auch, was alles dahinter steckt. Einschränken tut mich das gar nicht. Es ist wie gesagt nur noch diese tägliche Einnahme meiner Medikation, die ich sowohl vor der Arbeit als auch nach der Arbeit nehme. Heißt auf der Arbeit, wenn mich niemand fragen würde, wenn man mich auf der Straße sehen würde, das kennt man nicht. Das sieht man nicht, das kann man niemandem ansehen. Von daher schränkt mich das auch nicht ein. Aber spannend, dass du in der Apotheke arbeitest. Hatte das einen Einfluss darauf? Gar nicht. Ich habe mich währenddessen so wenig befasst mit dem, was ich eigentlich zu mir nehme. Ich habe einfach so viel Vertrauen in die Ärzte.

0: 33:23Vielleicht war ich auch sehr naiv, aber das hat mich nicht interessiert. Solange das funktioniert, ist mir das erstmal egal. Das war meine Einstellung. Aber mit dieser Ausbildung kam natürlich einher, dass man sich mal mit den Sachen befasst hat. Was ist das überhaupt? Wie funktioniert das? Warum wird genau das gemacht und nicht das gemacht? Hat aber im Endeffekt überhaupt keine Auswirkung darauf, warum ich jetzt diese Berufsbahn gewählt habe. Ich fand das für mich sehr interessant, weil es sowohl eine sehr wissenschaftliche Seite hat in der Pharmazie, in der Chemie, in der Biologie, als auch dann einen sehr menschlichen Kontakt, zum Beispiel in der Apotheke, mit den Kunden hat. Das fand ich eine sehr spannende Sache und deswegen habe ich das auch ausprobiert.

0: 34:03Das klingt so blöd, aber ich war auch dieser typische Schüler, der dann gesagt hat, okay, jetzt Realschule fertig, was mache ich denn jetzt? Ja, auf Arbeiten habe ich noch nicht so richtig Lust. Also, was machst du? Dann gehst du weiter zur Schule. Fanden meine Eltern super, fanden meine Großeltern super. Ich fand das auch super, weil ich mich noch nicht auf irgendwas festlegen musste. Dann war das Abi fertig und dann habe ich mir auch gedacht, was machst du denn jetzt? Willst du schon arbeiten gehen?

0: 34:24Nö. Also, was machst du jetzt? Machst du den typischen Move, den jeder nach dem Abi macht? Gehst du erst mal ins Ausland. Also erst mal ein halbes Jahr nach Australien geflogen, was auch mit meiner Medikation wunderbar funktioniert hat. Also selbst da, ich bin alleine mehrere Monate allein reisen gewesen und habe keine Einschnitte, keine… Also ich habe mich nicht benachteiligt gefühlt durch meinen körperlichen Zustand oder so. Also es hat alles wunderbar funktioniert. Und erst dann habe ich mich damit beschäftigt, was möchte ich jetzt überhaupt machen? Irgendwann muss man ja mal anfangen, sich für irgendwas zu entscheiden. Für mich war das immer so schwierig, weil ich in meinem Kopf noch dieses typische deutsche Denken hatte, wenn du dir was aussuchst, dann musst du das jetzt auch dein Leben lang machen. Du bist 50 Jahre in dem gleichen Betrieb und machst 50 Jahre die gleichen Sachen. Mittlerweile habe ich kennengelernt, das muss halt nicht so sein. Das ist nicht so.

0: 35:12Man kann sich jederzeit umorientieren, neue Sachen für sich entdecken, neue Ausbildungen anfangen, ein Studium machen oder wie auch immer. Aber das muss man auch erstmal für sich dann so begreifen und wahrnehmen. Aber ich habe mir nie viel Gedanken dahinter gemacht, was ich mache, sondern erst mal drauf los, Augen zu und durch. Erst mal gucken, was wird. Aber schöne Einstellung. Ich habe noch eine Frage. Hast du irgendwie noch Kontakt zu anderen Menschen, die eine Niere oder ein Organ transplantiert bekommen haben, durch irgendwelche Selbsthilfegruppen oder sowas? Ja, also dadurch, dass ich mich eigentlich immer sehr als mental stark und eigentlich freigesehen habe in meiner Erkrankung, habe ich nie das Bedürfnis zum Beispiel gehabt, mir da irgendwelche Selbsthilfegruppen zu suchen oder Kontakt zu anderen zu suchen.

0: 35:59Die hat man natürlich kennengelernt in Dialysepraxen, in der Transplantationsstation selber. Und es gibt tatsächlich auch mehrfach jährlich im Uniklinikum hier bei uns ein Treffen. Das wird einmal jährlich oder zweimal jährlich gemacht, meistens zu Weihnachten, zum Mitte des Jahres im Sommer. Da wurde ich anfangs auch noch eingeladen. Es ist nicht so, dass das in Vergessenheit geraten ist. Da habe ich auch die ersten Jahre tatsächlich auch mal mehrfach gesprochen, um einfach so ein bisschen darauf aufmerksam zu machen und meine Geschichte zu erzählen, so wie ich es jetzt heute mache. Ich habe dabei irgendwie nicht viel daraus mitgenommen. Es gibt Menschen, die gehen sehr gut mit ihren Krankheiten um, egal ob transplantiert oder was für eine Erkrankung auch immer. Und dann gibt es Leute, die hängen sich daran auf. Die leiden sehr.

0: 36:51Das dürfen die auch machen. Das ist deren Recht. Und die dürfen sich auch in ihrem Wehleid suhlen. Das ist völlig in Ordnung. Aber das ist keine Sache, mit der ich mich beschäftigen möchte, weil mich das im Endeffekt auch nur runterzieht. Und ich fand das nett. Leute haben das total bewundert, wie ich an die Sache rangegangen bin und wie ich mit der Sache umgegangen bin. Ja, aber mir hat das nicht viel gegeben. Ich wollte mein Leben weiterleben.

0: 37:14Ich war 15, 16 Jahre alt. Also da habe ich keine Lust mit irgendwelchen 50, 60, 70-Jährigen da rumzuhängen und mir meine Geschichte zu erzählen. Das ist ein, zwei Mal nett und danach ist es nervig. Dann kann ich auch lieber irgendwie feiern gehen oder mit Freunden treffen, Fußball spielen gehen, keine Ahnung. Oder einfach nur zocken, keine Ahnung. Also das hat dann doch, glaube ich, der jugendliche Leichtsinn, der dann in einem spricht. Man muss sich da auch nicht mit diesen Leuten umgeben. Das brauche ich nicht. Ich habe meine eigenen Freunde, meine normalen Freunde, mit denen ich Sachen machen kann. Hast du noch gar einen Spendeausweis?

0: 37:47Ja, natürlich. Das war eine der ersten Dinge schon vor der Transplantation. Das ist total wichtig. Ich finde das ein total wichtiges Thema. Es ist mal was anderes, wenn man in der Situation tatsächlich betroffen ist oder als Betroffener die Situation betrachtet. Man hat das selber alles durchlebt. Wie einfach das ist, wenn jemand einem freiwillig einen Organ spendet. Ich weiß gar nicht, ob man das in Worten ausdrücken kann. Wie dankbar man sein kann, dass ein Mensch ein Teil von sich gibt, um dir das Leben zu erleichtern oder auch zu retten. Und wenn ich mit meinen Organen das machen kann, um jemand anderem das Leben zu retten, ob das Lunge, Herz, die eigene Spenderniere oder was auch immer, ob das Haut oder ähnliches ist, da habe ich nach meinem Abtreten nicht mehr zu. Also warum sollte das irgendwie verloren gehen, um jemandem dieses Geschenk zu geben, was mir schon geschenkt wurde? Ja, auf jeden Fall. Es ist wirklich bemerkenswert.

0: 38:50Ja, danke dir, dass du deine Geschichte mit uns geteilt hast. Super gerne. Danke dir für deine Offenheit, für deine Ehrlichkeit und für die wirklich spannenden Einblicke, besonders für einen Menschen wie mich, die überhaupt keinen Bezug zu Medizin oder Ähnlichem hat, ist das tatsächlich sehr viel Neues, was ich durch dich lernen durfte. Dankeschön. Das freut mich. Ja, vielen, vielen Dank für deine Zeit und dass wir uns wieder gesehen haben. Ich wünsche dir noch einen wunderbaren Tag. Ja, ich wünsche euch auch.

0: 39:20Und vor allem ganz viel Gesundheit. Also für immer. Das ist das Wichtigste. Das höchste Gut des Menschen ist die Gesundheit. Und wenn die stimmt, dann kann man weitermachen. Das ist doch ein schöner Abschlusssatz. Danke dir. Gerne.

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